30 Jahre ZooKölner Tierarzt erzählt kurz vor dem Ruhestand aus dem Alltag

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Köln – Narkose-Gewehr, Spritzen, einfangen: „Die meisten Tiere haben Angst vor mir“, sagt Dr. Olaf Behlert und lächelt verständnisvoll. „Das ist der Mann, der irgendwas Unangenehmes vorhat. Dass ich das zum Wohl der Tiere tue, glaubt mir von denen ja keiner“, fügt der Zoo-Tierarzt schmunzelnd hinzu.

Tausende Zwei- und Vierbeiner, von der Ente mit gebrochenem Flügel bis zur Giraffe mit Husten, hat der Veterinär in 30 Jahren verarztet, manchen Vierbeinern auf die Welt geholfen. „Die Vielfalt der Arten und damit verbundenen Herausforderungen als Tiermediziner, dazu die Verbindungen zur weiten Welt“, das alles begeistere ihn bis zum heutigen Tage, gesteht der 65-Jährige kurz vor seinem Eintritt in den Ruhestand Ende Oktober.

Mit besonderer Zufriedenheit erfülle ihn, so Behlert, dass das von ihm entwickelte Haltungskonzept für den Elefanten-Park ein solcher Erfolg geworden ist.

Der schlimmste Transport

Jüngster Spross der Herde ist La Min Kyaw, gerade vier Monate alt und berüchtigt für ihr Temperament. Deren Mutter Shu Thu Zar hatte Behlert persönlich aus dem Zoo in Rangun abgeholt – es wurde der aufregendste Tiertransport, den der erfahrene Mediziner erlebte. Shu sollte mit einer weiteren Elefantenkuh von Myanmar aus in einer russischen Militärmaschine nach Köln gebracht werden. Vor der Zwischenlandung in Baku geriet Shu plötzlich in Panik. „Sie fing an, die Gitterstäbe zu demolieren“, so Behlert.

„Wir hatten Angst, dass sie aus dem Käfig rauskommt, dann hätte sie in der Maschine randaliert, die Hydraulikleitungen abgerissen, und das Flugzeug wäre wahrscheinlich abgestürzt. Also hab' ich ihr eine Beruhigungsspritze geschossen.“ Woraufhin die Elefantendame zu allem Übel gleich kollabierte. „Wir haben es aber geschafft, sie zu reanimieren“, erzählt der Tierarzt. Mittlerweile hat Shu sogar schon zwei Jungtiere zur Welt gebracht.

Geburtshilfe war bei den Wildtieren aber in all den Jahren nur höchstens 40 Mal nötig, schätzt Behlert. „Zweimal musste ich Giraffen 'rausziehen, weil Kopf oder Fuß nicht mitkamen.“ Auch bei Antilopen und Alpakas komme es öfter vor, dass sie sich im Mutterleib „verkeilen“. Schwerpunkt der Arbeit sei vielmehr das Gesundheits-Management der Zoo-Bewohner: TBC- und Parasitenkontrollen, Impfungen, Fuß- und Hufpflege, Sterilisationen. Im Gegensatz zu Haus- und Nutztieren mit ihren Wohlstands- und Verschleißleiden seien die Zootiere seltener krank. Bei der Früherkennung spielten die Pfleger eine Schlüsselrolle.

„Sie rufen sofort an, wenn ein Tier nicht so ist wie sonst, weniger frisst oder daher schleicht.“ Meistens gehe es um Durchfälle, Infektionen und Verletzungen nach Rangordnungskämpfen, zum Glück nur selten um Pocken wie bei den Elefanten oder andere Seuchen.

Die schnellste Operation

Nur „bis Schaf-Größe“ behandelt Behlert die Patienten in der Zoo-Praxis, die mit OP-Tischen und Röntgen ausgestattet ist, etwa um Brüche oder TBC festzustellen. Die Löwin mit vereiterter Gebärmutter zum Beispiel habe er auf dem Küchentisch im Raubtierhaus operiert. „Das war die schnellste Operation meines Lebens.“

Das große Problem: „Die Löwin schlief nicht richtig. Alles musste ruckzuck gehen. Bauch auf, Gebärmutter raus, Bauch zu.“ Acht Liter Eiter seien abgeflossen. „Für den Notfall“ hielt ein Pfleger dem Tier einen Revolver an den Kopf. „Die Löwin ist aber nicht aufgewacht und hat noch etwa zehn Jahre gelebt.“

Der stressigste Tag

An seinem wirklich stressigsten Arbeitstag, erinnert sich Behlert heute amüsiert, habe er mit einem Pfleger sogar sein Nachtlager im alten Elefantenhaus aufgeschlagen, mit Narkose-Gerät und scharfer Waffe griffbereit. Ins Elefantenhaus war Nashorn Tisa neu eingezogen und in heller Aufregung angesichts der ungewohnten Nachbarschaft mit den Dickhäutern. Das Nashorn geriet so außer sich, dass es fast die Gitterstäbe aushebelte und Fluchtgefahr drohte.

Da wurde Behlert auch noch zu den Okapis gerufen. Eine der Waldgiraffen war durch ein Fenster gesprungen und hatte sich 24 Schnittwunden zugezogen. „Am ganzen Körper steckten die Glasstückchen.“ Blutend und zitternd stand Kisanga im Gehege.

Behlert sedierte das Huftier, ein Pfleger hielt es fest. 23 Glasstücke hatte der Arzt schon rausgezogen, die Wunden gespült und vernäht, als er zuletzt noch die Hinterseite des Vorderfußes behandeln wollte. Unerwartet trat Kisanga trotz Beruhigungsmittel aus und traf seine Wohltäter voll ins Gesicht. „Da waren auch wir ziemlich sediert.“ Der Tierarzt trug ein gebrochenes Nasenbein davon, dem Pfleger fehlten zwei Schneidezähne. „Wir haben uns blutend aufgerappelt und noch die letzte Wunde vernäht. Dann bin ich zurück ins Elefantenhaus.“ Die Elefanten kamen für die Nacht auf die Außenanlage, woraufhin sich das Nashorn endlich beruhigte. Und die Gitter wurden vorsichtshalber verstärkt.

Der schwerste Abschied

Natürlich gibt es nicht immer ein solches Happy-End. Wenn „alte Kumpels“ wie Gorilla „Kim“ oder Orang Utan „Borni“ das Zeitliche segnen, sei das „so traurig, als wenn man seinen Hund verliert.“

Was die Zukunft der Zoos betrifft, sieht der Experte mit Sorge, dass sie sich, auch in Köln, zunehmend zu „Event-Parks mit Tieren“ zurückentwickelten, mit immer mehr Verkauf, Veranstaltungen und Tierhaltung nach Besucher-Bedürfnissen. Er selbst nehme trotz allem durchaus mit einem weinenden Auge Abschied, sagt Behlert. „Ich wollte im Rahmen der Flexi-Rente noch drei Jahre arbeiten, aber das wollte der Zoo nicht. Also werde ich mich auf meine Praxis an der Boltensternstraße für Kleintiere und Exoten konzentrieren und private Wildparks betreuen.“

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