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Das pralle Leben auf dem HeumarktVom Marktplatz zur Feiermeile in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Köln, wie es war: August Sander dokumentierte nach dem Krieg Straßen und Plätze, darunter auch den Heumarkt mit Straßenbahnverkehr.

Köln, wie es war: August Sander dokumentierte nach dem Krieg Straßen und Plätze, darunter auch den Heumarkt mit Straßenbahnverkehr.

Köln – Mehr als einmal hat der Heumarkt im Lauf der Jahrhunderte sein Gesicht verändert.

Eine Beziehung hat jeder Kölner zu diesem Platz: Sei es ein abgebrochener Schuhabsatz im mitunter holprigen Pflaster, sei es die Wartezeit im Stau vor der Deutzer Brücke, oder eben eine Beziehung, die im Fastelovendsgetümmel rund um den Heumarkt ihren Ursprung nahm.

Manche sagen gar, an den Konfettischichten und Kronkorken, die sich zwischen den Steinen des Heumarktes angesammelt haben, werden künftige Generationen viel über unsere Lebensform erfahren können. Im Mittelalter war der Heumarkt ein großer Handelsplatz in Europa, im Krieg lag er in Trümmern. Laut und kölsch ging es in all den Jahren immer zu.

Ein römisches Eiland

Vor gut 2000 Jahren lag eine beschauliche Insel am Rhein. Kühe weideten auf den Wiesen, Apfelbäume warfen zuverlässigen Ertrag ab, statt großer Handelsschiffe verkehren einige Holzkähne. Die Römer wählten für die erste Siedlung ein hochwassersicheres Plateau am Rhein, welches sich gut verteidigen ließ. Außerdem besaß es die Aussicht auf einen natürlichen, durch eine Rheininsel geschützten Hafen.

Also wurden Bäume und Sträucher gerodet und Kanäle in den sandig-lehmige Untergrund gelegt. Das Flussufer wurde mit Holzeinbauten gesichert. Damit war der erste Umschlagplatz am Wasser für Güter aller Art errichtet. Die Bewohner des „Oppidum Ubiorum“, der von den Römern angelegten Siedlung, profitierten von Baustoffen und Waren, die über Kölns erstes Güterterminal verschifft wurden. Ende der 90er Jahre fanden sich bei Ausgrabungen vor der Neugestaltung des Platzes Tierknochen, Keramik und Holzstücke – offenbar war das Rinnsaal zwischen Eiland und Siedlung auch Müllkippe gewesen.

Begründung des Platzes

Die Franken machten sich ab dem 5. Jahrhundert die römische Infrastruktur zunutze. Es war die frühe Blütezeit der Marktleute und Handwerker. Kostbare Gläser, Perlen und Amulettanhänger wurden gefertigt und wollten unters Volk gebracht werden. Kleinvieh machte auch Mist, im Rhein wurde gefischt, der Strom selbst war längst wirtschaftliche Hauptschlagader des Rheinlandes.

Die Handwerkersiedlung am Rhein platzte im Lauf der Jahre aus allen Nähten. Erzbischof Bruno kam die Begründung des heutigen Heumarktes zu. Auf einer Fläche von rund 20 000 Qudratmetern ließ er um 950 den „neuen Markt“ abstecken. Die Häuser an dem 300 Mal 70 Meter langen Areal wurden kurzerhand abgerissen, die Fläche planiert und mit Kies aufgeschottert. Der „Mercatus Coloniae“ florierte. In den nächsten Jahrzehnten wurde das Bodenniveau aufgeschüttet und daneben aufwendige Entwässerungssysteme, eingefriedete Parzellen und Holzbrücken gebaut.

Handelsknoten am Rhein

Die Stadt wuchs im Mittelalter immer mehr, aber der Marktplatz blieb erhalten. Dank der Rheinnähe entwickelte sich Köln mit seinem Hafen zum internationalen Handelszentrum. Die Händler boten ihre Waren feil, Kaufleute handelten mit Wein aus südlichen Gefilden, Fisch aus dem Norden, Textilien, sowie Vieh und Heu – daher der heutige Name des Platzes. Die der Hanse angeschlossenen Städte kamen nach Köln, um die Preise zu verhandeln. „Der Heumarkt war sozusagen Handelshafen und Wall Street des europäischen Mittelalters“, schreiben Mario Kramp, Direktor des Stadtmuseums, und Marcus Trier, Chef des RGM, in ihrem einleitenden Beitrag zum Begleitband der Ausstellung.

Preußische Blüte

Die Bürgerleute verdienten viel Geld, und die Bevölkerungsdichte der Stadt wuchs und wuchs. Der Heumarkt wurde immer mehr zum Zentrum des kaiserlichen Kölns. Das prägende Reiterstandbild des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. fand 1878 Platz auf dem Heumarkt. Auf der Südseite mussten gut 20 Jahre später 70 Häuser weichen, damit eine zentrale Markthalle entstehen konnte. Auf dem Grundriss dieser Halle steht heute das Maritim-Hotel.

Der Rhein markierte da längst nicht mehr die Grenze der Stadt, der Brückenschlag nach Osten war für den Handel dringend notwendig. Der römischen Konstantinbrücke von 310 (die im gleichen Jahrhundert zerstört wurde) war 1822 lediglich eine Pontonlösung gefolgt, die aber den Schiffsverkehr behinderte. Ab 1913 ließ die Stadt eine Hängebrücke errichten, im zweiten Weltkrieg wurde sie zerstört. Abgezeichnet hat sich mit dem Brückenbau eine Verkehrsführung, die den Platz bis heute teilt. Die Deutzer Brücke, nach dem Krieg fertig gestellt, setzt nur fort, was schon in frühen Jahren angelegt war.

Aufmarschplatz, Feierfeld

Der Heumarkt war im Laufe der letzten gut 80 Jahre vieles: Aufmarschplatz der Nazis, Trümmerfeld, Versammlungsort für Demonstrationen aller Art. Nach dem Krieg blühte das Leben auch in den Kneipen und Restaurants rund um den Heumarkt wieder auf. Die Autos parkten irgendwann nicht mehr auf, sondern unter dem Platz, und oben tun die Kölner das, was sie am besten können: Sie feiern sich das Leben schön. Der Elfte im Elften gehört dazu, der Rosenmontagszug oder der Christopher-Street-Day, an dem Toleranz demonstriert wird. Eins ist seit vielen Jahren geblieben: der Treffpunkt „ungerm Stätz vum Pääd“.

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