EbertplatzEin Angstraum mitten in Köln – Bauvarianten bis 2017

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Die Passagen und Unterführungen am Ebertplatz werden vielfach als Angstraum wahrgenommen.

Die Passagen und Unterführungen am Ebertplatz werden vielfach als Angstraum wahrgenommen.

Köln – Die Würstchen brauchen noch etwas, aber der Grill gibt bereits alles. In einem der grasigen Hochbeete auf dem Ebertplatz hocken drei Männer und drei Frauen auf einer Decke. Es gibt Schnitzel mit Senf und „Turmbräu“ aus Dosen. Für ihr Picknick gäbe es ansehnlichere Orte, da sind sie sich einig. „Aber hier ist es lustig, hier laufen so viele kaputte Typen rum“, sagt ein Mann in Jeansjacke und vertreibt seinen Hund vom Fleisch.

Typen, wie er sie meinen könnte, stoßen an einer Bank einige Meter weiter mit Bierflaschen an. „Alles Junkies“, weiß der Griller mit der Jeansjacke. Er kennt sich aus. Beinah täglich seien er und seine Freunde da. „Hier gibt’s fast jeden Tag Schlägereien“, erzählt er, „das ist Stadtkino“. Die Kulisse ist angemessen schäbig. In den Unterführungen stinkt es beißend nach Urin, die Rolltreppen sind seit Jahren defekt, Graffiti bedeckt die Wände, und ein roter Zettel warnt vor Rattengift.

Wenn es darum geht, die Architektur der 70er Jahre zu bewerten, hält sich Baudezernent Franz-Josef Höing bewusst zurück. Ja, es bestehe „Handlungsbedarf, und ja, vieles „funktioniert nicht“ am Ebertplatz, sagt er. Der Platz sei „Ausdruck der damaligen Zeit“, früher sei der Verkehr zelebriert worden. Für das kommende Jahr wünscht er sich den Beginn der öffentlichen Debatte um die Neugestaltung des Platzes. Hierfür will er Gelder von Land und Bund beantragen. „Es wäre illusorisch, dies mit Bordmitteln zu bestreiten“, sagt er.

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Aus „Platz der Republik“ wurde „Adolf-Hitler-Platz“

Alte Fotografien beweisen, dass die Fläche zwischen Eigelstein und Agnesviertel einst durch eine postkartentaugliche Architektur bestach. „Platz der Republik“ hieß der Abschnitt um 1900, die NSDAP machte ihn 1934 zum „Adolf-Hitler-Platz“, eine höhere Weihe hätte es zu jener Zeit kaum geben können. Zwei Fontänen schossen Wasser in den Himmel, prachtvolle Beete sorgten für Schlosspark-Charakter. In den 1970er Jahren dann der Umbau, Nord-Süd-Fahrt, U-Bahn, Betonwüste. Den Anforderungen moderner Architektur entspricht das längst nicht mehr.

Früher war alles besser – diese resignativ-schwelgerische Formel ist Andreas Hupke zu simpel. „Die Vernachlässigung des Platzes ist eine größere Sünde als die Architektur“, urteilt der Bezirksbürgermeister der Innenstadt. Ein „Amphie-Theater“ könnte er sich hier vorstellen, dazu ein vernünftiges Beleuchtungskonzept.

Ein Mahnmal des Unfertigen

„Der Platz hätte Aufenthaltsqualität und könnte sogar Menschen aus dem Belgischen Viertel anlocken“, meint Hupke. So wie kurz nach dem Umbau, als Kleinkinder an der Brunnenanlage planschten, die der Künstler Wolfgang Göddertz einst entworfen hatte. Doch schon nach wenigen Monaten versagten die Pumpen wegen einer Fehlbedienung den Dienst. Seitdem wirken die nagelförmigen Elemente wie ein Mahnmal des Unfertigen.

Wer will, kann den Platz durch dunkle Unterführungen erreichen, ohne an einer Ampel warten zu müssen. Aber kaum jemand will das. „Ich gehe lieber einen Umweg , da fühle ich mich sicherer“, sagt eine Dame (71), die seit 45 Jahren im Kunibertsviertel lebt. „So schlimm war es hier noch nie, hier hält sich viel Gesindel auf“, klagt sie.

Welche Drogen es hier gibt? Alle.

Da ist nicht nur die verkohlte Rolltreppe, deren Handlauf vor einigen Wochen angezündet worden war. Eine Fahrradleiche wartet auf die letzte Reise. In den dunklen Gängen, der so genannten B-Ebene, stehen junge Männer und warten auf Kundschaft. Es sind Drogenhändler, viele von ihnen haben ihre Geschäfte bis vor wenigen Monaten zwischen Domplatte und Hohenzollernbrücke abgewickelt, doch die intensiven Polizeikontrollen haben sie verdrängt. Welche Drogen es hier gibt? „Alle“, sagt der Mann mit der Jeansjacke, der sein Schnitzel inzwischen aufgegessen hat.

Als ein Polizeiwagen auf die Platzfläche biegt, verschwinden die Drogendealer im Untergrund. Ein Vorgang, der sich mehrmals täglich wiederholt. Die Kriminalität auf dem Ebertplatz sei leicht zurückgegangen, heißt es im Präsidium, statistisch zugenommen hätten nur die Drogendelikte. Das führt die Polizei auf die verstärkten Kontrollen zurück.

Reparatur-Anleitung gibt es seit 2008

Mit dem Masterplan für die Innenstadt hat Professor Albert Speer der Stadt bereits 2008 eine umfassende Reparatur-Anleitung an die Hand gegeben. Der Ebertplatz wird darin als „Angstraum“ bezeichnet – geändert hat sich an der Wahrnehmung seitdem nichts. Schon 2013 sollte der Umbau beginnen – zuletzt wurde jedoch das Ergebnis einer Studie zum Bau einer Quartiersgarage unter dem Ebertplatz abgewartet.

Mehrere Architekturbüros haben kürzlich in Eigenregie Entwürfe für den Ebertplatz vorgelegt. „Es ist schön, dass sich die Menschen mit der Stadt auseinandersetzen“, sagt Baudezernent Höing. Vielleicht ist es auch ein Zeichen für die Dringlichkeit, mit der die Menschen einen schönen Ebertplatz herbeisehnen.

Initiative „Gold und Beton“ für Kulturpreis nominiert

Für Meryem Erkus, Künstlerin, ist der Platz „einer der urbansten Orte der Stadt“. Sie gehört der Initiative „Gold und Beton“ an, die in den Passagen des Platzes Projekträume für Ausstellungen eingerichtet hat. „Ich mag den Brutalismus dieses Ortes, das ist durchaus interessant und inspirativ“, sagt Erkus.

Für die Künstler und Initiativen, die den Passagen durch experimentelle Konzerte und Vorführungen ein wenig Leben einhauchen, ist es mehr als nur eine kleine Anerkennung, nun vom Kulturrat der Stadt für den Kölner Kulturpreis nominiert worden zu sein.

Fremdenfeindliche Parolen

Einerseits schätzt Meryem Erkus die „Ecken und Kanten“ des Ebertplatzes. Doch erst vor wenigen Tagen haben Unbekannte zwei Schaukästen der Künstler in der U-Bahn-Passage zerschlagen und einen Beamer geklaut. Obdachlose hätten unlängst alle Lampen in den Katakomben demoliert, neuerdings soll zudem eine größere Gruppe junger Männer durch fremdenfeindliche Parolen auffallen.

Der Platz werde „unter Wert verkauft“ sagt Andreas Hupke, der Bezirksbürgermeister. Bis zu einem Umbau, dem großen Wurf, könnten noch Jahre vergehen, fürchtet er. „Putzen und nutzen“, lautet sein Credo. Er plädiert für Schönheitskorrekturen im laufenden Betrieb. Allein schon, damit die Zahl der Beschwerden nachlässt.

Die Planungen

Im Masterplan für die Innenstadt spielt der Ebertplatz eine zentrale Rolle. Vorgesehen ist die Anhebung der Platzfläche, die Unterführungen und Passagen, in denen sich Kunsträume und ein Restaurant befinden, würden verschwinden. Die exakte Gestaltung soll auf Wunsch des Baudezernenten im kommenden Jahr öffentlich diskutiert werden.

Zunächst muss der Stadtrat entscheiden, ob der Ebertplatz eine Tiefgarage erhalten soll. Dies ist vor allem eine Kostenfrage, denn laut Studie sollen 222 Stellplätze etwa 16 Millionen Euro kosten – dies ist die große Lösung. Für 141 Fahrzeuge müssten etwa zehn Millionen Euro ausgegeben werden. 55 und 74 Stellplätze wären für drei bis vier Millionen Euro zu haben. Der SPD ist dies zu teuer, sie will nach anderen Lösungen suchen. Die FDP will an der Parkhaus-Idee festhalten.

Der Bund hat im Haushalt Geld für „Nationale Projekte des Städtebaus“ vorgesehen. Voriges Jahr erhielt Köln die Zusage, dass die Projekte „Via Culturalis“ und „Lebenswertes Chorweiler“ mit je fünf Millionen Euro gefördert werden. Weil der Bund jedes Jahr neue Förder-Schwerpunkte setzt, hofft die Stadtverwaltung, auch Geld für die Umgestaltung des Ebertplatzes zu erhalten. 

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