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SternsingerFlüchtlinge aus dem Morgenland ziehen durch Köln

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Köln – Nebiy, Midya und Ali sind reich. Reich wie Könige. Auch wenn sie auf ihrer Flucht alles verloren haben. Ihre Gaben verteilen sie in diesen Tagen an Kölner Haustüren: Ali aus Syrien hat Brötchen gebacken, die er in Alufolie gewickelt in einer goldenen Dose vor sich her trägt. Midya aus dem Iran hat eine alte Zigarrenschachtel dabei, darin handgeschriebene Briefe, deren Worte zum Nachdenken anregen. Nebiys Hände sind leer. Der Eritreer verteilt Liebe und öffnet seine Arme für eine große Umarmung.

Die drei jungen Flüchtlinge werden begleitet von der Kölner Künstlerin katharinajej. Sie hat sich das Sternsinger-Projekt ausgedacht. „Ich fand den Gedanken, an fremden Haustüren zu klingeln und mit den Menschen in Kontakt zu kommen, schon immer faszinierend“, sagt sie. „Und wo ist das einfacher als bei den Sternsingern?“

Nebiy, Midya und Ali kommen im Unterschied zu den meisten Kindern, die als Caspar, Melchior und Balthasar unterwegs sind, allerdings tatsächlich aus dem Morgenland. „Die Geflüchteten werden bei uns nicht als Könige betrachtet“, so die Künstlerin. Dass diese Menschen dennoch reich seien und diesen Reichtum weitergeben wollen – das soll die künstlerische Intervention vermitteln.

„Wir kommen daher aus dem Morgenland“

Für Midya bedeutet das viel. Der Iraner kam vor einem Jahr nach Deutschland und lebt in einem Container in der Flüchtlingsunterkunft an der Herkulesstraße. Auch dort suchte katharinajej nach Flüchtlingen für das Projekt. „Ich wollte gerne was mit Kunst machen. Und meine Sprache verbessern“, erklärt er. In seinem sehr persönlichen Brief äußert der Geflüchtete einen weiteren Wunsch: „Ich liebe die hier Lebenden und möchte mit ihnen genauso wie mit Dir in Frieden wohnen.“

An den Haustüren in Bickendorf singen sie an diesem Tag mehr als ein Dutzend Mal ihr umgedichtetes Sternsingerlied: „Wir kommen daher aus dem Morgenland.“ Aus Weihrauch, Myrrhe und Gold werden da Liebe, Brot und Wort; aus Frohsinn, Friede und Einigkeit werden Liebe, Nähe und Verbundenheit. „Eine sehr schöne Aktion“, findet Barbara Nowak, als die drei Könige an ihrer Tür klingeln.

Ob sie denn in Konkurrenz zur Kirche stehen, will sie von der Gruppe wissen? Denn auch ihre Söhne gehen als Sternsinger los. katharinajej, die eigentlich Katharina Lima heißt, kann sie beruhigen: Mit der Kirchengemeinde im Viertel ist die Aktion im Vorfeld besprochen worden. Die Künstlerin ist darin erprobt, arbeitet oft im öffentlichen Raum. Mit Julia Dick bildet sie seit 2007 das Performance-Duo „katze und krieg“.

Lange geprobt

Anderthalb Monate haben sie für die Sternsinger-Aktion geprobt, dreimal in der Woche. „Da es ein christlicher Brauch ist, war ihnen das Sternsingen vorher nicht bekannt“, so die Künstlerin. Ali, der seit knapp einem Jahr in Merheim lebt, ist Moslem. Von den drei Weisen aus dem Morgenland hörte er in Deutschland zum ersten Mal. Ein Problem mit den christlichen Bräuchen hat er aber nicht: „Ich liebe alle Religionen“, sagt Ali. „Wir haben alle denselben Gott.“

Bevor Midya ihr Zeichen mit gelber Kreide an die Tür malt – eine Krone und ihre Anfangsbuchstaben N, A und M –, lädt die Kölner Künstlerin auch die Familie Nowak zu einem Wiedersehen bei einem „Königsfest“ am 15. Januar ein. „Um in Kontakt zu kommen“, sagt katharinajej und erklärt: „Wenn uns jemand Geld spenden möchte, dann wird es für dieses Fest genutzt.“ Heute wollen die drei Könige ihre Gaben in Ehrenfeld und im Belgischen Viertel verteilen.

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