„Spurensuche“Albrecht Dürer kam nur des Geldes wegen nach Köln

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Kultur-Tour in Köln: Albrecht Dürer, dessen Selbstbildnis zu seinen bekanntesten Gemälden gehört, sah sich hier Stephan Lochners „Dombild“ an. Das Gemälde hing damals in der Kölner Ratskapelle St. Maria in Jerusalem, die bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg auf dem Rathausplatz stand. (Foto: Belibasakis)

Kultur-Tour in Köln: Albrecht Dürer, dessen Selbstbildnis zu seinen bekanntesten Gemälden gehört, sah sich hier Stephan Lochners „Dombild“ an. Das Gemälde hing damals in der Kölner Ratskapelle St. Maria in Jerusalem, die bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg auf dem Rathausplatz stand. (Foto: Belibasakis)

Köln – Trinkgeld zu geben, ist sympathisch, aber nicht unbedingt weltbewegend. Wenn aber bedeutende Männer alltägliche Dinge tun, kommt manchmal trotzdem etwas Besonderes dabei heraus. So auch, als Albrecht Dürer 1520 in seinem Tagebuch verzeichnete, in Köln Trinkgeld gegeben zu haben.

Doch fangen wir am Anfang an: Albrecht Dürer hat Köln viel zu verdanken. Seine Holzschnitte zur Apokalypse des Johannes, mit denen der Künstler 1498 schlagartig eine europäische Berühmtheit wurde, waren inspiriert durch die Holzschnitte einer 1479 in Köln gedruckten Bibel in niederdeutscher Sprache.

Sein berühmtes Rosenkranzfest malte Dürer zwar 1506 in Venedig. Es weist in der Bildkomposition aber viele Ähnlichkeiten mit der Mitteltafel von Stephan Lochners berühmtem Dombild auf. Der Hirschkäfer auf dem rechten Flügel von Lochners Triptychon mag Dürer zu seiner Hirschkäferstudie von 1505 angeregt haben, weshalb viele mutmaßen, dass bereits der junge Dürer um 1490 Köln besucht haben könnte.

Albrecht Dürer kam aus finanziellen Gründen nach Köln

Abgesehen von diesen Indizien, die einen früheren Köln-Besuch als gut möglich erscheinen lassen, ist aber Dürer 1520 auf jeden Fall in Köln gewesen. Gekommen war er aus finanziellen Gründen: Der Maler hatte von Kaiser Maximilian eine Rente zugesichert bekommen. Nun war der alte Kaiser jedoch im Januar 1519 verstorben. Zu seinem Nachfolger war im Juli 1519 dessen Enkel Karl V. gewählt worden. Und wie das immer so ist: Ob Dürer sein eigentlich lebenslang zugesagtes Geld wirklich von Maximilians Erben weiter ausgezahlt bekommen würde, war höchst unsicher. Jedenfalls unsicher genug, dass Dürer sich allen Unannehmlichkeiten und Kosten, die Reisen damals mit sich brachten, zum Trotz aufmachte, um dem neuen Kaiser entgegenzueilen, als dieser von Spanien über England und die Niederlande zur Krönung nach Aachen zog.

Bei Karl V. allerdings stand die Beschäftigung mit der Rente Dürers eher nicht oben auf der Tagesordnung. Nie hatte Karl V. Zeit für Dürer – verständlich bei einem vielbeschäftigten Regenten, in dessen Reich die Sonne nie unterging. Karl mit seinem Gefolge eilte von einem Termin zum anderen – in seinem Schlepptau immer Dürer. So war dieser beispielsweise im Publikum, als Karl am 23. Oktober im Aachener Münster durch den Kölner Erzbischof Hermann von Wied gekrönt wurde. Und weil der erste Weg des Herrschers nach der Krönung immer von Aachen nach Köln führte, musste auch Dürer, der immer noch keine Auskunft erhalten hatte, ob er weiter auf seine Rente rechnen durfte, dem Hof hinterher über Jülich zurück nach Köln reisen, durch das er bereits auf dem Hinweg gekommen war. Hier wartete er als Gast seines Vetters, des Goldschmieds Niklas Unger, mehrere Wochen auf Nachricht von Karl V..

Gürzenich und St. Ursula besucht

Was macht ein Mann wie Dürer in so einem Fall? Als interessierter Mensch sah er sich in der Stadt um. Er war im Gürzenich und hat, so schreibt Dürer in seinem Tagebuch, in diesem „Tanzhaus des Kaiser Carls Fürstentanz und Bankett gesehen am Sonntag zu Nacht nach Aller Heiligen Tag im 1520 Jahr, das war köstlich zugericht.“ Er notiert, er habe die Kirche St. Ursula besucht und habe deren Grab sowie „der heilig Jungfrauen und der andern groß Heiligtum gesehen“. Außerdem zeichnete er ein „Mädchen in kölnischer Tracht“ nebst seiner mitgereisten Frau Agnes.

Als gewissenhafter Geschäftsmann führte Dürer dabei über seine Ausgaben penibel Buch: Er schrieb auf, wem er wie viel Geld bezahlte, wem er welche Gastgeschenke machte und wo er was kaufte. Auf all dies, ja selbst auf die Information, dass Dürer in Köln Schriften von und gegen Martin Luther gekauft hat, hätte die Stadt Köln wohl durchaus verzichten können. Nicht aber, dass Dürer in sein Tagebuch notierte, er habe Trinkgeld gegeben, um eine „Tafel aufzusperren, die Meister Steffan zu Cöln gemacht hat“. Wir wissen eigentlich nicht, um welches Gemälde es sich handelte, wo es stand und was auf ihm abgebildet war. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts aber wird es identifiziert als das heute als „Dombild“ bekannte Werk, das zu Dürers Zeiten als Altar der Stadtpatrone in der Kölner Ratskapelle St. Maria in Jerusalem zu sehen war.

Mit dieser Dürer-Notiz in der Hand machten sich die Kunsthistoriker auf die Suche und fanden in den Archiven in der Tat einen Maler namens Stephan Lochner, der ab dem Jahr 1442 als Hausbesitzer, Bürger und Ratsherr in Köln nachweisbar ist und 1451 wohl an der Pest verstarb. Wohlgemerkt fand sich kein Dokument, in dem irgendein heute überliefertes Werk eindeutig Stephan Lochner zugewiesen wurde. Entsprechend gibt es bis heute kritische Stimmen, die meinen, diese eine Tagebuchnotiz Dürers über ein nicht näher erläutertes Bild an unbekanntem Ort in Köln sei doch eine etwas dürftige Verbindung zwischen dem Namen Stephan Lochner und dem ihm zugesprochenen Werk. Dem ungeachtet blieb der Name Stephan Lochner in aller Munde. Sein Werk wurde sogar noch vergrößert, indem man das Dombild mit anderen Werken, etwa der „Madonna in der Rosenlaube“, verglich und Lochner zusprach. Man darf spekulieren, ob das Werk auch so bekannt und in der breiten Bevölkerung so beliebt wäre, wenn es einem namenlosen „Meister des Altars der Stadtpatrone“ zugeschrieben wäre. So hat Köln dank Albrecht Dürer einen namhaften Maler mit weltweitem Ruhm mehr.

Ach ja, und in Köln erhielt Dürer dann auch letztlich am 12. November 1520 die amtliche Zusage, dass er vom Kaiser weiterhin seine Rente bekäme, „am Montag nach Martinj, im 1520 Jahr, mit großer Mühe und Arbeit“, wie Dürer in seinem Tagebuch notiert.

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