Wolfgang GrießlDer scheidende IHK-Präsident zieht Bilanz

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Umgeben von Kunst: IHK-Präsident Wolfgang Grießl an seinem Schreibtisch. )

Umgeben von Kunst: IHK-Präsident Wolfgang Grießl an seinem Schreibtisch. )

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis – Das Büro weist den Kunstfreund aus: Bilder an den Wänden, auf dem sauber aufgeräumten Schreibtisch eine Skulptur, die einen etwas perplex aussehenden Beethoven auf einem Stein sitzend darstellen könnte; daneben aber unverkennbar der Meister selbst, nämlich eine Reproduktion des berühmten Beethovenporträts von Joseph Karl Stieler aus dem Jahr 1819 hinter Glas.

Beethoven, das war jahrelang das große Thema von Wolfgang Grießl, des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein, der nach fünf Jahren im Amt nun, wie berichtet, nicht mehr antritt. Der heute 67-Jährige hatte die Aktion „5000 x 5000“ gegründet, die 25 Millionen Euro zum Bau des Beethoven-Festspielhauses sammeln wollte. Das Projekt ist gescheitert.

Zur Person

Wolfgang Grießl ist 67 Jahre alt und kam Anfang der 1970er Jahre zum Mathematikstudium nach Bonn. 1981 gründete der ehemalige Kneipenwirt („Kaktus“ in der Ermekeilstraße) das Technologieunternehmen Phoenix Software GmbH. Seit dem Jahr 2000 ist der Hobbykoch bei der IHK ehrenamtlich engagiert, seit 2002 gehört er der Vollversammlung an, seit zehn Jahren dem Präsidium und seit fünf Jahren ist er Präsident der Kammer. Die hat 52 000 Mitglieder, in der Vollversammlung sitzen 57 gewählte Unternehmer. (dbr)

„Das war eine der größten Niederlagen der Stadt und der Region“, sagt er am Dienstag, als er eine Bilanz seiner Zeit als IHK-Präsident zieht. Bonn habe „eine Riesenchance versemmelt“, ärgert er sich. Und die Beethovenhalle, die nun für über 60 Millionen Euro saniert wird, werde zum 250. Geburtstag des großen Sohnes der Stadt nicht fertig, ist er sich sicher, „aber Beethoven werden wir in dem Jahr gut und würdig feiern“.

„Die Stimme

der Wirtschaft“

So ist er. Grießl hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. „Ich stelle mich frontal in den Wind.“ Er war auf vielen Veranstaltungen präsent und ist so sicherlich das Gesicht der Kammer geworden. Diese Institution, zuvor oft als Honoratiorenclub verspottet, werde nun „als Stimme der Wirtschaft“ wahrgenommen. „Wir sollten uns nicht zurückhalten. Da ist man nicht immer everybody’s darling“, mahnt er Mut zur klaren Ansage an.

Bei der Politik sei das oft nicht so, die schaue gern auf die nächsten Wahlen, dabei sollte viel stärker in den Blick genommen werden, wo die Stadt Bonn und das Umland in den nächsten zehn bis 15 Jahren stehen.

Die Südtangente, eine alte Forderung der Kammer, solle weiter auf der Agenda bleiben. Die geplante Rheinbrücke bei Niederkassel bringe Bonn nichts, außer, es würden Eisenbahnschienen drübergelegt.

Der Verkehr in der Bonner Innenstadt? Da gebe es keine Besserung. Ein intelligentes Parkleitsystem müsste her, dass Autofahrern auf einer Handy-APP anzeige, wo freie Parkplätze angesteuert werden könnten. Grießl setzt da auf das gerade von Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Telekom-Chef Timotheus Höttges angeschobene Projekt „Digitales Bonn“, das eine solche APP entwickeln könnte.

Die Entwicklung am Bonner Bogen lobt er, vom Betreiber des Kongresszentrums WCCB wünscht er sich eine professionelle Vermarktung („Da müssen Profis ran“), damit auch das Gastgewerbe in der Region etwas davon hätte. „Was meinen Sie, wie oft ich Hoteliers in meinem Büro am Telefon hatte, die mich fragten, wo denn die Gäste seien, die durch das WCCB kommen sollten“. Indes ist das Tagungszentrum, das Grießl als eines der besten in Europa preist, nach eigenen Angaben nicht nur für 2017 ziemlich ausgebucht.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Oberzentrum Bonn und den kreisangehörigen Gemeinden müsse ausgebaut werden, steht weiter auf der Wunschliste des Präsidenten, aber da sei man auf einem guten Weg. Grießl regte an, einen Katalog aufzustellen, wo enger kooperiert werden könne. „Wir sind eine prosperierende Region, die den Strukturwandel gemeistert hat“, sagt er, und: „Aber dafür müssen wir weiter kämpfen“, mahnt er OB Sridharan und Landrat Sebastian Schuster, die Wirtschaft beim Kampf um den Erhalt der ministeriellen Arbeitsplätze mit ins Boot zu holen.

Wer soll sein Nachfolger werden? Er werde sich hüten, da Namen zu nennen, antwortet er. Aber wenn es nach ihm gehe, könne es gerne eine Frau werden. Die gerade neu gewählte Vollversammlung, die am 14. Februar das neue Präsidium kürt, ist jünger geworden, auch mehr Frauen als bisher haben für das sogenannte Parlament der Wirtschaft kandidiert.

Was muss die Person an der Spitze mitbringen? „Sie muss Gegenwind aushalten können, parteipolitisch unabhängig und gesprächsbereit sein, wenn man nicht einer Meinung ist. Wichtig ist es, das Wohl der Region im Auge zu haben“, sagt er erfahrene Praktiker, der gleichzeitig verspricht, dass er als einfaches Mitglied der Vollversammlung weiter mitmischen und sich auch mit kritischen Bemerkungen nicht zurückhalten werde.

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