Hochhäuser in KölnTrend geht zu Wohntürmen in Großstädten

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67 Meter und 108 Wohnungen vereint der „Opal“ in Mülheim.

67 Meter und 108 Wohnungen vereint der „Opal“ in Mülheim.

Köln – Baudezernent Franz-Josef Höing warnt davor, die Wohnungsnot in Köln über eine Vielzahl von Hochhäusern in den Griff zu bekommen. „Hochhäuser sind kein Allheilmittel“, sagt Höing, der im November als Oberbaudirektor nach Hamburg wechselt (die Rundschau berichtete). „Ich möchte nur ungern eine offensivere Hochhauspolitik für Köln vorschlagen“, sagt Höing.

Es ist ein heikles Thema, gerade weil Hochhäuser mit hunderten Wohnungen in Deutschland häufig einen schlechten Ruf haben, oft nutzen sie sozial schwächere Menschen, von Ghettoisierung ist die Rede. Doch laut des Immobilienspezialisten Bulwiengesa ändert sich das: „Es gibt definitiv wieder einen Trend zum Wohnhochhaus in Großstädten“, sagt Sven Carstensen von Bulwiengesa. Von 2012 bis 2022 entstehen in sieben deutschen Großstädten 97 Exemplare.

Wohntürme neben dem Colonius ab 2018

Spitzenreiter ist Berlin mit 27 Türmen, Frankfurt folgt mit 24, dahinter liegen München (17), Düsseldorf (12) und Hamburg (11). Köln ist Vorletzter, baut vier. Eines dieser Projekte wächst ab 2018 neben dem Colonius. Wie berichtet, will Liqion mit der i-Live Gruppe zwei Wohntürme bauen, 60 und 130 Meter hoch, mit 700 Mikroapartments, 30 Prozent öffentlich-gefördert. Nächstes Jahr sollen die Arbeiten an der Ecke Innere Kanalstraße/Subbelrather Straße beginnen, 2020 beendet sein.

Zuletzt hatte unter anderem die Bezirksvertretung Ehrenfeld die Pläne kritisiert. Die Politiker kritisierten unter anderem die einfallslose Architektur, einige Bürger befürchten eine Veränderung der „Skyline“. Carstensen sagt: „In Frankfurt gibt es weniger Vorbehalte, sie sind Teil der Skyline.“ In Köln sei das anders, unter anderem wegen des Doms und seiner Bedeutung. Höing sieht das ähnlich, er bezeichnete das Erscheinungsbild als ausgeprägte Silhouette, als Tafelsilber der Stadt. „Wir sind gut beraten, vorsichtig damit umzugehen.“

Keine Lösung für akuten Wohnungsmangel

Anders als etwa in den 70er-Jahren richten sich die neuen Wohntürme laut Carstensen an zahlungskräftige Menschen. „Das ist eine komplett andere Produktklasse, das Image ist ein anderes“, sagt er. Bis zu 7000 Euro pro Quadratmeter koste etwa in Frankfurt eine Wohnung in einem der neuen Hochhäuser. Das heißt laut Carstensen aber auch: Den akuten Wohnungsmangel in Städten lösen die Edel-Türme nicht – zumal sie auch sehr hohe Baukosten haben. Die Regel: Umso höher, desto weniger Fläche ist für Wohnungen nutzbar. Brandschutz, Statik und Technik brauchen viel Platz.

Der neue Trend zum Wohnhochhaus ist laut Carstensen in den steigenden Mieten begründet: Erst als sie aufgrund des Wohnungsengpasses ein gewisses Niveau erreichten, lohnte es sich für Investoren, sich mit solchen Projekten zu befassen, weil die Menschen bereit sind, die Preise zu bezahlen. Höing plädiert trotzdem zur Vorsicht in Köln. „Ich habe eigentlich keine Lust auf eine Debatte über Hochhäuser und das Weltkulturerbe, das hat die Stadt hinter sich.“

Bis 2020 sollen am Fernsehturm zwei Wohntürme entstehen.

Bis 2020 sollen am Fernsehturm zwei Wohntürme entstehen.

Köln und Hochhäuser: eine Verbindung mit einer langen Geschichte (siehe Text unten). Eine Geschichte, die vor 13 Jahren begann. Seinerzeit hatte die Unesco den Dom als Weltkulturerbe auf die Rote Liste der gefährdeten Güter gesetzt, weil in Deutz Häuser mit mehr als 100 Metern Höhe geplant waren. Im Dezember 2005 beugte sich der Stadtrat dem Druck der Unesco, ändert die Pläne. 2007 folgte das Höhenkonzept der Stadt, Neubauten zwischen Rhein und Innerer Kanalstraße dürfen je nach Lage eine Traufhöhe zwischen 13,50 und 22,50 Metern nicht überschreiten. Anne-Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes, sagt: „Es ist ein Rahmenwerk.“ Es sieht laut Müller Ausnahmen vor, etwa wenn es städtebauliche oder andere wichtige Gründe gibt. Dann muss der Bebauungsplan angepasst werden und der Stadtrat beteiligt werden.

Vereinzelt entstehen in den nächsten Jahren weitere Hochhäuser, unter anderem in Mülheim das Projekt namens „Opal“. Bis Ende 2018 wächst das 67-Meter-Hochhaus in die Höhe, der Bau läuft gerade. In den 21 Geschossen kommen 108 Wohnungen unter. Auch im Deutzer Hafen soll die Stadt in die Höhe gehen, bis zu 70 Meter laut Höing. Ein neues Hochhaus soll dort ebenfalls gebaut werden. Doch nicht nur im Rechtsrheinischen wächst Köln gen Himmel, auch im Stadtteilentwicklungsprojekt „Parkstadt Süd“ sollen bis zu vier Hochhäuser entstehen. Dennoch sagt Höing: „Es gibt kein Patentrezept.“

Als das höchste Haus des Kontinents in Köln stand

Alles begann mit dem Bau des Hansa-Hochhauses am Hansaring: In etwas mehr als einem Jahr hatte Architekt und Bauherr Jacob Koerfer das 65 Meter hohe Gebäude bauen lasse. Im April 1924 ging es los, nur drei Monate nach dem ersten Bemühen um eine Baugenehmigung, wie Felix Feldhofer erklärt. Er hat sich in seiner preisgekrönten Masterarbeit mit Hochhäusern in Köln beschäftigt, im Speziellen mit den 60er- und 70er-Jahren. „Einen Monat lang war es das höchste Haus in Kontinentaleuropa“, sagt Feldhofer.

Faszination und Skepsis

Das Hansa-Haus drückte auch die aufkommende Begeisterung für Hochhäuser in Europa aus, die aus den USA kam. „Sie übten immer eine gewisse Faszination aus, wurden als Symbol von Reichtum angesehen. Aber es gab in Europa immer eine gewisse Skepsis, auch aufgrund der historischen mittelalterlichen Stadtkerne und den Kirchen“, sagt Feldhofer.

Unter anderem wollte der damalige Bürgermeister Konrad Adenauer ein Hochhaus auf dem Heumarkt, dachte zum Beispiel an einen Verwaltungsbau oder eine Erhöhung des Rathausturms. Doch nichts davon ließ sich realisieren.

Und danach war die Zeit der Hochhäuser allgemein und in Köln erst einmal vorbei, vor allem aus drei Gründen: der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 30-Jahre, dem Zweiten Weltkrieg und der ablehnenden Haltung der Nazis gegenüber den als modern geltenden Bauten.

Erst 1953 folgte laut Feldhofer der nächste Schritt, Hans Gerling ließ das nach ihm benannte Hochhaus (56 Meter) bauen. Vor allem private Investoren trieben das Thema voran, weitere Gebäude entstanden. Ein städtisches Konzept, wo Hochhäuser stehen dürfen, gab es noch nicht. Das änderte sich als Werner Baecker 1966 als Baudezernent nach Köln kam. „Er sah die Tendenz zu Hochhäusern und wollte Ordnung reinbringen“, sagt Feldhofer.

Umso weiter entfernt, desto höher

Sein Konzept sah zwei Kriterien vor: Zum einen sollen die Gebäude möglichst nicht in der Innenstadt stehen. Das Motto: Umso weiter entfernt, desto höher dürfen sie sein. Zum anderen sollten sie an Kreuzungspunkten von Ringstraßen und Ausfallstraßen stehen. Laut Feldhofer hat Baecker etwa die DKV dazu gebracht, das Hochhaus an der Aachener Straße/Gürtel zu bauen. Im August 1973 hatte die Entwicklung ihren Höhepunkt: Das Unicenter, das Herkules-Hochhaus und das Colonia-Haus wurden im selben Monat bezugsfertig.

Danach gab es laut Feldhofer eine gewisse Ernüchterung bei Bevölkerung und Bauherren – auch weil im Umfeld häufig Betonwüsten entstanden.1980 schied Baecker dann aus dem Amt.

Streit mit Unesco-Weltkulturerbe

In den 90ern-Jahren kam das Thema wieder auf, unter anderem entstand der Kölnturm (147 Meter), laut Feldhofer gab es Überlegungen für Hochhäuser am Breslauer Platz und Rudolfplatz. Ein Höhenkonzept lag seinerzeit nicht vor. So kam es im neuen Jahrtausend zum Streit mit dem Unesco-Weltkulturerbe, das die Pläne für neue Hochhäuser in Deutz ablehnte, weil es den Dom schützen wollte. Also entwickelte die Stadt ein neues Höhenkonzept.

Feldhofer sieht angesichts der geplanten Wohntürme am Colonius noch keinen generellen Trend zu Hochhäusern. „Dafür ist es zu teuer und aufwendig, in die Höhe zu bauen.“ Zudem gebe der Dom mit etwas mehr als 157 Metern den Maßstab vor.

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