Kölner Ärzte auf RädernVerein „Gesundheit für Wohnungslose“ bekommt Ehrenamtspreis

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Gut versorgt: Pflegerin Anja Sieber und Arzt Arne Göbbert behandeln Patientin Bianca in der mobilen Praxis.

Gut versorgt: Pflegerin Anja Sieber und Arzt Arne Göbbert behandeln Patientin Bianca in der mobilen Praxis.

Köln – Es ist 20.30 Uhr, als die ersten Obdachlosen am Finanzgericht eintrudeln. Arne Göbbert sitzt auf der anderen Straßenseite neben dem Stadtmuseum. Es ist ein warmer Sommerabend, und der 36-Jährige trägt Shorts und T-Shirt. Drüben kommen immer mehr Menschen auf den Appellhofplatz.

„Das ist fantastisch“, sagt Göbbert. „Die Leute kommen, um Suppe zu essen, dann fällt ihnen ein: Oh, mein Zeh tut weh – und sie kommen zu uns.“ In der Woche ist die Suppenküche der Emmaus-Gemeinschaft jeden Abend am Finanzgericht. Montags und mittwochs steht auch der Verein „Gesundheit für Wohnungslose“ mit seinem Bus dort. Seit 1995 ist der Verein aktiv. Momentan engagieren sich 28 Ärzte, Pfleger und Fahrer.

Arbeit ist nicht immer leicht

Arne Göbbert ist einer von ihnen. Eigentlich arbeitet er als Arzt im Krankenhaus der Augustinerinnen. Über die Arbeit erfuhr er auch von dem Projekt. „Mein Chef hat den Verein mit aufgebaut“, sagt er. „Ich fand die Idee super und habe mir gedacht: Da machst du mit“. Seit 2012 ist er ungefähr einmal im Monat am Appellhofplatz zur Sprechstunde. Nach langen Tagen im Krankenhaus sei es manchmal gar nicht so einfach, sich dazu aufzuraffen. Umso mehr freuen sich die Mitglieder des Vereins, dass sie den Kölner Ehrenamtspreis bekommen.

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„Es ist toll, wenn das gewürdigt wird, was du neben dem Job machst“, sagt Göbbert. „Natürlich können wir hier keine Herz-OP machen“, sagt er. Aber: „Wir kümmern uns um Kleinigkeiten.“ Besonders oft müssten Füße und Beine behandelt werden, da die Patienten nur selten Schuhe und Socken auszögen. „Oft sind es Probleme an den Venen oder Geschwüre, die nicht abheilen“, sagt Göbbert. Im Winter müsse er häufig überprüfen, ob Patienten nur einen grippalen Effekt haben oder vielleicht eine Lungenentzündung.

Deutsches Gesundheitssystem deckt nicht alles ab

„Wir wollen hier einfach nur niedrigschwellig behandeln“, sagt der Arzt. Deutschland habe zwar ein sehr gutes Gesundheitssystem, trotzdem gebe es Bereiche, die es nicht abdecken kann. Unter den Obdachlosen, die zum Appellhofplatz kommen, gebe es Patienten mit und ohne Krankenversicherung. „Bei denen, die keine haben, ist die psychologische Hemmschwelle zum Arzt zu gehen oft sehr hoch“, sagt Göbbert. „Die meisten sagen sich: Ich probier’s erst gar nicht.“ Auch bei denen, die eine Krankenversicherung haben, sei die mentale Hürde, in eine Praxis zu gehen, oft sehr hoch.

Kurz vor 21 Uhr fährt dann der weiße Ford auf den Appellhofplatz. Göbbert bezieht sein mobiles Sprechzimmer. Eine der ersten Patientinnen ist Bianca. Über eine kleine Treppe steigt sie in den Wagen. Drinnen setzt sie sich auf dieLiege. Sie hatte sich einen neuen Stecker für ihr Piercing gekauft. Jetzt ist ihre Lippe so entzündet, dass sie den Stecker nicht mehr herausziehen kann. Göbbert säubert die Wunde, gibt ihr ein Schmerzmittel mit und rät ihr, zum Chirurgen zu gehen, damit sie weiter behandelt wird. Dann heißt es: Der nächste bitte.

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