WCCB-Streit„Eine bittere Pille für die Stadt“
Bonn – Der vom Bonner Landgericht im Streit über die städtische Bürgschaft für das Kongresszentrum WCCB vorgeschlagene Vergleichstößt vielen Kommunalpolitikern sauer auf. Wie gestern berichtet, hat eine Zivilkammer des Gerichts angeregt, dass die Stadt 85 Prozent der Bürgschaftssumme zahlt, die von der Stadt verklagte Sparkasse Köln Bonn also 72 Millionen Euro erhält. Das Geldinstitut hatte 2007 und 2009 einen Kredit von insgesamt über 100 Millionen Euro an den klammen WCCB-Investor Man-Ki Kim überweisen, für den die Stadt gebürgt hatte.
Der frühere Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) ging gegen diese Bürgschaft vor, weil sie gegen das EU-Beihilferecht verstoße – und sah sich in seiner Meinung durch Rechtsberater gestärkt, die Stadtverwaltung empfahl deshalb dem Rat den Gang zum Gericht, und der stimmte zu.
Nachdem die Bonner Richter aber klar gemacht haben, dass die Sichtweise der Stadt falsch sei und sie gut fahre, wenn sie dem 85:15-Vergleich zustimme, ist im Rat der Zorn auf die damaligen Berater groß. „Es erscheint mir sehr befremdlich, dass wir für eine sechsstellige Summe zwei Gutachten bekommen haben mit der eindeutigen Empfehlung zu klagen“, sagte gestern auf Anfrage CDU-Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger. Damals sei gesagt worden, die Stadt sei auf der sicheren Seite, jetzt aber stehe sie „deutlich schlechter“ da. Fenninger sagte weiter, die früheren Berater sollten nun im Rat erklären, wie sie zu ihrer Einschätzung gekommen seien. Das alles sei „eine sehr missliche Geschichte“.
Die Anwaltskanzlei Gather war 2011 zunächst von der schwarz-grünen Ratsmehrheit als Begleiter der WCCB-Angelegenheiten geholt worden und erhielt später ein Mandat der Stadt. Sie war dann gemeinsam mit dem Gutachter Professor Koenig, einem Europarechtler, auch in den Streit mit der Sparkasse eingebunden. „Das Gutachten sowie die Stellungnahmen des Rechtsamtes und der Kanzlei Gather waren immer sehr eindeutig und legten es nahe, beim Kredit der Sparkasse von einer unerlaubten Beihilfe auszugehen. Den Gutachten zugrunde lagen umfangreiche Auswertungen der Haltung der EU-Kommission und des Europäischen Gerichtshofs, die sich generell kritisch zu Beihilfen dieser Art positioniert hatten“, erinnert sich Nimptsch.
Er vermutet, dass sich „im Lauf des letzten Jahres in der EU-Kommission offenbar eine Veränderung der Position in Sachen Beihilfe generell entwickelt hat. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Kommission die Sparkassen insgesamt nicht schwächen will, denn der ,Bonner Fall’ ist ja nur ein Beispiel für ein breit praktiziertes Geschäftsmodell der Sparkassen, sich Kredite an Private durch Bürgschaften von Kommunen absichern zu lassen“.
Wie die CDU ist auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Werner Hümmrich nicht glücklich mit der Expertise der städtischen Berater. Er erklärte am Mittwoch, er habe 2015 Zweifel an dem Rechtsgutachten gehabt und es von einem eigenen Juristen prüfen lassen, der „inhaltliche Schwächen“ gesehen habe. Er habe damals für einen Vergleich plädiert, die Stadt habe aber „auf der harten Tour“ bestanden. Herauskommen sei nun „eine deutliche Verschlechterung“ für Bonn: „Das ist vorher so nicht kommuniziert worden.“ Nun aber gelte es, „das Kapitel zu schließen“, deutete Hümmrich an, dass er wohl dem Vergleichsvorschlag des Gerichts zustimmen werde.
Der Grüne Koalitionspartner will ebenfalls so votieren. „Das Ergebnis ist sicher für die Stadt Bonn schmerzlich; es war aber zu erwarten, nachdem seitens der EU eine Beihilfeproblematik nicht gesehen wurde. Wir sind der Meinung, dass Stadt und Sparkasse jetzt auf der Basis des Gerichtsvorschlages rasch zu einem Vergleich kommen sollten, um das Kostenvolumen über anfallende Zinsen nicht noch weiter zu erhöhen“, so die Fraktionssprecher Peter Finger und Brigitta Poppe.
So weit ist die SPD noch nicht. „Auch wir werden den Vorschlag, über den Oberbürgermeister Ashok Sridharan die Fraktionen lediglich in groben Zügen informiert hat, diskutieren“, sagte Fraktionschefin Bärbel Richter. Wichtig sei es, den Rat zu beteiligen.
Auch die Allianz für Bonn kritisiert Ex-OB Nimptsch. Fraktionssprecher Hans Friedrich Rosendahl: „Rechtsberater und Verwaltung unter Leitung des ehemaligen OB haben Stellungnahmen abgegeben, die im Ergebnis für die angespannte Haushaltslage am einfachsten waren. So sieht Wunschdenken aus. Schade, dass die anderen Fraktionen nicht kritischer waren.“
Die Piraten nennen den Vergleichsvorschlag „eine bittere Pille für die Stadt“. Der Fraktionschef der Linken, Michael Faber , kann sich eine Zustimmung „nur schwer vorstellen“ – selbst unter Berücksichtigung, „dass der Stadt als Miteigentümerin nicht an einer langen Auseinandersetzung mit der Sparkasse vor Gericht gelegen sei kann“.
Der Bürgerbund Bonn (BBB) erwartet von OB Sridharan eine Strategie, „wie sich die Stadt dem offenbar drohenden Unheil entgegenstemmen kann“, sagte Fraktionsvorsitzender Marcel Schmitt. Für ihn käme „mit dem heutigen Wissensstand“ eine Zustimmung nicht in Betracht.
Die Stadt Bonn hat bis zum 10. November Zeit, dem Gericht zu erklären, wie sie sich verhalten will. Möglicherweise wird der OB um eine Terminverschiebung bitten, um die städtischen Gremien einbeziehen zu können. Dass die Stadt die 72 Millionen Euro stemmen kann, ist für CDU-Mann Fenninger klar. 50 Millionen Euro seien ja schon zurückgestellt worden. Damals ging die Stadt offenbar davon aus, dass sie 50 Prozent der strittigen Summe, also 50 Millionen Euro, zahlen müsse. Nun sind es 22 Millionen Euro mehr.
Nimptsch meint aber, Bonn stehe heute besser da, als wenn es die komplette Bürgschaftssumme, die 2010 von der Sparkasse gefordert worden sei, zahlen müsse. Er geht davon aus, dass die Vergleichssumme „mit einem Schlag“ überwiesen werde, um den Zinsvorteil mitzunehmen.