Weitere Aktionen in PlanungProtest-Café gegen Leerstandspolitik

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Improvisiertes Frühstück: Im Kurzzeit-“Café Viktoria“ durfte gestern gegen Spende Kaffee getrunken werden. Mit dieser Aktion protestierten mehrere Dutzend Menschen gegen leer stehende Geschäfte in dem Viertel. )

Improvisiertes Frühstück: Im Kurzzeit-“Café Viktoria“ durfte gestern gegen Spende Kaffee getrunken werden. Mit dieser Aktion protestierten mehrere Dutzend Menschen gegen leer stehende Geschäfte in dem Viertel. )

Bonn – Die Filiale der Bäckerei Schell: geschlossen. Der Imbiss Uni-Burger: geschlossen. Das Schuhgeschäft Schuhdorf: geschlossen; am Wochenende werden hier Inventar und Restposten von Stiefeln verkauft. Im Viktoriakarree stehen immer mehr Läden leer; jetzt gleich drei nebeneinander. Es sind Liegenschaften, die von der österreichischen Signa-Holding gekauft wurden, um sie für eine Shopping-Mall nutzen zu können. Dieser Plan aber wurde vom Stadtrat nach einem Bürgerbegehren abgelehnt.

Gestern gab es erneuten Protest gegen die Leerstandspolitik. Mehrere Dutzend zumeist junge Menschen eröffneten in der früheren Bäckerei Schell an der Ecke Rathausgasse/Stockenstraße zum zweiten Mal das „Café Viktoria“.

Café Viktoria eher ein Trödellager

Teppiche lagen auf dem Boden, hingen an den Wänden, ein kleines Buffet für das Protestfrühstück war aufgebaut worden. Auch auf dem Bürgersteig standen Stühle, Tischchen und Polstermöbel. Auf die andere Straßenseite oberhalb der Marktgarageneinfahrt waren drei Sofas hingestellt worden, die schon mal bessere Tage gesehen hatten, davor ebenfalls Tischchen. Das „Café Viktoria“ sah eher aus wie ein nach draußen verlagertes Trödellager.

Alles war improvisiert, ein Elektrokabel für den Kaffeekocher musste aufgetrieben werden, Zucker fehlte. Passanten bedienten sich gegen freiwillige Spenden selbst aus einer großen Thermoskanne und füllten sich das Heißgetränk in große Kaffeepötte, die offenbar aus WG-Küchen geholt worden waren.

Das Café hatte Charme

Aber es hatte Charme. Auf den Sofas ließen sich zwei Männer nieder, die offenbar die Nacht im Freien verbracht hatten, drehten sich Zigaretten; auch das erste Bierchen schmeckte schon zu dieser frühen Morgenstunde. Leute kamen vorbei und fragten, was denn los sei.

„Wir wehren uns dagegen, dass ein Milliardenkonzern hier Hand in Hand mit der Stadtregierung unser Viertel kaputt macht“, sagt Sofie Eisele, eine der Organisatorinnen der Aktion. Fakt ist, dass die „Stadtregierung“ zurzeit eine Bürgerwerkstatt organisiert, in der über die Zukunft des Viktoriakarrees beraten werden soll. Eisele hat da schon Vorstellungen: „Statt unnötigem Leerstand wollen wir unser lebendiges und buntes Viertel selbst organisieren.“ Da den Menschen ihre Cafés weggenommen würden, müsse eben durch ungewöhnliche Aktionen gegen den Ausverkauf des Viertels demonstriert werden, erklärt sie.

Weiter auf Protestmodus

Max Laukamp, der die Aktion unterstützt, hatte am Dienstag Kuchen gebacken und ihn mitgebracht. „Denn wenn uns unsere sozialen Räume genommen werden, müssen wir sie uns wieder aneignen und zur Not auch den Laden selber schmeißen.“

Die Organisatoren kündigten an, weitere Aktionen durchzuführen, sollten sich Stadt und Signa nicht bereiterklären, sozial und selbstverwaltete Räume im Viertel zu ermöglichen.

Nebenan in der Rathausgasse hat die Szenekneipe „Blow up!“, deren Mietvertrag mit Signa längst ausgelaufen ist, weiter auf Protestmodus geschaltet. Gestern Abend legte DJ Micha „The Wednesday Selection“ auf, Musik von „69 bis 96’’, also quasi für alle Jahrgänge.

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