„Wir sind doch Schwestern“Gesthuysens Bestseller wird in Müddersheim verfilmt

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In St. Amandus drängten sich die Fotografen, um die Hauptdarsteller und Romanautorin Anne Gesthuysen abzulichten.

In St. Amandus drängten sich die Fotografen, um die Hauptdarsteller und Romanautorin Anne Gesthuysen abzulichten.

Müdderheim – Vor dem Altar der Pfarrkirche St. Amandus mit ihrer reichhaltigen Rokoko-Ausstattung warten mehr als ein Dutzend Fotografen. Objektive sind auf den dunklen, nach Weihrauch riechenden Kirchenraum gerichtet. Die Szene wirkt surreal: Der Platz, an dem sonst der Pfarrer steht und mit den Gläubigen betet, ist den Fotografen zugewiesen. Herumlaufen sollen sie nicht, schließlich kommen gleich die Filmstars.

Hinter einem roten Vorhang lugt Schauspielerin Jutta Speidel hervor. „Hallo, Meute!“, ruft sie in Richtung der Fotografen, winkt kurz – und verschwindet wieder. Das machen Stars wohl so. In dem sonst so ruhigen Müddersheim mit seinen knapp 730 Einwohnern ist man einen unvoreingenommenen Umgang gewöhnt. Doch an diesem Nachmittag lässt sich keiner der Bewohner an der Kirche und am Pfarrheim an der Amandusstraße blicken. Dass auch „Tatort“-Star Benjamin Sadler im Ort ist, scheint wenig interessant.

Die Dreharbeiten und der Medienrummel wirken ein wenig fremd für den Ort an der B477 nördlich von Zülpich. TV-Moderator Frank Plasberg mischt sich unter die Filmemacher. Den kennen die Müddersheimer. Doch es geht hier nicht um ihn und seinen Sohn, sondern um seine Ehefrau, die ehemalige Moderatorin Anne Gesthuysen. Ihren Roman „Wir sind doch Schwestern“ hat Grimme-Preisträgerin Heide Schwochow in ein Drehbuch umgewandelt.

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„Der Ort riecht nach Geschichte“

Till Endemann führt Regie. Er raucht eine Zigarette und sagt: „Der Ort hier riecht nach Geschichte.“ Für die Müddesheimer riecht es nach Benzin und Diesel, entlang der Ortsdurchfahrt sind viele Autos geparkt. Ein Gelenkbus hat Mühe, die Bushaltestelle zu erreichen. Rund 100 Komparsen sind in der Kirche eingesetzt. Es wird eine Szene gespielt, in der es um einen Geburtstagsgottesdienst für Hiltrud Jansen geht, eine der Schwestern, gespielt von Hildegard Schmahl. Die Geburtstagsgäste sitzen in den Bänken, die Schwestern betreten die Kirche, nehmen in der ersten Reihe Platz. Ein Pfarrer spricht ein Loblied auf Hiltrud und beginnt mit dem Gottesdienst, die Schwestern beten. So steht es in der Szeneninformation zum Drehtag.

Die eingeladenen Journalisten sehen davon nichts. Schließlich ist es ein Film, da ist vieles geheim, Störungen sind nicht erwünscht. Auch nicht, wenn die Protagonisten zum Gruppenbild neben der Kirche stehen. „Nein, keine Pressefotos“, ruft eine junge Frau mit klobiger Brille: „Die Masken der Schauspieler sind nicht für Außenaufnahmen.“ Wenige Minuten später entsteht das gleiche Gruppenbild im Kircheninneren.

Beim Gespräch im Pfarrheim wird der Trailer vorgestellt. Die Holzstühle knacken ein wenig, die Drehbuchautorin spricht von „Liebe auf den ersten Blick“. Buchautorin Gesthuysen ist gespannt, „wie knapp 400 Seiten in circa 120 Minuten passen sollen“. Drei Jahre dauerte ihre Arbeit an dem Bestseller. Die Filmemacher erklären, dass sie sich freuen, „hier in Müddersheim am Niederrhein zu arbeiten“ – schließlich spielt dort in der Provinz die Geschichte der drei Schwestern. Müddersheim am Niederrhein? Im Film ist das kein Problem.

Beliebte Wasserburg

Der kleine Ort Müddersheim dient immer wieder als Kulisse für Dreharbeiten. Besonders die Wasserburg hat es den Filmleuten angetan. Dort wurden zum Beispiel Szenen für den Film „Rush – Alles für den Sieg“ gedreht, der von den Formel-1-Rennfahrern Niki Lauda und James Hunt handelt. Regisseur war der zweifache Oscar-Preisträger Ron Howard, auch Kameramann Anthony Dod Mantle war bereits mit einem Oscar ausgezeichnet worden.

Erstmals reichen die Dreharbeiten nun bis in den Ort hinein. „Das ist eine neue Dimension“, sagte Ortsvorsteher Jürgen Otto. Es herrsche nun viel Bewegung im Dorf. Beschwerden aus der Bevölkerung habe er noch keine vernommen. Zusammen mit der Gemeindeverwaltung habe man Regelungen für den Verkehr sowie die Parkplätze getroffen und die Bevölkerung informiert. Das Dorfgemeinschaftshaus habe man gerne als Verpflegungsstation zur Verfügung gestellt. „Jeder ist neugierig“, beschrieb Otto die Stimmung im Ort.

Die Aufnahmen in der Kirche verstoßen nicht gegen die guten Sitten. Dies ließ man sich schriftlich versichern, bevor die Drehgenehmigung erteilt wurde, berichtete Pfarrer Gerd Kraus. Küsterin Clarissa Napiralla und ihr Mann Dieter freuen sich, dass die Kirche als Drehort dient. Und Messdiener aus Müddersheim spielen auch im Film Messdiener. (jop)

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