Syrer demonstrieren in Köln gegen Sexismus„Es geht um den Respekt füreinander!“

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Nach den Silvester-Übergriffen demonstrieren Syrer in Köln gegen Sexismus und Rassismus.

Nach den Silvester-Übergriffen demonstrieren Syrer in Köln gegen Sexismus und Rassismus.

Köln – Sie verteilen Rosen an vorbeigehende Frauen, an dem Ort, wo vor fast genau zwei Wochen Hunderte nach bisherigen Erkenntnissen auch von Flüchtlingen sexuell belästigt und beraubt wurden. Frauen und Männer, die vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern geflüchtet und erst seit wenigen Monaten in Köln sind, melden sich nacheinander auf der Bühne vor dem Eingangsportal des Hauptbahnhofs zu Wort.

Sie sprechen auf Englisch oder in ihrer Muttersprache, eine Dolmetscherin übersetzt ins Deutsche: „Wir achten die Werte der deutschen Gesellschaft und sind gegen Sexismus“, spricht Esar aus Afghanistan ins Mikrophon. „Wir hoffen, dass die Täter der Silvesternacht bestraft werden“, sagt eine junge Frau aus Syrien entschlossen.

Auf Handzetteln, die junge Männer zwischen mit den Rosen verteilen, steht: „In Solidarität mit den Opfern sexueller Übergriffe verurteilen wir jede Art von Belästigung, Rassismus, Gewalt und Hass.“

Aufgewühlt und empört

Die Initiative zur Demo kam von den Flüchtlingen selbst. Eine Lehrerin, die Deutschkurse für Flüchtlinge gibt, berichtet vom Beginn ihres neuen Kurses vor zwei Wochen: „Ich habe überlegt, ob ich das, was in der Silvesternacht passiert ist, ansprechen soll. Aber meine Kursteilnehmer begannen von sich aus darüber zu sprechen. Sie waren sehr aufgewühlt und empört über die Ereignisse.“

Rund 400 Demonstranten waren gekommen. Angekündigt waren mehr. „Es liegt vielleicht auch an den sehr winterlichen Temperaturen“, vermutet einer der ehrenamtlichen Helfer von einer Nippeser Willkommensinitiative.

Die meisten Passanten reagierten positiv auf die Aktion, die vollkommen friedlich und ohne Zwischenfälle ablief: „Das ist ein wichtiges Signal von Seiten der Flüchtlinge“, findet Herbert Schmitz, der zufällig vorbei kommt. „Wieso sollen die sich für etwas entschuldigen, was andere verbrochen haben?“, fragt hingegen ein Student.

Fast schon flehentlich wirken manche Plakataufschriften: „Wir haben alles verloren, um hier sicher und in Frieden leben zu können. Wir möchten Teil der deutschen Gesellschaft werden.“

Unschuldige an den Pranger gestellt

Demo-Teilnehmerin Christa Baldus-Heep aus Holweide macht sich Sorgen: „Ich merke, wie die Stimmung gegenüber Flüchtlingen kippt, besonders im Internet.“ Gegen diese neue Welle von Ressentiments gegen Flüchtlinge und Angriffe gegen Kölner mit Migrationshintergrund in der Innenstadt müsse man Zeichen setzen: „So was haben wir vor 80 Jahren schon mal gehabt, und wenn man nicht früh genug entgegensteuert, dann passiert es womöglich wieder.“

Auch Berthold Berghoff aus Köln sieht das ähnlich: „Es tut mir unendlich leid, dass die, die nichts dafür können, an den Pranger gestellt werden.“

Sexualisierte Gewalt ist Alltag

Rund um den Dom gab es am Wochenende weitere Protestaktionen: Zum spontanen „Flashmob“ trafen sich am Samstagabend auf der Domplatte friedlich Demonstranten gegen Rassismus und Sexismus. Zum „Women Walk Cologne“ aufgerufen hatte für gestern eine Gruppe Kölnerinnen, die sich überparteilich gegen sexualisierte Gewalt einsetzen – „unabhängig von Religion und Nationalität: Sexualisierte Gewalt und Beleidigung ist Alltag, auch an Karneval oder auf dem Oktoberfest!“, betonte Francois Maiorano auf dem Roncalliplatz. „Es geht um Respekt füreinander!“ Mit Transparenten wie „Finger weg, wir entscheiden selbst“ oder „Nein ist Nein, Sexualstrafrechtsreform jetzt“ zogen Hunderte Frauen und einige Männer zum Neumarkt.

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