RheinseilbahnKölner Feuerwehr muss 65 Passagiere aus Gondeln retten

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Köln – Erleichterter Applaus brandet am Rheinufer und oben auf der Zoobrücke auf, wo Hunderte Schaulustige stehen und auf die Rheinseilbahn starren. Es ist 16.57 Uhr an diesem Sonntag als die Höhenretter der Feuerwehr einen Vater und seinen Sohn zunächst aus einer Gondel in den Korb einer komplett ausgefahrenen Drehleiter abseilen und dann auf sicheren Boden hinabfahren. Zehn Minuten später folgt die Mutter mit dem zweiten Sohn. Wieder applaudieren die Menschen.

Schaulustige klatschen bei jedem Geretteten

Er habe das Unglück kommen sehen, erzählt der Vater den Rettern. „Mitten über dem Rhein hat sich ein Seil an unserer Gondel verfangen, es schliff die ganze Zeit an der Gondel. Ich dachte: Warum hängen wir in dem Seil und die anderen Gondeln nicht? Als wir auf den Pylon zufuhren, wusste ich schon, was passieren wird“, berichtet er und zieht zur Beruhigung an einer Zigarette. Es ist der Moment, in dem sich der bislang schwerste Zwischenfall in der Geschichte der Seilbahn ereignet. 65 Menschen müssen aus 32 Gondeln gerettet werden. Und das im Jubiläumsjahr, denn seit 60 Jahren ist die Seilbahn in Betrieb.

Wie es zu dem Unglück kommen konnte, erklärt Thomas Miebach, Technischer Leiter der Rheinseilbahn, wenig später. „Das Hilfsseil hat sich um die Gondel gewickelt und am Pylon das Fahrwerk entgleisen lassen“, berichtet er. Über die Ursache könne er noch keine Angaben machen, der exakte Ablauf des Zwischenfalls müsse in den kommenden Tagen geklärt werden. „So etwas ist noch nie passiert“, sagt er und macht klar: Dieses Unglück ist nicht mit dem Zwischenfall im Oktober 2014 zu vergleichen, als eine Windböe dafür sorgte, dass sich der Entgleisungsschutz einer Gondel unter das Tragseil klemmte und mehrere Menschen aus den Kabinen abgeseilt werden mussten (siehe Kasten). Der Wind habe beim jetzigen Unglück keine Rolle gespielt. Bevor er all dies sagt, bittet Miebach alle Betroffenen „in aller Form um Entschuldigung“.

Alles zum Thema Henriette Reker

Für die Feuerwehr ist es der Beginn eines Großeinsatzes. Der Notruf geht um 15.25 Uhr ein. Weil die eigenen Höhenretter allein viel zu lange für die Evakuierung der Gondeln bräuchten, werden auch die Höhenretter aus Aachen und Düsseldorf alarmiert. Mehrere Werkfeuerwehren rücken mit Hub-Fahrzeugen an, die Feuerwehr aus Bonn schickt ihr Löschboot. „Ein herausragender Einsatz, der uns nicht unvorbereitet trifft. Aber unsere eigenen Höhenretter wären völlig überlastet“, betont Feuerwehrchef Johannes Feyrer. Erst vorige Woche hatten die Höhenretter an der Unglücksgondel die Rettung von Passagieren geprobt.

Bis 18 Uhr haben die Retter knapp die Hälfte der Fahrgäste auf den Boden geholt. Die Mutter eines kleinen Mädchens bricht nach der Rettung in Tränen aus. Sanitäter kümmern sich um die Geretteten, notieren Personalien und bieten Hilfe an. Zwei Passagiere klagen über Kreislaufprobleme und werden vorsorglich in eine Klinik gebracht. Die Zoobrücke ist für die Rettungsaktion komplett gesperrt, denn die Feuerwehr fährt von der Brücke aus mit Drehleitern zu den Gondeln. Einige ältere Menschen fächern sich in den stickigen Gondeln Luft zu. Wer Pech hat, sitzt in einer Kabine, die mit der Drehleiter nicht zu erreichen ist. Höhenretter seilen die Menschen auf ein Feuerwehrboot ab. Hin und wieder fährt ein Ausflugsschiff vorbei – deren Passagiere erleben hier die aufregendste Sehenswürdigkeit des Tages.

Betrieben wird die Seilbahn von einem Tochterunternehmen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Deren Vorstand, Jörn Schwarze, eilt ebenso zum Unglücksort wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie fordert die KVB auf, im Hauptausschuss, der am heutigen Montag ansteht, einen Bericht zu dem „erneuten technischen Versagen“ abzugeben. Während sie spricht, seilen die Retter eine Familie ab. Die Zuschauer applaudieren, Reker ebenfalls. Gegen 20.10 Uhr sind alle Fahrgäste am Boden.

Panne schon 2014

Im Oktober 2014 hatte sich bei starkem Wind ein Unglück an der Seilbahn ereignet.  Damals war eine Gondel  zur Seite gedrückt worden, so dass sich ein Kabinenblech  verklemmte. Eine vierköpfige Familie musste aus der Gondel auf ein Boot abgeseilt werden. Zwei amerikanische Touristen wurden per Drehleiter gerettet.

Danach  wurde der Seilbahn-Betrieb bei Böen von mehr als 57 Stundenkilometern  eingestellt.  Seilbahn-Experten aus Österreich entwickelten dann eine  Technik, die eine ähnliche Havarie ausschließen sollte. Ein so genannter Einweiser sorgt dafür, dass die Kabinen an den Pylonen unfallfrei  in die Führungsschiene finden.

Die neuen Sicherungsmaßnahmen wurden später  vom TÜV abgenommen. Seither darf die Seilbahn auch bei stärkerem Wind  fahren.  Zwischenfälle hat es seitdem  nicht mehr gegeben – bis zu diesem Sonntag. (EB)

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