„Oase“-Gründer Rolf Bünger„Ich habe selbst auf der Straße gelebt“

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Symbolbild.

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Köln – „Das Leben auf der Straße ist bitter. Ich habe es selbst erlebt – und will heute Menschen den Weg aus der Obdachlosigkeit aufzeigen.“ Rolf Bünger hat seinen Weg gefunden: Nach langen Jahren auf Kölns Straßen, nach Jahrzehnten an der Flasche hat der eloquente Berliner mit dem großen Herzen eine Wohnung, einen Job und seine Gesundheit wiedergefunden. Seine Lebensgeschichte macht Mut: Bünger hat sich vor 30 Jahren aus Obdachlosigkeit und Alkoholismus herausgekämpft. Heute hilft der 71-Jährige in verschiedenen Organisationen Obdachlosen und in der „Initiative Bauen Wohnen Arbeiten“.

Wie wird man überhaupt obdachlos? Rolf Bünger hatte „zunächst alles, was ich wollte: ein Haus auf Sylt, eine Frau, einen festen Job“. Der Berliner ist in jungen Jahren erfolgreich als Vertreter für Haarpflegemittel tätig. Doch dann verliert er wegen Trunkenheit am Steuer seine Arbeit. Wenig später verlässt ihn seine Frau, dazu kommt eine Sturmflut auf Sylt, die sein Haus und seine Finanzen ruiniert.

Büngers bester Freund ist der Alkohol

Bünger hält sich mit kleinen Jobs über Wasser – sein bester Freund wird jedoch der Alkohol. „Ich hatte keine Ziele mehr. Schließlich fuhr ich nach Köln, da meine Mutter in der Nähe wohnte.“ Dort angekommen, bewirbt er sich bei der Bahn als Schaffner. Zunächst geht alles gut, doch nach wenigen Jahren wird er dort entlassen. Gar nichts treibt ihn mehr an – er fährt nach Köln und landet in der Ausnüchterungszelle.

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„In den Jahren 1978 bis 1986 habe ich dann auf der Straße, in Zügen oder Kirchhöfen geschlafen. Immer den Alkohol dabei – und meinen Kumpel Christian Mathies.“ Mathies, „Engel der Obdachlosen“ genannt, fiel 2011 einer Messerattacke zum Opfer und leidet noch heute unter den Folgen.

Ihm habe er am meisten zu verdanken, sagt Bünger, der schließlich auf eigene Faust eine Entgiftung in einer Waldhütte im Königsforst vornimmt. „Es war die Hölle, jedoch haben mir Nachbarn und Polizei damals geholfen.“

Sozialarbeiter verhilft Rolf Bünger zu einem Job

Schließlich fährt er völlig heruntergekommen zum Hauptbahnhof. Dort trifft er auf Rainer Best vom „Sozialdienst Katholischer Männer“ (SKM). Der Sozialarbeiter kennt Bünger von der Straße und verschafft ihm einen Job: „Den hatte er mir schon früher zugetraut. Da ich jetzt trocken war, konnte ich direkt loslegen.“ Zunächst als Telefonist, später als Streetworker und Begleiter anderer Obdachloser. „Ich hatte viele Klienten, habe sie bei der Arbeitsuche, bei der Haftentlassung und vielem mehr unterstützt. Unendlich dankbar bin ich jedoch dem SKM.“

Später arbeitet Bünger für die Obdachlosen-Selbsthilfegruppe von Pfarrer Karl-Heinz Kreutzmann, und gründet mit Mathies den Verein „Oase“, eine der Hauptanlaufstellen für Obdachlose in Köln. „Endlich konnte ich Geld verdienen und mir eine eigene Wohnung im Agnesviertel leisten.“ Dort wohnt Bünger immer noch. „Ich habe helfen können, weil ich selbst auf der Straße gelebt habe. Das ist ein großes Plus für diese Arbeit.“ Nun ist er Rentner, aber weiter unterwegs und spricht mit den Menschen auf der Straße. Er weiß: „Der direkte Kontakt ist das Wichtigste. Ein Obdachloser hat mir einmal erzählt, für ihn sei es am Schlimmsten, nicht beachtet zu werden.“

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