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ObdachloseStadt Köln ruft Expertenrunde ein – verstärkte Kontrollen an Brennpunkten

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Die Zustände auf Kölns Straßen beunruhigen immer mehr Bürger.

Köln – Nach der Berichterstattung der Rundschau über zunehmende Probleme mit osteuropäischen Obdachlosen auf den Straßen der Innenstadt hat die Verwaltung nun reagiert. Sozialdezernent Harald Rau hat am vergangenen Donnerstag eine Expertenrunde zusammengerufen. Darüber hinaus wurden drei Arbeitsgruppen gebildet, die Lösungen finden sollen. Als „Sofortmaßnahme“ wurde beschlossen, den „Kontrolldruck“ an den Brennpunkten zu erhöhen.

Im Sozialausschuss, der am Donnerstag, 7. September, tagt, will die Stadt einen mündlichen Bericht über die Lage und Maßnahmen geben. Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagt: „Nur im Zusammenwirken aller Beteiligten ist eine Problemlösung denkbar. Wir fordern erneut Bund, Länder und Europäische Union auf, die notwendigen Schritte für eine Problemlösung anzugehen.“

Riesige Konkurrenz der Bedürftigen

Die Freizügigkeitsregelung in der EU gestattet einen Aufenthalt zur Arbeitssuche bis zu einem halben Jahr. Aber selbst danach sei eine Abschiebung mit hohen Hürden verbunden, so die Stadtverwaltung. Dann schreite die Verelendung dieser Menschen rasant voran: arbeitslos, ohne Sozialbezüge und chancenlos auf einem überhitzen Wohnungsmarkt.

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Was das zur Folge hat, darüber hat Bezirksbürgermeister Andreas Hupke in der Rundschau eine Diskussion angestoßen. Bei ihm häufen sich weiterhin die Beschwerden, vor allem über Obdachlose aus Rumänien, Bulgarien, Polen oder ehemaligen Sowjetrepubliken. Die Problematik: Einige dieser Menschen trinken im extremen Maße hochprozentigen Alkohol. Im Vollrausch liegen sie auf Bänken, in Hauseingängen und Sparkassenvorräumen oder gar auf dem Bürgersteig. Teilweise wird regelrecht auf Wiesen oder unter Brücken campiert. Zudem: Mit erschreckend großer Aggressivität gehen sie Passanten an. Hupke selbst wurde schon Opfer.

Im Laufe der Rundschau-Berichterstattung kamen auch Geschäftsleute aus besonders betroffenen Stadtbereichen wie der Deutzer Freiheit und der Severinstraße zu Wort. Auch sie zeigten sich erschrocken über die Exzesse. Leser meldeten sich in der Redaktion und schilderten ihre Erfahrungen. Einige erzählten gar, dass sie mittlerweile auf kulturelle Angebote in der Innenstadt verzichten, weil ihnen die Zustände in den Straßen, aber auch in Bussen und Bahnen Angst machen würden.

Osteuropäische Obdachlose verschärfen die Problematik

Dass diese Probleme existieren, bestätigt die Stadt in einer Mitteilung. Das „Phänomen“ sei aber nicht allein auf Menschen aus osteuropäischen Staaten beschränkt. Jedoch würden sie dazu beitragen, die Situation zu verschärfen. Weil die Hilfsorganisationen, auch wegen Sprachproblemen, an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, nehmen einige von ihnen derzeit keine Obdachlosen aus Osteuropa mehr auf. Das erhöht die Probleme auf den Straßen.

Im „Rochus“, der Kontakt- und Beratungsstelle für Wohnungslose beim Sozialdienst katholischer Männer (SKM) in Ehrenfeld, war der Anteil der Osteuropäer zuletzt auf bis zu 70 Prozent gestiegen, berichtet der Leiter der Einrichtung, Ralf Promper. Das habe zu Konflikten mit hiesigen Wohnungslosen geführt, für deren Unterstützung und Beratung man eigentlich zuständig sei. „Es gibt eine riesige Konkurrenz unter den Bedürftigen“, betont Promper. Im „täglichen Verteilungskampf auf der Straße um gute Schnorr- und Schlafplätze oder Claims fürs Flaschensammeln“ werde die angestammte Klientel zunehmend von den neu hinzugekommen Gruppen verdrängt. „Die haben sich dann auch aus unseren Einrichtungen zurückgezogen.“

Die Stadt beruft sich darauf, schon 2013 Maßnahmen ergriffen zu haben. Doch Hilfsorganisationen wie die Obdachlosenanlaufstelle Gulliver am Hauptbahnhof kritisieren, dass nach ersten Aktionen die Unterstützung wieder eingeschlafen sei. „Wir fühlen uns von der Stadt im Stich gelassen“, sagt der Leiter des Gulliver, Bernd Mombauer. Bereits mit der Aufnahme der osteuropäischen Länder in die Europäische Union vor Jahren seien die Probleme in Köln aufgekommen. Aber bis heute fehle das Geld, um Sozialarbeiter mit Sprachkenntnissen und Wissen um die kulturellen Eigenheiten einstellen zu können. „Wir brauchen humanitäre Hilfen für die Betroffenen“, betont Andreas Hecht, Koordinator niederschwellige Hilfen beim SKM. „Wir haben seit 2011 immer wieder Alarm geschlagen, dass da eine Welle auf uns zurollt. Getan hat sich nichts.“

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