Silvester-Bahnhofs-Videos unter VerschlussLandtagsausschuss hat noch keinen Zugriff

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BIld Silvester

Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof

Köln – Das Urteil ist vernichtend: „Ich hätte nicht zu träumen gewagt, wie schlecht Bundespolizei, Polizei Köln und Stadt Köln, die in der Silvesternacht hätten zusammenarbeiten müssen, zusammengewirkt haben“, lautet das Zwischenfazit des Kölner Landtagsabgeordneten Martin Börschel (SPD) rund drei Monate nach dem Start des Untersuchungsausschusses. Dieser soll die Abläufe in der Silvesternacht, die Planung und die Kommunikation der Behörden im Anschluss unter die Lupe nehmen. Börschel ist stellvertretender Vorsitzender. Er betont, dass die eingesetzten Kräfte in der Nacht alle ihr Bestes gegeben hätten. „Denen gilt mein Respekt“ Jedoch: „Die Kommunikation war eine Katastrophe.“

Parteiübergreifende Erschütterung

Die Erschütterung ist im Ausschuss parteiübergreifend. Marc Lürbke (FDP) sagt. „Es stellen sich immer mehr strukturelle Probleme heraus, und da hat das Land NRW natürlich auch eine gewisse Aufsichtsfunktion.“ Die Christdemokratin Ina Scharrenbach wundert sich, dass Innenminister Ralf Jäger (SPD) erst am 4. Januar die Dimensionen der Taten erfasst haben will. Elf Übergriffe, eine Vergewaltigung aus einer 40- bis 50-köpfigen Männergruppe – all dies habe in einer Mitteilung vom 1. Januar an Jäger gestanden. „Wie viele Übergriffe braucht es denn, damit der Landesinnenminister reagiert“, fragt sie.

Bemängelt wurde in der Vergangenheit auch, dass Unterlagen aus der Staatskanzlei fehlten. Die Landesregierung hat das Recht, diese zurückzuhalten, wenn Regierungsgeheimnisse berührt werden. Dieses Vorgehen sorgt in der Öffentlichkeit für Unverständnis. „Ob sie in diesem Fall klug beraten ist, so zu agieren, kann nur die Regierung unter Abwägung aller Umstände entscheiden“, sagt Börschel. Der SPD-Politiker weist darauf hin, dass dem Ausschuss noch keine Aufnahmen aus Überwachungskameras im Bahnhof vorliegen, auch Zeugenaussagen, die Taten im Gebäude betreffen, fehlten. „Anscheinend ist der Bundesminister als Dienstherr der Bundespolizei nicht bereit, einem Landtagsausschuss diese Unterlagen zur Verfügung zustellen.“ Es gebe bislang keine ausreichende Kooperationsbereitschaft. Börschel: „Das wollen wir aber nicht hinnehmen.“ Ein Beweisantrag werde gestellt. Ein Großteil der Strafanzeigen der Silvesternacht stammt aus dem Hauptbahnhof.

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SPD zieht Schlüsse für die Zukunft

Einen weiteren Tatort, den der Ausschuss genauer beleuchten will, ist die Hohenzollernbrücke. Zeugen von Landes- und Bundespolizei schildern eine Massenpanik. Ordnungskräfte der Stadt, die die Brücke überwacht haben, konnten diese nicht bestätigen. Die Klärung dieser Frage ist wichtig, weil die Bundespolizei Kräfte auf die Gleise schicken musste, da sich dort Menschen aufhielten. „„Die Kräfte wären auch im Hauptbahnhof und auf dem Bahnhofsvorplatz dringend gebraucht worden“, sagt Börschel. Im Vorfeld hatte die Bundespolizei auf einer Brückensperrung bestanden. Weil die Stadt eine „Bestreifung“ zugesagt habe, habe man davon abgesehen. Vertreter der Stadt konnten sich im Ausschuss daran nicht erinnern.

Für die Zukunft zieht Börschel folgende Schlüsse: Mehr Personal bei allen Sicherheitsbehörden, die gemeinsam Verantwortung für den Einsatz übernehmen, „perfekte“ Kommunikation im Vorfeld eines Einsatzes und beim Einsatz selbst sowie besser ausgebildete und ausgestattete Kräfte seitens der Stadt.

Die Stellungnahme der Bundespolizei

„Die vorhandenen Videoaufzeichnungen sind alle gesichert worden und liegen dem Polizeipräsidium Köln als zuständiger Strafverfolgungsbehörde zur Auswertung und Strafverfolgung vor. Eine Verpflichtung der Bundesregierung zur Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG) gegenüber dem Landtag in Nordrhein-Westfalen besteht, soweit dadurch eine Kontrolle der Behörden in Nordrhein-Westfalen durch den Landtag ermöglicht wird.

Ausgenommen von der Untersuchungskompetenz eines Landesparlaments sind jedoch Angelegenheiten, die entweder nicht zu den Landesaufgaben gehören oder in die ausschließliche Kompetenz anderer Verfassungsorgane fallen. Auf bundesrechtliche oder bundespolitische Beweisthemen darf sich die Untersuchung nicht erstrecken.

Unter dieser verfassungsrechtlichen Maßgabe haben das Bundesministerium des Innern und die Bundespolizei bisher die Tätigkeit des PUA (Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, d. Red.) unterstützt, unter anderem Aussagegenehmigungen für Angehörige der Bundespolizei erteilt sowie Unterlagen im Sinne der Beweisbeschlüsse des PUA zur Verfügung gestellt.“ (sol)

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