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Ohne Plastik und VerpackungErster verpackungsfreier Laden in Köln-Sülz

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Köln – Es war der Gedanke an die stetig wachsenden Müllberge, der Olga Witt zum Umdenken brachte. Laut Statistischem Bundesamt verursacht der Deutsche im Schnitt 462 Kilogramm Hausmüll pro Jahr (2014). „Ich wollte das nicht mehr und habe nach einer Lösung für mich gesucht“, sagt die 32-Jährige. Gefunden hat sie das Prinzip „Zero Waste“, kein Abfall: Der nachhaltige Verzicht auf Verpackungen, sei es Kunststoff oder Plastik.

Das war vor drei Jahren. Heute lebt Witt mit ihrem Mann Gregor und seinen drei Kindern in Sülz weitestgehend verpackungsfrei – eine Umstellung von heute auf morgen sei es aber nicht gewesen, betont sie. Der erste Schritt: Taschentücher und Servietten aus Stoff. „Es ist eigentlich ganz einfach und erst mal nicht kostenintensiv, sich im Alltag umzustellen“, so Olga Witt. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – warum sich also nicht daran gewöhnen, ohne Müll zu leben?“

Seine Zähne putzt das Paar mit einer Bambuszahnbürste, Haarseife dient als Shampoo-Ersatz, Gregor Witt rasiert sich mit einem Rasierhobel. „Wir achten darauf, welche Rohstoffe wir benutzen und wie gut sie zu recyceln sind“, so der 43-Jährige, der als Berater im medizinischen Bereich arbeitet. In der Speisekammer des Paares reihen sich Einmachgläser und Gefäße mit Nudeln, Reis und Sonnenblumenkernen aneinander. Nur im Bad gibt es ein paar Shampoo-Flaschen: „Meine Tochter ist 15 und möchte keine Haarseife benutzen“, sagt Gregor Witt mit einem Achselzucken. Fertiggerichte habe er aber strikt aus der Küche verbannt.

„Coffee to go“ wird einfach in mitgebrachte Becher gefüllt

Den bewussten Umgang mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Lebens dokumentiert Olga Witt in einem Internet-Blog. Für das Projekt hängte die studierte Architektin sogar ihren Job an den Nagel. In einem Onlineshop verkauft das Paar mittlerweile alles, was man für ein verpackungsfreies Leben braucht: von der Menstruationstasse bis zum Einkaufssäckchen. Für Interessierte geben sie auch Workshops.

Gerade hat das Paar einen Mietvertrag für ihren „Zero Waste“-Laden in Sülz unterschrieben. Auf der Berrenrather Straße 406, in der ehemaligen Bäckerei Heilinger, sollen auf 36 Quadratmetern ausschließlich unverpackte Lebensmittel über den Ladentisch gehen. Reis, Nudeln, Hülsenfrüchte, Gewürze, Tee, Kaffee, Nüsse, Trockenfrüchte – die Liste, die Gregor Witt aufzählt, ist lang. Waschsoda und Natronlauge ersetzen Waschmittel, „Coffee to go“ wird in mitgebrachte Becher gefüllt. „Und es gibt unverpackte Süßigkeiten“, ergänzt seine Frau, die bisher auf verpackte Schokoriegel verzichtet hatte. Der Zuspruch sei enorm: Schon vor der Eröffnung haben sich Etliche für eine Einkaufsgemeinschaft angemeldet. Für 12 Euro pro Monat und Familie gibt es für Mitglieder vergünstigte Lebensmittel.

Bald tüten- und plastiklos in Sülz einkaufen

In Köln ist es der erste verpackungsfreie Laden, bundesweit gibt es rund 20 solcher Geschäfte. Gleichgesinnte gibt es viele: Etwa Philip Birkenstock vom Projekt „Tuetenlos“, der versuchte hatte, einen Laden mit ähnlichem Konzept in der Südstadt zu realisieren. Er hat sich dem Paar aus Sülz angeschlossen. Zusammen starten sie ab Mitte Mai eine Crowdfunding-Kampagne um den Ladenausbau zu finanzieren. Eine kleine Außengastronomie ist auch geplant.

Die Eröffnung ist für Juli oder August geplant. Für die Familie kein ganz passender Zeitpunkt: Die hochschwangere Olga Witt erwartet Anfang Juni das erste gemeinsame Kind. „Ich werde erst mal gar nichts kaufen“, so die werdende Mutter, „wir probieren es windelfrei.“

www.zerowastelifestyle.de

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