Kölnberg-ProzessRocker schweigen – Rückschläge für Staatsanwaltschaft

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Dramatische Szenen: Vor einem Büdchen am Kölnberg gab es im Sommer 2015 eine Schießerei mit Verletzten.

Dramatische Szenen: Vor einem Büdchen am Kölnberg gab es im Sommer 2015 eine Schießerei mit Verletzten.

Köln – Es zeichnet sich schon seit einiger Zeit ab: Im Verfahren gegen acht mutmaßliche Mitglieder der Rockergruppierung Hells Angels wegen Gründung, Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sowie Drogenhandels, Erpressung und versuchten Mordes hat die Staatsanwaltschaft nicht die besten Karten. Spätestens seitdem das Gericht nun sechs von acht Angeklagten aus der U-Haft entlassen hat, scheint eine Verurteilung eher unwahrscheinlich.

Gestern beantragte dann auch noch Verteidigerin Ulrike Tasic für ihren Mandanten (28) ebenfalls Haftentlassung. Der 28-Jährige soll eine illegale Marihuana-Plantage mit rund 700 Pflanzen im Kölner Umland für die Gruppe betrieben haben. Die Vorsitzende, Ulrike Grave-Herkenrath, ließ durchblicken, dass sie sich bei Beantwortung von Detailfragen zum Drogenanbau eine Haftverschonung durchaus vorstellen könne.

Vormachtsstellung erkämpft

Sollte es so kommen, säße nur noch der Hauptangeklagte Serkan A. (33) im Gefängnis. Gemeinsam mit seinem Bruder Erkan (30) soll er das „C-Town“-Charter der Hells Angels gegründet haben. Der 30-Jährige sitzt aber nicht auf der Anklagebank. Nach einer Schießerei mit einem Todesopfer in der Nippeser Kneipe „No Name“ im November 2015 soll er sich in die Türkei abgesetzt haben. Wiederholt sollen ihn dort seither Kölner Rocker-Kameraden besucht und mit Bargeld versorgt haben.

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Im Verlauf des Jahres 2015 soll sich das „C-Town“-Charter „unter Begehung zum Teil erheblicher Straftaten“ eine Vormachtstellung in Köln erkämpft haben. Konkurrenten, die ihnen bei ihren illegalen Geschäften in die Quere kamen, sollen bedroht oder attackiert worden sein. Dabei schreckten die Rocker auch vor dem Gebrauch von Schusswaffen nicht zurück.

Kamerabilder zu schlecht

So sollen Mitglieder der Gruppe am 16. Juni 2015 den Sohn (44) eines Büdchenbesitzers am Kölnberg, dessen Bruder (35) und die Mutter (65) mit Schüssen schwer verletzt haben. Laut Anklage soll sich der 44-Jährige in den Drogenhandel in der Hochhaussiedlung eingemischt haben, der von den Hells Angels kontrolliert wurde. Mit ihrer Tat hätten die Rocker klarstellen wollen, so die Anklage, „dass sich niemand an ihnen vorbei am Kölnberg betätigen durfte“.

Vor Gericht schwiegen die Geschädigten aber – ein erster herber Rückschlag für die Anklage, der nur durch die spätere Aussage einer Ermittlerin der Mordkommission abgemildert wurde. Gegenüber der Beamtin hatte die 65-jährige Geschädigte in einer Vernehmung eingeräumt, dass sie nach dem Angriff Besuch vom Hauptangeklagten Serkan A. und dessen abgetauchten Bruder erhalten habe. Beide hätten sich für die Schüsse entschuldigt und um Verzeihung gebeten – angeblich sogar mit Handkuss. Dennoch folgte Ende Juni ein zweiter Rückschlag für die Anklage. Ein anthropologisches Gutachten, in dem Bilder der Angeklagten mit Aufnahmen einer Überwachungskamera verglichen wurden, blieb ohne Ergebnis – die Kameraaufnahmen hatten sich als zu schlecht erwiesen.

Es bleibt spannend in einem komplizierten Verfahren, das bisher zwar Indizien, aber fast keine Beweise für eine Verurteilung der Angeklagten geliefert hat.

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