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SilvesterLeuchtende Hoffnungszeichen: Kölns Jahreswechsel der anderen Art

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Der Chor „Grenzenlos“ sang auf der Freitreppe.

Der Chor „Grenzenlos“ sang auf der Freitreppe.

Köln – „Weisheit“, „Mut“, „Besinnung“. Die projizierten Worte leuchten in die Nacht, sphärische Klänge schallen über die Domplatte, die Menschen spiegeln sich in den Lichtstrahlern. Sie nehmen die Kreide, die auf dem Boden bereit steht, malen Blumen aufs Pflaster und ziehen die Wörter nach. Es kann in diesen Zeiten nichts schaden, die Botschaften noch etwas deutlicher zu machen.

Die Menschen genießen das Lichterspiel in dieser besonderen Kölner Nacht. „Schade, dass erst so etwas Schlimmes passieren musste, damit wir das erleben können“, sagen viele. Und sie danken den fröstelnden Polizisten und den Hunderten anderen Helfern. Zwei Kleinkünstler pusten Seifenblasen ins Dunkel, auf dem Platz füllen die Menschen die Speicherkarten ihrer Smartphones. „Ich hoffe, dass wir in Köln nun einen Schlussstrich unter die Debatte zu den Übergriffen ziehen können“, sagt Claudia Bruggaier. Da war noch nicht bekannt, dass die Polizei am Hauptbahnhof erneut stark gefordert ist.

Köln hat viel von seiner schunkelnden Unschuld zurück

Bereits kurz nach 17 Uhr hatte der Chor „Grenzenlos“ auf der Freitreppe vor dem Hauptbahnhof diesen besonderen Jahreswechsel eingeläutet. Flüchtlinge unter anderem aus Nigeria und dem Kongo singen mit kölschen Jugendlichen „We are the World“ und „Hallelujah“. OB Henriette Reker stimmt mit Henning Krautmacher ein, und Köln hat in diesem Moment ganz viel von seiner schunkelnden Unschuld zurück.

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Die Kontrollen am abgesperrten Bereich rund um den Dom funktionieren reibungslos. An 50 Einlasspunkten stehen Ordner bereit, leuchten in die Taschen der Besucher, tasten sie nach Raketen oder Böllern ab. Insgesamt 225 Kilogramm Feuerwerkskörper geben die Besucher ab. Um Mitternacht wird gefeiert – ohne Knalleffekte.

„Es hätte gar nicht besser laufen können“, sagt Lichtkünstler Philipp Geist. Die Leute hätten das Kunstwerk wunderbar angenommen und sich mit den Worten durch den neu geschaffenen Raum bewegt. Rainer Maria Kardinal Woelki freute sich, dass der Jahresabschlussgottesdienst wieder in geordneter Form gefeiert werden konnte. „Die Installation finde ich anregend und spannend, vor allem, weil hier Werte zum Ausdruck kommen.“

Auch an anderen Stellen der Stadt geht es dieses Mal deutlich ruhiger zu. Der Fußgängerweg der Hohenzollernbrücke ist ab 16 Uhr gesperrt, vor einem Jahr war hier Massenpanik augebrochen. Der Rheinboulevard, der einen schönen Blick auf das Feuerwerk bieten würde, ist ebenfalls verwaist. Am Rheinufer und auf den Brücken ist deutlich weniger Betrieb. Auf der Deutzer Brücke sind um Mitternacht nicht halb so viel Menschen wie im Vorjahr zu sehen. Schwere Polizeiwagen versperren die Zufahrt zu den Brücken, am Rheinufer sind Betonsperren installiert. Die Polizei ist präsent, als die Korken knallen wacht sie, dass keine Flaschen in die Menge fliegen. Die meisten Besucher begrüßen die Sicherheitsmaßnahmen, andere fühlen sich unwohl. „Ich finde es bedrückend, das zu erleben“, sagt Anette Ottersbach. „So viel Polizei. Mit ausgelassener Silvesterfeier hat das nichts zu tun.“

Auf der Domplatte singt vor dem Jahreswechsel ein Gospelchor mit vielen Sängern, die sich kurzfristig gemeldet haben. Im Rathaus sitzen Vertreter von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsdienst und beraten immer wieder die Lage. Um zwei Uhr gibt es die letzte Pressekonferenz der Nacht. Die Bilanz fällt positiv aus.

Eins der projizierten Wörter auf der Domplatte heißt „Gelassenheit“. Schöne Idee.

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