Neue lokale EinkaufskonzepteKölner bieten Versandriesen Amazon die Stirn

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Köln ist ein Warenhaus:  Max Zähringer und Timo König wollen die Geschäfte der Stadt vernetzen und einen Lieferdienst anbieten.

Köln ist ein Warenhaus:  Max Zähringer und Timo König wollen die Geschäfte der Stadt vernetzen und einen Lieferdienst anbieten.

Köln – Früher war einkaufen einfach. Waren des täglichen Bedarfs kaufte man im kleinen Laden im Ort. Jeden Samstag ging es für den wöchentlichen Großeinkauf zum großen Supermarkt am Ortsrand. Für Kleidung, Elektrogeräte und alles andere gab es die Geschäfte in der Innenstadt. Dann kam das Internet.

Seither konkurrieren eine Menge Online-Shops um das Geld der Bürger, immer mehr Lieferwagen kutschieren Pakete durch die Stadt – Kleidung, Lebensmittel, Fernsehgeräte. Ganz oben in der Nahrungskette sitzt der US-amerikanische Versandhändler Amazon. Nicht wenige Handelsunternehmen in Deutschland fürchten, dass Amazon nach und nach alle Felder im Online-Handel nicht nur besetzt, sondern dominiert. Doch es gibt Widerstand – und immer stärker auch in Köln.

Mit Crowdfox tauchte Ende Dezember 2015 ein Marktplatz auf, der damit wirbt, immer günstiger zu sein als Amazon. „Shoppen“ nennt sich seine App schlicht, die Kölner Einzelhändler im Verbund ins Netz bringen will. Seit 2007 ist das Online-Kaufhaus Hitmeister am Markt. Es gilt als deutsche Amazon-Alternative und wurde kürzlich von der Supermarkt-Kette Real übernommen. Jahresumsatz: 46 Millionen Euro. Amazon setzte 2015 in Deutschland allerdings 10,8 Milliarden Euro um. Die Messlatte für die Herausforderer liegt hoch.

Der Preisfuchs

Kleine Preise sind bekannt, niedrige, hohe, aber faire? Können Preise fair sein? Für Crowdfox-Gründer Wolfgang Lang ist das keine Frage, sondern ein Motto. Sein Unternehmen wirbt mit „Die fairsten Preise im Netz. Immer günstiger als Amazon“. Lang, 47 Jahre, graue zurückgegelte Haare, sitzt in der fünften Etage von Startplatz, dem Sammelbecken für Start-ups in Köln am Mediapark. Crowdfox ist das größte, seit Dezember im Netz, belegt der Marktplatz-Anbieter mit 50 Mitarbeitern fast eine Etage in dem Bürogebäude. Lang: „Ich bin nicht für Sozialismus, sondern für Fairness und Transparenz.“ Der Unternehmer sagt, er habe Erfahrung im Handel gesammelt, Firmen, Logistiker beraten, gecoacht. 2013 aber stellte er das System in Frage.

Immer billiger als Amazon: Wolfgang Lang ist mit Crowdfox schon online und weiß 50 Mitarbeiter hinter sich.

Immer billiger als Amazon: Wolfgang Lang ist mit Crowdfox schon online und weiß 50 Mitarbeiter hinter sich.

Und das System geht so: Online-Marktplätze wie Amazon oder Ebay stellen ihre Plattformen Händlern zur Verfügung, damit diese möglichst viele Kunden erreichen. Dafür kassieren sie Gebühren und Provisionen. Bei Amazon zahlen Händler 39 Euro im Monat und 7 bis 20 Prozent Gebühr für jeden verkauften Artikel.

Bei Crowdfox zahlt aber nicht der Händler, sondern nur der Kunde. Diese Servicegebühr fließt mit den Versandkosten in den Gesamtpreises ein. Und weil der Händler keine Provision kalkulieren muss ist der Preis unter dem Strich günstiger als bei Amazon. „Der Kunde gibt einen Teil seiner Ersparnis ab“, heißt das in der Diktion der Firma. Bald soll der Kunde zwischen einem Jahres- (49,99 Euro) und Monatsabo (4,99 Euro) wählen können und Teil eines Shopping-Clubs werden. Denn auch das ist Teil des Geschäftsmodells bei Crowdfox: die Preise sind nur für registrierte Nutzer zu sehen.

Fairness-Garantie für Händler

Dieses Hürde soll Händlern Fairness garantieren, denn so kann der Preis nur noch schwerlich von Programmen abgegriffen werden, die automatisch den niedrigsten Preis einstellen. „Damit verhindern wir eine negative Preisspirale“, sagt Lang. Crowdfox, das kein eigenes Lager aufbauen will, stellt den Händlern kostenlos eine Software zur Verfügung, mit der sie in Echtzeit überprüfen können, wo sie mit dem Preis im Vergleich zur Konkurrenz liegen. Stichproben der Rundschau zeigten, dass es sich dennoch lohnt, die Preischeck-Funktion von Crowdfox zu nutzen.

Denn nicht in jedem Fall war der dargestellte Amazon-Preis aktuell und sogar nahezu identisch mit dem Crowdfox-Angebot. Die Produktpalette umfast Elektronik, Küchengeräte, Parfüms, Spirituosen und Waren für Kinder. Der Start ist laut Unternehmen geglückt, mit Wachstumsraten von monatlich 100 Prozent. Eine Investoren-Gruppe hat fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ein hoher Automatisierungsgrad senkt auf Dauer Kosten- Doch noch reagieren die Händler zögerlich. Denn ist der fairste Preis auch der beste für den Händler? „Ich suche einen Marktplatz, auf dem die Leute bereit sind, für gute Ware gutes Geld zu zahlen“, schreibt einer in einem Branchen-Portal. Das sei Amazon. Auch den Herstellern, so ist zu hören, schmeckt das Crowdfox-Modell nur bedingt, wird doch die „unverbindliche Preisempfehlung“ deutlich unterboten.

Professor Oliver Hinz, Experte für dynamische Preisgestaltung, sagt: „Ich kann die Skepsis der Händler verstehen, weil bei diesem Modell der Preis im Vordergrund steht, nicht die Qualität des Produkts oder des Services.“ Lang hält entgegen: „Wir sind der Dienstleister, der dem Händler kostenlos einen Marktplatz für eine geschlossene Zielgruppe anbietet.“ Und, das ist Lang wichtig: Ein deutsches Unternehmen, mit deutschem System und deutschen Geldgebern.

Die Lokalhelden

In der Ehrenstraße 61–63 ist der Fokus noch lokaler. Er liegt auf Köln. Max Zähringer, 1,97 modisch durchgestylte Meter groß, sagt: „Wir haben hier mit Köln eines der größten Warenlager der Welt.“ Gemeint sind die Geschäfte, die Einzelhändler, die Warenhäuser, die der Stadt ein Gesicht geben und die den Onlinehandel als Gegner fürchten. Zähringer und sein Geschäftspartner Timo König sind angetreten, die Furcht zu nehmen. Die Lösung: „Shoppen“. So heißt die App, zu der König vor drei Jahren die Idee hatte, Zähringer kam eineinhalb Jahre später dazu. In Kürze soll die App an den Start gehen. Das Geschäftsmoin einem Satz: Über „Shoppen“ können sich Kunden bald Waren aus Kölner Geschäften nach Hause liefern lassen. Innerhalb von 90 Minuten, zum Preis von 7,20 Euro.

„Wer möchte, kann 15 Minuten Zeit dazu buchen, damit er etwa die Hose anprobieren und gegebenenfalls zurückschicken kann“, erläutert König, zwei Meter groß, im Sakko steckt ein Einstecktuch. Alternativ kann sich der Kunde die Ware aber im Geschäft hinterlegen lassen.

Das ganze wird gepaart mit einem System, das König und Zähringer Social Commerce nennen. Gemeint ist, Shoppen funktioniert auch als soziales Netzwerk in der Warenwelt. Man wird Produkten, Geschäften oder anderen Nutzern folgen können. Die Idee ist, dass der Konsument die bunte Warenwelt nach seinen Vorlieben filtern kann. Umgekehrt erhält der Händler die Information, wie viele und wer sich für ihn oder seine Produkte interessieren. „Es ist möglich, individuelle Angebote zu verschicken“, sagt König. Hat sich ein Kunde via Shoppen eine Hose angesehen, könnte der Händler ihm einen zeitlich befristen Rabatt für das Produkt anbieten. Dies ist ein Refinanzierungsmodell des Start-ups, denn die Händler müssen für solche Nachrichten zahlen. Auch eine Grundgebühr ist geplant. Zunächst gilt es, die App auf dem Markt zu etablieren. Köln wird die Blaupause, läuft das Geschäftsmodell hier gut an, ist eine Ausweitung angedacht. „Mit unserer App wollen wir die Geschäfte in der Stadt stärken“, versichern die Gründer. Die Resonanz auf ihre Idee sei in der Geschäftswelt positiv.

Der Etablierte

Etwas weiter ist Hitmeister. 2007 gegründet, vermeldet das Kölner Unternehmen 2,6 Millionen Kunden und 4000 Versandpartner. Das Geschäftsmodell ähnelt dem von Amazon, die Konditionen sind etwas günstiger. Trotz der Übernahme durch Real soll der Firmensitz Köln bleiben. Muss er wohl auch, denn auf der Homepage heißt es: „Made with love in Cologne“.

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