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Kölner DrogenszeneDrogenkonsumraum soll Lösung für den Neumarkt sein

Lesezeit 4 Minuten
An den Büdchen nahe der KVB-Haltestelle Neumarkt sind Dealer am hellichsten Tag unterwegs.

An den Büdchen nahe der KVB-Haltestelle Neumarkt sind Dealer am hellichsten Tag unterwegs.

Köln – Oben warten die Junkies und Dealer. Wer die U-Bahn-Passage am Neumarkt zu den KVB-Linien 7 und 9 hinaufsteigt, ist mittendrin im Geschäftsleben. Am helllichten Tag trifft sich hier die Drogenszene, direkt an Würstchenbude und Kiosk. Es sind Menschen, die offensichtlich Hilfe brauchen. Und die sich in diesen Tagen vorsichtig umsehen. Sie stehen unter besonderer Beobachtung.

Am Wochenende ist bei einem Überfall ein Vater (56) mit seinem Sohn (28) angegriffen und verletzt worden. Es ging um ein paar Euro. Offenbar Drogenabhängige haben ein Fahrrad auf die Opfer geworfen.

„Ich habe jeden Tag mit einer Eskalation gerechnet“, sagt Professor Klaus Schneider, Direktor des Rautenstrauch-Joest-Museums am Neumarkt. Dass sich die Szene im direkten Umfeld des Museumsquartiers niedergelassen hat, beklagt Schneider seit der Gründung des Hauses vor mehr als vier Jahren. Seit dem Frühjahr habe sich das Problem dramatisch verschärft. „Die Junkies setzen sich direkt vor der Tür die Spritzen, sie verrichten ihre Notdurft in den dunklen Ecken. Es ist einfach unglaublich.“ Es sei eine ganz andere Klientel dazu gekommen, teils sehr aggressiv.

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Fachliches Konzept für Drogenkonsumraum fehlt

Die Notwendigkeit eines Drogenkonsumraums am Neumarkt ist unstrittig. Politik, Verwaltung, Polizei und mögliche Träger wie der Sozialdienst katholischer Männer (SKM) befürworten ein solches Angebot. Am Neumarkt besorgen sich die Junkies ihren Stoff, nur wenige gehen dann noch zum Hauptbahnhof, um dort den bislang einzigen Konsumraum der Stadt zu nutzen. Daher wird die Verwaltung am 28. Juni auch mit großer Sicherheit vom Rat beauftragt, Räume anzumieten und einen Träger zu suchen. Über die Details allerdings muss noch geredet werden. Dies legen Gespräche mit Politikern und Fachleuten nahe. Das Gesundheitsamt wollte gestern auf Anfrage der Rundschau keine Auskunft geben.

„Uns fehlt ein fachliches Konzept“, sagt etwa Ursula Gärtner (CDU), stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitssauschusses, dort wird der Verwaltungsvorschlag am 21. Juni diskutiert. Aus diesem Grund sei der Beschluss im vergangenen Sozialausschuss geschoben worden. Sie sieht keinen Grund, warum die als dringlich gekennzeichnete Vorlage im Rat nicht beschlossen werden sollte. Aus dieser geht hervor, dass Räume in der Größenordnung von 180 bis 200 Quadratmetern in Neumarktnähe gesucht würden. Acht Räume werden beschrieben, die für den Konsum, für Beratungen, Büros, medizinische Angebote und hygienische Einrichtungen gedacht sind. Zehn Plätze für Suchtkranke sind angedacht, die dort ihre Drogen inhalieren oder spritzen können. Geschätzte Kosten: 800 000 Euro jährlich.

Nach Informationen der Rundschau hat die Verwaltung auch schon eine konkrete Immobile in der Nähe des Gesundheitsamts im Auge. Sie wartet noch auf ein Votum der Polizei, die sich zu dem Standort äußern soll. In den Räumen sollen auch Sozialarbeiter tätig sein und Beschäftigungen vermittelt werden.

Beschäftigung für Drogenabhängige

Für den Suchtexperten Andreas Hecht vom SKM kommt grade dieser Punkt im Konzept der Stadt zu kurz. Er ist Leiter der Suchthilfe am Hauptbahnhof und kennt die Szene genau. Für ihn liegt der Fokus der Verwaltung zu sehr darauf, die Junkies aus dem Straßenbild zu entfernen. „Es ist aber genauso wichtig, den Suchtkranken eine Beschäftigung zu bieten“, sagt Hecht. Es gebe 2200 Menschen in Köln, die Ersatzdrogen bekämen. Etwa 200 davon wüssten außerhalb dieses Konsums nichts mit sich anzufangen.

Die Szene am Neumarkt umfasst aus seiner Sicht 30 bis 50 Menschen. Ein Drogenkonsumraum dort sei sinnvoll. „Es ist aber die Frage, ob er so groß sein muss“, sagt Hecht, der beklagt, dass der SKM nicht in die Planungen einbezogen wurde. Schließlich gilt der Hauptbahnhof im Bezug auf Suchtkranke als „befriedet“. Daher würde Hecht das Erfolgsmodell auf den Neumarkt übertragen. Angebote wie die „Kölner Feger“, in der Drogenabhängige als Straßenreiniger arbeiten, würde er ausbauen und verstärkt Wege aus der Sucht aufzeigen. Ein solches „komplexes Konzept“ inklusive Drogenkonsumraum hätte geschätzte Kosten von einer Million Euro, sagt Hecht. Nicht viel mehr, als die Stadt einplant.

Sieben Tage von 8.30 Uhr bis 19 Uhr

Allerdings schweigt sie sich über den Personalansatz aus. Dabei mache die Bezahlung laut SKM der Mitarbeiter 80 Prozent der Kosten aus. Die Stadt plant mit umfangreichen Öffnungszeiten, sieben Tage die Woche von 8.30 Uhr bis 19 Uhr. Die Befürchtung ist daher, dass am Personal gespart werden könnte. Zum Vergleich: der Drogenkonsumraum am Hauptbahnhof hat 38,5 Stunden die Woche auf, am Samstag gar nicht. Woran das liegt? „Weil die Zuschüsse an den Träger im Rahmen von Einsparrunden gekürzt werden mussten“ , heißt von der Stadt.

Gestern gab es im Rahmen des Präsenzkonzeptes der Polizei Kontrollen am Neumarkt und am Friesenplatz. Am Josef-Haubrich-Hof wurde eine Person festgenommen und zwei Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erstellt. Dabei sind sich Polizei, Stadt und Träger einig, dass repressive Maßnahmen am Neumarkt nicht viel bringen, wenn es nicht entsprechende Hilfsangebote gebe. Das Problem werde nur verlagert, heißt es in der städtischen Vorlage. Mitunter gar nicht so weit weg. Suchtdruck und Polizeipräsenz, heißt es dort, treibe die Junkies in den Josef-Haubrich-Hof und zur Volkshochschule.

Der Betreiber der Tiefgarage hat inzwischen zum Selbstschutz gegriffen: Zwei hinter den Notausgängen gelegene Treppenaufgänge sind mit einer Holzkonstruktion überbaut und von außen nicht mehr zugänglich.

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