InterviewHiltrud Kier, frühere Generaldirektorin der Museen, wird 80 Jahre alt

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Köln – Engagiert, hartnäckig, fachkundig:  Die frühere Stadtkonservatorin und Generaldirektorin der Kölner Museen, Professorin Hiltrud Kier, wird am Freitag 80 Jahre alt. Im Gespräch mit Martina Windrath  blickt sie auf Meilensteine und Herausforderungen  zurück und hat  viele Anregungen.

Sie haben den Schatz der Romanischen Kirchen in Köln gehoben, gegen den Abriss von Bauten des 19. Jahrhunderts gekämpft und sich manches Mal in die Nesseln gesetzt. Welches Adjektiv trifft Ihr Wirken am besten?

Man nennt mich streitbar, ich empfinde mich als konsequent. Ich bin Konflikten nie aus dem Weg gegangen. Nicht weil es mir Spaß gemacht hätte, aber wenn es der Sache dient. . . Die Romanischen Kirchen waren ein wichtiges Feld, aber begonnen hat es mit meinem Einsatz gegen den Abriss der Bauten des 19. Jahrhunderts in der Neustadt, 1973 gab es die erste Veröffentlichung dazu. Das Bewusstsein für die Bedeutung der bundesweit wichtigsten Stadterweiterung kam in Köln recht spät, aber es hat gefruchtet. Von 1976 bis 1978 habe ich die Denkmalliste erstellt. Die Verwaltung war nicht begeistert von den Aktivitäten, sie war auf Neubau aus und Konflikte programmiert.

Das hat Sie nicht abgeschreckt. Als eine der ersten Frauen in der Verwaltung wurden Sie Amtsleiterin, 1978 Stadtkonservatorin.

Die Veröffentlichung des Denkmälerverzeichnisses und das Denkmalschutzgesetz ab 1980 haben uns Rückendeckung gegeben. Der Rat hat die Liste mit 9000 Objekten 1979 entgegengenommen. Die Verwaltung war somit verpflichtet, den Konservator einzuschalten. Bei einer ersten Begehung der Romanischen Kirchen 1978 traf mich dann unvermittelt das große Problem der Kriegsschädenbeseitigung. Daraus entstand die Überlegung, den Förderverein Romanische Kirchen 1981 ins Leben zu rufen. Ich fand viele Unterstützer. Wir haben es geschafft, bis zum Jahr der Romanischen Kirchen 1985 St. Gereon, St. Maria im Kapitol und Groß St. Martin fertigzustellen und den Wiederaufbau des Westquerhauses von St. Kunibert in Gang zu setzen.

Heute sind die Romanischen Kirchen weltweit ein Begriff.

Aber auch anderes ist wichtig: Ein Anliegen war mir zum Beispiel der Erhalt des Heumarkts. Ich wollte, dass der Platz bleibt und habe dann an einem Freitag, als die Verwaltung Feierabend hatte, das Hinterteil des Heumarkt-Denkmals dort aufstellen lassen. Der Riesenaufschrei war provoziert. Über den Kölner Verkehrsverein gab es dann große Unterstützung der Wiederaufstellung des Denkmals.

Sie haben auch ein Herz für Bauten der 50er Jahre.

Ich stellte fest, dass zu viel verschwindet. Die Innenausstattung des Spanischen Baus des Rathauses und auch des Gürzenich wären ohne unseren Einsatz weg gewesen. Die Liste der Denkmäler der 50er Jahre mit rund 1000 Objekten müsste längst ergänzt werden.

Was halten Sie denn vom Opern-Sanierungsdebakel?

In den 80er Jahren gab es ja noch ein Hochbauamt, da wurde die Planung für die Renovierung der Oper gemacht. Sie hätte 50 Millionen Euro gekostet, aber das Geld ist uns vom Rat nicht genehmigt worden. Jetzt haben wir den Schlamassel. Das ganze Debakel liegt eigentlich daran, dass die Verwaltung so schlank gemacht und vieles outgesourct wurde.

Und das Jüdische Museum?

Die Schließung des Rathausplatzes mit Einbindung der Laube ist mir seit langem ein Anliegen. Auch die Pläne für die Historische Mitte sind eine gute Perspektive. Ich finde nur nicht gut, dass das Kurienhaus abgebrochen werden soll, der typische 60er-Jahre-Bau könnte gut einbezogen werden. Abwarten. Geldmangel ist ja die beste Unterstützung für die Denkmalpflege.

Haben Sie weitere Anregungen?

Ich würde auch den Ebertplatz unter Schutz stellen, den man jetzt verkommen lässt, den WDR-Bau Am Hof bewahren und den akut gefährdeten Kirchenbau von Schaller „Zum guten Hirten“ in der Klosterstraße in Lindenthal retten.

Als Generaldirektorin stießen Sie auf sehr viel Widerstand. . .

Ich habe die Planung für ein neues Rautenstrauch-Joest-Museum am Heumarkt intensiv betrieben und wollte die Erweiterung des Schnütgen- und des Stadtmuseums. Mäzen Peter Ludwig wollte etwas anderes - er hat sich durchgesetzt.

Sie widmeten sich dann an der Uni in Bonn wieder stärker der Wissenschaft.

Ich bin hier jetzt im 80. Semester. Außerdem habe ich Publikationen veröffentlicht, ich halte Vorträge, reise gern. Freitag feiere ich im Kreis meiner Familie. Ich wünsche mir sehr, dass die Kölner sich wieder vermehrt für den Förderverein Romanische Kirchen engagieren. Die Adresse ist: Haus Neuerburg, 50667 Köln.

Zur Person

Hiltrud Kier wurde am 30. Juni 1937 in Graz (Österreich) geboren. Sie studierte Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Klassische Archäologie in Wien und Köln. 1978 bis 1990 war sie Stadtkonservatorin in Köln. 1990 übernahm sie bis 1993 die Generaldirektion der Museen sowie die Leitung der Bodendenkmalpflege. Danach wurde sie mit der Leitung des Wissenschaftsreferats betraut. Mit 60 Jahren schied die Kunsthistorikerin aus dem Dienst der Stadt aus. Seit 1978 ist die Wissenschaftlerin an der Universität Bonn tätig und aktuell „im 80. Semester“. Die Honorarprofessorin am Institut für Kunstgeschichte hält Vorlesungen und arbeitet an Publikationen. Hiltrud Kier ist mit einem Musikwissenschaftler verheiratet und hat vier Kinder. Sie lebt in der Eifel bei Zülpich. (MW)

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