Idole auf dem RennradEin Besuch bei Karl-Heinz Kunde und Rolf Wolfshohl

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Köln – Null. Nicht ein Nachwuchstalent fährt momentan für den RSC le loup in Rath. Der Club ist nach seinem Gründer benannt, Rolf Wolfshohl (77), dreifacher Querfeldein-Weltmeister auf dem Rennrad, Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France und Gewinner der Vuelta, der legendären Spanienrundfahrt. „Ich würde gerne mehr für die Jugend tun, aber für viele Jugendliche ist das Training ein Zeitproblem“, bedauert der einstige Champion, den sie früher „le loup“, den Wolf, nannten.

Ein moderner Flachbau im Gewerbegebiet Rath ist das Reich von Rolf Wolfshohl. „Rowona“ heißt seine „Zweiradwelt“, die Wände hat er mit alten Siegerschärpen dekoriert, zwischendrin hängt ein Foto, das ihn neben Jean-Marie Leblanc, dem einstigen Direktor der Tour de France zeigt. Gerade erst hat Wolfshohl eine kleine Frankreichtour hinter sich. Raymond Poulidor, einer der populärsten französischen Rennradfahrer, hatte ihn zu seinem 80. Geburtstag eingeladen. Früher sind sie im selben Team gefahren.

Es ist lange her, dass Köln als Talentschmiede des Radsports durchging. Albert Richter ist en solch klangvoller Name, 1932 war er Amateur-Weltmeister, nach ihm ist die Radrennbahn in Müngersdorf benannt worden. Als Wolfshohl nach seinem ersten WM-Sieg von einer Delegation der Stadt am Bahnhof begrüßt wurde, hieß der Oberbürgermeister noch Theo Burauen. 1960 war das. Der letzte lokale Branchenheld ist Marcel Wüst, der Sprinter, dem mehr als 100 Siege gelangen. Nils Politt, gebürtiger Kölner, sammelt derzeit bei einem russischen Team Profierfahrung. Sechstagerennen gibt es in Köln nicht mehr, seitdem die alte Sporthalle abgebrochen wurde. Dieses Jahr wird sich die Radsport-Elite mal wieder verstärkt in Köln präsentieren, denn der Klassiker, das Rennen „Rund um Köln“, wird zum 100. Mal ausgetragen. Und viele Spitzenteams wollen dabei sein.

Eine andere Größe der Sportart hat ihr Geschäft in der Schaafenstraße, unweit des Neumarkts. „Radrennsport Karl-Heinz Kunde“ steht draußen schwarz auf grün. Kunde, mittlerweile 78 Jahre alt, nannten sie früher respektvoll „Bergfloh“. Mit seinen 1,59 Metern und eisernem Willen flog er die steilsten Alpenpässe hoch. Er war dreifacher Deutscher Bergmeister und Gesamtneunter bei der Tour de France. „Köln war eine Radsport-Hochburg. Momentan fehlt ein Zugpferd, einer für die großen Rundfahrten“, bedauert Karl-Heinz Kunde.

Eine Art Vorbild hatte einst auch Rolf Wolfshohl, aufgewachsen in Buchheim. In seiner Nachbarschaft wohnte ein Amateurfahrer, an den Namen kann sich der „Wolf“ nicht erinnern. „Sonntags kam er oft mit einem Siegerkranz nach Hause. Das hat mich fasziniert, genau wie die bunten Trikots und die Chromspeichen“, sagt Wolfshohl, der als 14-Jähriger eine Ausbildung als Dreher und Fräser bei Klöckner-Humboldt-Deutz begann.

Die Fahrer des RC Tempo Mülheim trainierten nach dem Krieg auf einer Aschenbahn am Buchheimer Ring. Mit einem verkehrstauglichen Herrenrad der Marke Miele Hibiduri (die Abkürzung stand für: Hier bist du richtig) schmuggelte er sich unter die Vereinsfahrer. Alle Versuche des Trainers, ihn fortzujagen, scheiterten, schließlich durfte er einen Fahrer bei einer Tour nach Bensberg begleiten. „Beim Anstieg dachte ich: Alles oder nichts. Ich habe dann oben auf ihn gewartet“, sagt Wolfshohl und lächelt. Anschließend sei er als „Idiot“ beschimpft worden, mit dem das Training keinen Spaß mache.

Kunde und Wolfshohl sind Idole ihrer Generation, vor einigen Wochen hatten sie sich zufällig getroffen. Beide saßen auf dem Rad und spulten Kilometer ab, so wie früher. Aufgewachsen ist Kunde in Kalk, bei den Pfadfindern sei er zu seinen ersten Radrennen angetreten – „mit einem zusammengeschusterten Tourenrad“, erinnert er sich. Schließlich habe ihm sein Vater ein Rennrad gekauft und dies mit fünf Mark pro Woche abbezahlt. „Mit so einem Rad würde heute keiner mehr Brötchen holen fahren“, meint er und lächelt.

Der Ruhepuls liegt noch immer bei 44 bis 48

Auf fünf Etappen durfte Kunde bei der Tour de France 1966 das Gelbe Trikot tragen, eines der Jerseys hängt heute gerahmt in seinem Laden. „Angesprochen werde ich darauf jeden Tag“, sagt er. Etwa 5000 Kilometer im Jahr legt er noch immer auf dem Rad zurück, an den Wochenenden radelt er durchs Bergische, im Sommerurlaub durch Tunesien oder Südfrankreich. Ob er seinen Ruhepuls kennt? „Irgendwo zwischen 44 und 48, also ziemlich weit unten“, sagt Kunde. „Mein Arzt ist beeindruckt“, fügt er zufrieden hinzu.

Noch immer steht Kunde jeden Tag in seinem Radgeschäft. „Was soll ich denn zu Hause? Ich kann doch nicht jeden Tag fünf Stunden Radfahren“, sagt er schulterzuckend. Wolfshohl baut jedes Jahr noch rund 150 Rennräder nach Kundenwunsch zusammen. Zur Arbeit fährt er mit dem Rad, 30 Kilometer hin und 30 wieder zurück. Er hat Zeit dafür – bis das nächste Talent in seinen Club kommt.

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