Gold-Kraemer-Stiftung2. Blindentennis-Workshop mit speziellen Regeln

Lesezeit 3 Minuten

Weiden – Tennis ist ein beliebter Breitensport, der ein gutes Auge und Reaktionsschnelligkeit erfordert. Auf den ersten Blick also kein idealer Sport für Blinde und Sehbehinderte. Doch die Gold-Kraemer-Stiftung trat beim 2. Blindentennis-Workshop im Rahmen ihrer Sportinitiative „Tennis für Alle“ erneut den Gegenbeweis an. In der OTS Tennishalle TC Weiden trafen sich Spieler, Trainer und Interessierte von Behindertensportvereinen, Förderschulen und Sportuniversitäten zu Training, sportlichem Wettstreit und Erfahrungsaustausch.

Geschichte des Blindentennis

Blindentennis wurde 1984 in Japan vom blinden Studenten Miyoshi Takei erfunden. Dort betreiben mittlerweile mehrere Hundert blinde und partiell sehende Sportler diese Sportart.

Aufgrund der wachsenden Popularität gründete sich 2014 die „International Blind Tennis Association“, in der unter anderem Spanien und Argentinien Mitglieder sind. In Ländern wie England spielen seit 2007 über 500 Blinde und Sehbehinderte und der Britische Tennisverband ist dort zum größten Förderer geworden.

Laut Weltgesundheitsorganisation leben in Deutschland über 1,1 Millionen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung oder einer Sehleistung von unter fünf Prozent. Viele können mit Assistenz und gezieltem Mobilitätstraining ihren Alltag selbstständig gestalten. Im Sport- und Freizeitbereich ist die soziale Integration von großer Bedeutung. Dazu kann die noch junge Sportart Blindentennis einen Beitrag leisten. (akr)

Der Ball besteht beim Blindentennis aus einem weichen Kunststoff, in dem sich ein Tischtennisball gefüllt mit Metallstiften befindet. Wenn der geschlagen wird oder aufschlägt, gibt er rasselnde Geräusche von sich, an denen sich Blinde und Sehbehinderte orientieren können.

Kommunikation ist das A und O

Zweite Orientierungshilfe, so erklärt Niklas Höfken, Projektleiter „Tennis für Alle“, sind Klettbänder, die auf die regulären Linien des Spielfelds geklebt werden und von den Sportlern mit etwas Übung erfühlt werden können. Mit einem kleinen Tennisplatz-Modell, an dem die Spieler vor dem Spiel die Struktur erfassen können, veranschaulicht er das Feld.

Für Blindentennis gelten etwas andere Regeln. So darf der Ball bei einem Spiel zwischen blinden Sportlern bis zu dreimal auf dem Boden aufschlagen, bei Sehbehinderten zweimal. So kann dessen Bahn „er-hört“ werden. Zusätzlich hilft der Trainer mit genauen verbalen Angaben, etwa wie knapp der Ball verfehlt wurde. Kommunikation ist das A und O.

Bastian Kaller aus Löhne in Ostwestfalen hat als Kind lange Jahre Tennis gespielt. Vor drei Jahren ist der heute 33-Jährige erblindet. Als er von einem Blindentennis-Workshop in seiner Heimatstadt erfuhr, stand für ihn fest: „Ich fange wieder mit dem Spielen an.“ Schon beim ersten Training habe er auf Anhieb den Ball getroffen, erzählt er: „Das hätte ich nie gedacht.“ Seitdem trainiert er regelmäßig und schließt auch eine Teilnahme an Wettbewerben nicht aus.

Die hat Charlotte Schwagmeier schon erfolgreich absolviert. Die 17-jährige Abiturientin, ebenfalls aus Löhne, stand im Mai im Endspiel des ersten internationalen Blindentennisturniers im spanischen Alfaz del Pi – und siegte in ihrer Kategorie. Von Geburt an besitzt sie nur fünf bis zehn Prozent Sehkraft, dennoch führt sie ein ganz normales Leben in der Schule und im Sport. „Ich habe halt eine Behinderung“, stellt sie sachlich fest. Sie begann schon mit vier Jahren mit dem Tennisspielen, ist mittlerweile selber Trainerin. Damals fand sie in Marc-René Walter einen Trainer, der an sie glaubte und der sie bis heute begleitet. „Wir haben viele Sachen ausprobiert, mit Farben experimentiert, um zu sehen, was am besten funktioniert“, erinnert sich die Schülerin, die noch Umrisse von Körpern erkennen kann.

Nach der Premiere des Workshops 2016 wurden fünf Trainingsstandorte in Deutschland eröffnet, und zwar in Köln, Rostock, Frankfurt, Berlin und Löhne. Mitveranstalter war von Anfang an der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV). Nun sollen die Workshops zu einer regelmäßigen Veranstaltung werden.

Rundschau abonnieren