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Marita KöllnerSeit 50 Jahren auf der Bühne – „Ich mache alles aus dem Bauch“

Lesezeit 8 Minuten

Köln – Seit 50 Jahren steht Marita Köllner auf der Bühne – erst als Büttenrednerin, aber dann vor allem als Sängerin. Mit dem „fussisch Julche“ unterhielt sich Bernd Imgrund über Köln, Karneval und vieles mehr.

Die Haare sind nicht fussich, sondern partiell blondiert. Singen tut sie heute auch nicht, aber dafür wird „de Schnüss jeschwaadt“ – in schönstem Kölsch.

Wenn etwas wie die Faust aufs Auge passt – passt es dann besonders gut oder schlecht?

Alles zum Thema Bernd Imgrund

Besonders gut! Das Bild ist zwar negativ, aber ich benutze die Redewendung auch sehr oft – wie Pott un Deckel oder Fott op Emmer. Kommt allerdings nicht oft vor im Leben, dass etwas so perfekt passt.

Wenn aber eine kölsche Sängerin Köllner heißt, dann . . .

. . . passt das wie die Faust aufs Auge, klar.

Und der Name ist echt?

Ja, das ist kein Künstlername, sondern der meines Papas. Der war ein Sülzer Heimkind, seine Mutter kannte er nicht. Wahrscheinlich deshalb sind wir bei der Namensforschung nicht besonders weit gekommen.

Vielleicht wussten die Nonnen seinen Nachnamen nicht und haben ihn einfach nach der Stadt getauft.

Ich weiß es nicht, kann ihn auch nicht mehr fragen.

Sie selbst wuchsen im Severinsviertel auf. Gefällt Ihnen das noch?

Auf der Vringsstrooß gehe ich einkaufen, das ist unglaublich gemütlich. Alle paar Meter trifft man jemanden für ein Schwätzchen. Da bin ich immer noch et Marita, auch wenn ich abends mit meinem Peter ins Alte Brauhaus gehe.

Die meiste Zeit leben Sie inzwischen auf Mallorca. Spüren Sie da auch so etwas wie Heimat?

Ja, so hat es sich entwickelt. Ich liebe das nachbarschaftliche Zusammenleben, dieses familiäre, was ich nie hatte. Meine Eltern sind ja früh verstorben, und mein Stiefvater war ein Tier, das mich nur misshandelt hat. Meine spanischen Nachbarn auf Mallorca sind unglaublich lieb zu mir, die haben mich mit offenen Armen aufgenommen.

Sie kommen mit den Spaniern zurecht?

Der Spanier hält es wie der Kölsche: Küsste hück nit, küsste morje. Wenn man Handwerker braucht, kann das nervig sein. Aber sonntags trifft man sich am Strand, trinkt ein Gläschen Sekt und isst ein paar Tapas.

Leben Sie dort eher spanisch oder rheinisch? Eher Paella oder Ähzezupp met Wööschjer?

Mag ich beides nicht. Aber Mallorca ist ja zum Teil eine kölsche Insel. Ich wohne in Las Maravillas bei Arenal. Im Dömchen, zwei Straßen weiter, bekomme ich ene Rievkooche, wenn mir danach ist. Das ist das kölsche Lokal vom Uli, und nebenan steht das Deutsche Eck, das führt der Michael. Ein Düsseldorfer.

Beim einen gibt´s Kölsch, beim anderen Alt?

Kölsch haben beide. Ich trinke allerdings lieber Wein.

Ihre Kölner Wohnung wiederum liegt genau um die Ecke der berühmt besungenen Kaygasse.

Als ich klein war, zog die alte Rabaue-Band noch durch die Straßen und sang unter anderem die Kayjass Nummero Null. Meine Mutter gab mir dann einen Groschen, den ich in Papier wickelte und runter auf die Straße warf. So machte man das damals, werde ich nie vergessen.

Ihr Künstlername Fussich Julche stammt von einem gleichnamigen Theaterstück aus alter Zeit. Worum geht es da?

Um ein kölsches Mädchen, fussich natürlich, das schmutzige Wäsche wäscht – sowohl in ihrem Beruf als Wäscherin als auch im übertragenen Sinn. Das Stück hat mir als Kind super gefallen, und das große Mundwerk habe ich ja auch. (lacht)

Was ist eine „Stimmungssängerin“?

Man sagt mir nach, ich komme auf die Bühne, stimme an, und der Saal steht. Dabei bin ich eine Frau – Arschkarte Nummer eins, und ich bin keine Band, sondern allein auf der Bühne. Die Jugend will ja heute leider nur noch Bands und immer auf die Zwölf. Finde ich sehr schade. Das Volkstümliche, Lieder wie die Kayjass, gehen dabei verloren.

Oder die klassisch kölsche Form des Krätchzens.

Genau. Wobei die Gesellschaften langsam wach werden und zum Beispiel Flüstersitzungen veranstalten, wo es eben nicht um Krach geht. Das Krätzchen hält auch noch der Gerd Köster hoch. Den finde ich ganz herrlich, habe ich ihm auch mal gesagt.

Muss man fürs Gute-Laune-Machen gute Laune haben?

Eigentlich schon, denke ich. Andererseits kann ich mich an einen Auftritt als junges Mädchen im Sartory erinnern, als ich noch in der Bütt stand. Ich hatte Liebeskummer und habe vor dem Auftritt nur geknatscht. Dann musste ich auf die Bühne, habe den Saal abgerissen. Und danach bin ich widder eruss un han wiggerjekrisch. Verheult auftreten geht ja auch nicht.

„Moni hat geweint“ von den Fööss böte sich an.

Das ginge noch so gerade, klar.

Gute Laune kann ansteckend, aber auch abschreckend wirken.

Solchen Leuten sag ich immer: Joot doch eruss. (lacht) Maat doch en Paus, ich bin in ener Veedelstund fädich. Wissen Sie, ich bin ne freche Sau. Der Peter sagt immer, irgendwann wirst du erschossen. Aber wenn im Publikum einer ist, der mich schäl ahnluurt, dä hät et hinger sich.

Und andersherum: Hilft das Singen gegen schlechte Laune, gegen Krisen?

Absolut! Wegen meines Gehirntumors hatte ich natürlich große psychische Probleme, wie jeder in so einer Situation. Ich bin sechs Stunden operiert worden. Drei Tage später bin ich raus und habe mir den CSD angesehen. Die Sambaklänge gingen mir sofort ins Blut, ich war total gut drauf. Und nach vierzehn Tagen stand ich schon wieder auf der Bühne.

Können Sie alle Ihrer zahllosen Lieder auswendig?

Die meisten schon. Auch wenn ich eine Sendung moderiere, habe ich nie einen Zettel. Ich mache alles aus dem Bauch. Wenn mein Mann mich zu einem Konzert fährt, weiß ich oft gar nicht, wo wir landen. Aber sobald ich auf der Bühne stehe, legt sich ein Schalter um, dann bin ich voll da.

Ist Ihr berühmtester Hit, die Kölschen Mädcher mit den Spitzebötzjer, nüchtern entstanden?

(lacht) Ja. Der basiert ja auf einem deutschen Volkslied: Mariechen saß im Garten. Da kommt die Melodie her, die Frauen bei uns im Veedel haben den Refrain oft gesungen, als ich klein war. Und mit dem Henning Krautmacher von den Höhnern, der mich damals überhaupt zum Singen überredet hat, habe ich dann eines Nachts das Lied komplettiert.

In der zweiten Zeile geht´s dann richtig ab. Bedeutet die das, was ich glaube, dass sie bedeutet?

Mir losse uns nit dran fummele? Das heißt, dass wir uns nicht von jedem op et Kreuz läje looße, sozusagen. (lacht)

Wenig verklausuliert, scheint mir. Könnte man diesen Refrain auch auf Hochdeutsch singen?

Das Kölsche ist halt sehr gefühlvoll, sehr liebevoll. Auf Hochdeutsch wäre das unmöglich. Aber die Jungen Zillertaler haben das Lied gecovert, auf Österreichisch natürlich.

Eine ganz neue Bedeutung bekam das Lied, als es nach den Bahnhofsausschreitungen an Silvester 2015 bei Frauenprotesten gesungen wurde.

Darüber habe ich mir sehr gefreut, und der Text passte in dem Fall ja auch wirklich wie die Faust aufs Auge: Wir lassen uns, von wem auch immer, nicht einfach antatschen. Das ist die Aussage.

50 Jahre stehen Sie nun auf Bühnen. Fühlt es sich auch nach einem halben Jahrhundert an?

Eigentlich komme ich mir noch gar nicht so alt vor. Ich bin auch dieses Jahr wieder ein paar Mal bis zu einem Meter in die Luft gesprungen bei meinen Auftritten. Wenn ich die Pressebilder sehe, denke ich, wat es dat dann? Aber auf der Bühne merke ich das gar nicht, ich hüpfe einfach aus Freude.

Welches Jahrzehnt war das beste?

Die letzten drei! Während der ersten zwanzig Jahre war ich ja noch Büttenrednerin. Und es gab genug Kollegen, die mir erzählen wollten, was ich sagen darf und was nicht. Das verunsichert einen auf die Dauer, aber dann kam ja zum Glück der Henning an und meinte, Kumm, Mädche, lomm´r doch jet singe.

Sie waren eine städtische Beamtin und sind seit vielen Jahren freigestellt. Was haben Sie beruflich gemacht auf dem Amt?

Ich saß in der Rechtsabteilung der Abfallwirtschaftsbetriebe. Da habe ich zum Beispiel Beschwerden zur Straßenreinigung bearbeitet. Wenn sich einer geärgert hat, dass die Jungs vor seiner Tür nicht ordentlich gekehrt hätten, habe ich das übernommen. Bis zur Klage, dann waren die Anwälte dran. Jenseits dessen wäre ich gern Journalist geworden.

Wie haben Sie sich das vorgestellt? Eher Johnny Depp auf seiner Insel interviewen oder eine knallharte Kritik zum Marita-Köllner-Konzert schreiben?

(lacht) Eher zweiteres. Und ich wäre bestimmt ein netter Journalist geworden. Jedenfalls macht es mir bis heute Spaß, meine Homepage mit Texten zu füttern.

Zur Person

Marita Köllner wurde 1958 in Köln geboren. Schon als Mädchen war sie im Karneval aktiv. 20 Jahre lang trat sie als Büttenrednerin auf, schon damals unter dem Künstlernamen „Et Fussich Julche“ und mit ihrem Markenzeichen, den roten Haaren.

1988 wechselte sie zum Gesang. Gleich ihr erstes Lied, geschrieben mit Henning Krautmacher, wurde zu einem Evergreen: „Denn mir sin kölsche Mädcher“. Seitdem ist sie eine feste Größe als kölsche Stimmungssängerin, im Karneval, aber auch beim CSD. 1997 wurde ihr ein gutartiger Kopftumor entfernt, der sie zeitweilig außer Gefecht setzte. Am 30. Mai feiert sie ihr 50-jähriges Bühnenjubläum.

Marita Köllner lebt mit ihrem langjährigen Lebenspartner und frisch angetrauten Gatten Peter auf Mallorca und im Griechenmarktviertel.  

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