Moderator Amiaz Habtu über sein Heimat-Veedel„Wer Chorweiler meidet, war noch nie da“

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Klatsch- und Tratsch-Tante: Amiaz Habtu moderiert bei VOX „Prominent“ und „Höhle der Löwen“. Als Kind kam er mit seinen Eltern aus Eritrea nach Köln.

Klatsch- und Tratsch-Tante: Amiaz Habtu moderiert bei VOX „Prominent“ und „Höhle der Löwen“. Als Kind kam er mit seinen Eltern aus Eritrea nach Köln.

Köln – Die „Höhle der Löwen“ ist seit der Gründung des Senders die erfolgreichste Show bei VOX. Moderiert wird die 2016 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnete Gründer-Sendung von  Amiaz Habtu (39). Der Kölner mit der markanten Brille spricht im Interview über Integration und seine Anfänge als Moderator. Henriette Westphal hat ihn in seinem Lieblingslokal „Noa“ im Belgischen Viertel getroffen.

Beim Basketball fing alles an: Sie waren ab 2001 Hallensprecher bei den Köln 99ers. Damals haben Sie noch Baggy-Pants getragen...

(lacht) Die habe ich mittlerweile gegen Röhren-Jeans getauscht. Aber ja, da fing alles an. Ich habe damals BWL studiert und nebenbei gerne Musik gemacht. Als die 99ers von der Regionalliga in die 1. Liga aufgestiegen sind, habe ich ihnen eine Hymne geschrieben.

Wie ging die?

Es war ein Rap auf den neuen Namen des Vereins: Rhein-Energie Cologne – aber englisch ausgesprochen. Danach habe ich dann die Animation bei den Spielen gemacht, in der Arena vor 15 000 Menschen, ganz ohne Mikrofon. Ich hatte nie Probleme damit, mich vorne hinzustellen und Grimassen zu machen. Schon zu Schulzeiten war ich immer der Pausenclown. In der zweiten Saison wurde ich dann Hallensprecher. Das war der Start meiner Moderationslaufbahn.

Haben Sie Ihr Studium noch beendet?

Ja, ich bin nicht der Typ für halbe Sachen. 2007 habe ich das Studium als Diplom-Kaufmann beendet. Da war mir aber schon klar, dass ich was ganz anderes machen möchte.

Sie haben Musik- und Wissenssendungen moderiert. Aktuell moderieren Sie die „Höhle der Löwen“ und das Promi-Magazin „Prominent“. Ist das Ihr Ding?

Ich bin jetzt die Klatsch-und-Tratsch-Tante (lacht). Das war gar nicht geplant, dass ich das mache. Ich bin krankheitsbedingt eingesprungen und habe da anscheinend eine gute Figur gemacht. Ein Vorteil ist: Ich kann jetzt bei den Mädels mitreden (lacht).

Sie sind im Alter von zwei Jahren als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Wie kam es dazu?

Meine Eltern sind mit mir und meinen zwei älteren Geschwistern aus Eritrea geflohen. Mein Vater war in der Untergrundorganisation tätig, die gegen die Besatzung durch Äthiopien aktiv war. Er schwebte in Lebensgefahr, saß schon zwei Mal im Gefängnis. Die Flucht nach Deutschland hat ihm das Leben gerettet. Andere aus seiner Organisation haben es nicht geschafft.

In welchem Veedel sind Sie aufgewachsen?

In Chorweiler Nord. Für viele ist das ja Ghetto. Für mich nicht. Es ist ein großes Stück Heimat, meine Kindheit. Früher haben wir da Fußball und „Schnick, Schnack, Schnuck“ gespielt und Wassereis am Kiosk gekauft. Wie ganz normale Kids eben. Wer Chorweiler meidet, der war noch nie da.

War es schwer für Ihre Eltern dort Fuß zu fassen?

Nein, sie haben zum Beispiel sofort einen Sprachkurs besucht. Eigentlich hatten sie gar nicht vor, lange in Deutschland zu bleiben, sie wollten wieder zurück nach Eritrea. Aber ein Jahr später hatte mein Vater schon einen Job in einer Spedition. Danach hat er das Interkulturelle Flüchtlingszentrum in Köln gegründet, das suchte damals seinesgleichen. Er hat sich von Anfang an mit der deutschen Kultur auseinandergesetzt.

Inwiefern?

Er hat sich alles ganz genau angesehen. Was machen die Deutschen am Wochenende? Sie kehren gerne irgendwo ein zu Kaffee und Kuchen. Und dann haben wir das auch gemacht. Damals war mir das so peinlich! In keinem Café, in das wir sonntagnachmittags reingegangen sind, saß eine afrikanische Familie. Und dann, ohne dass ich es überhaupt bemerkt habe, war das auf einmal für mich normal geworden. Dafür danke ich meinem Vater. Anfang dieses Jahres wäre er fast gestorben, aber er hat sich wieder ins Leben gekämpft. Es ist wie ein Wunder. Die Zeit mit meinen Eltern genieße ich seitdem noch bewusster.

Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?

Ich lebe gerade meinen Traum. Aber ich kann mir schon vorstellen, demnächst auch mal wieder ein Musik-Projekt zu machen. Vielleicht keine Hymne, aber ich will es nicht ausschließen (lacht).

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