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GewerkschaftenWitich Roßmann spricht über die Lage der Stadt

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Zu Gast im Rundschau-Haus: Dr. Witich Roßmann, langjähriger IG-Metall-Chef in Köln, ist seit 1. Oktober Vorsitzender des Stadtverbands Köln des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

Zu Gast im Rundschau-Haus: Dr. Witich Roßmann, langjähriger IG-Metall-Chef in Köln, ist seit 1. Oktober Vorsitzender des Stadtverbands Köln des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

Köln – Seit 1. Oktober ist  Dr. Witich Roßmann (66)  neuer  ehrenamtlicher Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Köln. Beim Besuch in der Rundschau-Redaktion sprach er über seine Pläne.

Statt die Rente zu genießen, starten Sie noch mal durch. Warum?

Es gab die Bitte aus den Gewerkschaften, dass ich dieses Amt übernehme. Da ich ohnehin bereit war, mich ehrenamtlich zu engagieren, hat das gut gepasst. Beim DGB habe ich ein sehr gutes Team, das mir hilft. Und hier kann ich etwas tun, das mir im Gewerkschaftsalltag bei der IG Metall so nicht möglich war: Mich mit den großen Entwicklungen und Zukunftsthemen befassen und politische Zielsetzungen entwickeln. Ich möchte auch den Austausch zwischen den Gewerkschaften fördern, das kommt bislang oft zu kurz.

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Welche Schwerpunkte wollen Sie bei Ihrer Arbeit setzen?

Die wichtigsten Themen sind für mich Zukunft der Arbeit, faire Verteilung, bezahlbarer Wohnraum und Mobilität.

Fangen wir mit Mobilität an: Der Runde Tisch zur Luftreinhaltung erarbeitet Maßnahmen, damit Fahrverbote für Diesel in Köln verhindert werden . . .

.. und der DGB war anfangs nicht mal zu diesem Gremium eingeladen. Begründung: Es gehe ja nicht um arbeits- oder tarifrechtliche Fragen. Aber wenn man in Köln über die Stickoxidbelastung diskutiert, darf man nicht vergessen, dass rund 6000 Arbeitsplätze in der Region direkt vom Verbrennungsmotor abhängen, Zulieferer nicht mitgerechnet.

Von Fahrverboten wären auch viele Berufspendler betroffen.

Dieses Problem kann man nicht lösen, indem man sagt, die Leute sollen dahin ziehen, wo sie arbeiten. Das funktioniert schon deshalb nicht, weil Partner oft an verschiedenen Orten arbeiten. Den Arbeitnehmern wird heute enorme Flexibilität abverlangt. Viele werden auch in Zukunft weite Anfahrtswege haben.

Bei Großbaustellen wie der Bühnensanierung läuft einiges schief in Köln. Woran liegt das?

Zur Person

Dr. Witich Roßmann wurde 1951 in Wolfsburg geboren. Schon als Schüler und während des Studiums in Marburg organisierte er Streiks. 17 Jahre lang stand der promovierte Politikwissenschaftler als Erster Bevollmächtigter an der Spitze der IG Metall Köln-Leverkusen. Im Kampf für Arbeitnehmerrechte und den Erhalt des Industriestandorts setzte er bevorzugt auf betriebliche und tarifliche Lösungen. (fu)

Köln hatte mal eines der besten Hoch- und Tiefbau-Ämter Deutschlands. Die Rheinbrücken waren bei der Eröffnung Spitzen-Bauwerke von internationalem Rang. Dann wurde in der Stadtverwaltung massiv Personal abgebaut, Kompetenz ging verloren. Heute stellen wir fest, dass die Privatisierung öffentlicher Aufgaben keine Vorteile gebracht hat. Die Stadtverwaltung sollte aus meiner Sicht wieder mehr die Kompetenzen in den eigenen Reihen stärken.

Wie steht es um die Wirtschaftspolitik der Stadt?

Dass wir seit vielen Monaten keinen Wirtschaftsdezernenten mehr in Köln haben, ist sehr bedauerlich. In der Wirtschaftsförderung wird zurzeit mehr über Umorganisation gesprochen. Ansiedlung von E-Mobilität, Speichertechnologie – von den Ratsparteien gefordert – bleibt auf der Strecke. Und Standortentscheidungen fallen gegen Köln. Zum Glück engagieren sich Unternehmen wie Ford und Deutz inzwischen stärker in diesen Feldern.

Die Digitalisierung bedroht Jobs. Wie bewerten Sie das?

Das ist wieder so ein Hype, da werden Ängste geschürt. Die gab es auch vor 40 Jahren, als der Elektronenrechner Einzug hielt. Zukunftsangst lähmt, Gestaltung durch betriebliche Weiterbildung und qualifizierte Umschulung hilft. Uns muss nur klar sein, dass sich Arbeit permanent ändert. Gestaltung braucht qualifizierte Betriebsräte mit effektiven Mitbestimmungsrechten, damit Digitalisierung auch den Beschäftigten zu Gute kommt.

Wie zukunftssicher ist die Kölner Industrie?

Viele Unternehmen sind sehr gut aufgestellt. Die Fiesta-Produktion ist die modernste Autofabrik der Welt, voll digitalisiert. Wichtig ist, dass Köln bei Zukunftsthemen wie der Elektromobilität dranbleibt.

Wie wollen Sie für bezahlbaren Wohnraum kämpfen?

Wir bereiten dazu gerade eine Aktion vor. Auch hier gilt: Man kann nicht Personal in der Bauverwaltung einsparen und erwarten, dass Baugenehmigungen schneller erteilt werden. Geförderter Wohnungsbau kann Mietsteigerungen bremsen.

Was sagen Sie zu den jüngsten Gerichtsurteilen, die der Sonntagsöffnung enge Grenzen setzen?

Wir begrüßen das. Die Intensität der Arbeitswelt hat in allen Bereichen zugenommen. Der einzelne Mensch wie die Gesellschaft brauchen Ruhepunkte, Ent-Spannungszeiten. Urlaube, aber auch freie Wochenenden.

Was lässt sich gegen das Erstarken der Rechten tun?

Wir müssen die Probleme lösen, die zur Spaltung der Gesellschaft führen: Das sind klassische Gewerkschaftsthemen: Arbeit, Verteilung, Bildung, soziale Sicherheit.

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