„Herz auf Reisen“Ehepaar wandert für herzkranke Kinder 2000 Kilometer durchs Land

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Brigitte und Reiner Gauß wandern 2000 Kilometer durch Deutschland, um auf das Schicksal herzkranker Kinder aufmerksam zu machen. 

Brigitte und Reiner Gauß wandern 2000 Kilometer durch Deutschland, um auf das Schicksal herzkranker Kinder aufmerksam zu machen. 

Euskirchen – Zehn Wochen alt ist der Sohn von Brigitte und Reiner Gauß, als sie merken, dass etwas nicht stimmt mit ihm. Der Säugling nimmt kein Gewicht zu und so fahren sie besorgt in die nächste Kinderklinik. Dort stellt sich heraus: Ihr Sohn hat einen schweren Herzfehler und muss sofort operiert werden. Ein Schock für die jungen Eltern. „Stirbt er morgen oder übermorgen? 

Das war eine sehr schwere Zeit“, erinnert sich Reiner Gauß. Vom Klinikpersonal erfahren sie vom Bundesverband Herzkranke Kinder. „Wir haben dort zufällig mit einer Frau telefoniert, die einen 16-jährigen Sohn mit genau dem gleichen Herzfehler hatte. Das war für uns eine Perspektive: Das Kind überlebt. Ein Hoffnungsschimmer.“

6000 Kinder kommen in Deutschland jedes Jahr mit einem Herzfehler zur Welt. Erster Ansprechpartner in Euskirchen ist der Kinder-Kardiologe Dr. Wolfgang Köhler, der am Tag fünf bis zehn herzkranke Kinder untersucht. Bei manchen stellt er auch die Erstdiagnose. „Viele Eltern gehen völlig verängstigt und eingeschüchtert nach Hause“, sagt der Euskirchener Kinderarzt.

Es hilft mit anderen betroffenen Eltern zu sprechen

Ist der erste Schock verdaut, türmen sich viele Fragen auf. Um dann nicht in ein Loch zu fallen, helfe es, so der Mediziner, mit Eltern in Kontakt zu kommen, die Ähnliches erlebt haben.

Brigitte und Reiner Gauß fühlten sich von Kliniken und vom Bundesverband Herzkranker Kinder aufgefangen. Mittlerweile engagieren sie sich im Verband, denn sie sagen: Herzkinder müssen mit der schweren Krankheit einen lebenslangen Weg gehen, aber sie sind nicht alleine.

Hilfen bekommen sie in Krankenhäusern, Reha-Stationen und von regionalen Vereinen. Um auf dieses Netz aufmerksam zu machen und Spenden zu sammeln, hatte Reiner Gauß vor zwei Jahren die Idee einer „Herz auf Reisen“-Wanderung.

2000 Kilometer zwischen Freiburg und Kiel

Die ist nun gestartet: Auf 2000 Kilometern zwischen Freiburg und Kiel besuchen die beiden 17 Orte, an denen herzkranken Kindern geholfen wird. Und zwar so: Einmal mit der sozialrechtlichen und psycho-sozialen Hilfe – auch schon vor der Geburt, wenn ein Herzfehler festgestellt wird. Oder mit speziellen Kindersportgruppen, bei denen ein Kardiologe aufpasst, dass die Kinder sich einerseits nicht übernehmen, andererseits aber auch nicht in Watte gepackt werden – auch wenn aus ihnen kein Fußballprofi werden kann.

„Aus unserer Sicht ist es ein Fehler, wenn Kinder sagen: Ich kann das nicht, ich habe ja einen Herzfehler“, sagt Reiner Gauß. Daher befürwortet er, den Kindern nahe zubringen, selbst zu entscheiden. „Sie müssen lernen, ihre Grenzen zu erkennen.“

Um das zu üben, biete der Bundesverband ein breites, familienorientiertes Seminarprogramm mit Kinderfreizeiten, Sportarten zum Ausprobieren, Zirkusprojekten, Reiterwochen und Segelfreizeiten an, erzählt auch Elke Sauer-Roos aus Euskirchen, die selbst einen betroffenen Sohn hat und sich im Verband engagiert.

„Schattenkinder“ – Geschwisterkinder fühlen sich oft abgehängt

„Wenn man immer zusammen mit 20 anderen gesunden Kindern ist und nie der Schnellste, der Sportlichste ist, ist es auch mal ganz schön, eine Woche mit anderen Herzkindern zu verbringen. So waren wir kürzlich im Kletterpark. Dort sind nur die Mutigsten von einer zehn Meter hohen Plattform gesprungen. Das war so eine tolle Erfahrung, das hat den Kindern einen richtigen Schub gegeben“, erzählt sie und strahlt.

Aber auch für Geschwisterkinder, die sich manchmal abgehängt fühlen, engagiert sich der Verband. „Man nennt sie auch „Schattenkinder“, denn sie gehen gerne unter, weil das herzkranke Kind immer im Mittelpunkt steht“, erklärt Sauer-Roos. Für diese Kinder gibt es getrennte Geschwister-Wochenenden.

Das alles wird durch Spenden und viel privates Engagement ermöglicht. Mit Erfolg: Seit Anfang des Jahres gibt es einen gesetzlich vorgeschriebenen Herz-Test für Säuglinge, eine Untersuchung für die sich der Bundesverband Herzkranke Kinder im Bundesausschuss eingesetzt hatte.

Aus Respekt: Orchester gibt Benefizkonzert

Als Brigitte und Reiner Gauß an Euskirchen vorbei Richtung Aachen wandern, haben sie schon viel positives Feedback erfahren. In Tannheim in einer Reha-Klinik haben herzkranke Kinder und Jugendliche ein selbst getextetes Lied für die beiden gesungen, erzählt Brigitte Gauß und zeigt ihre Gänsehaut, die sie bei der Erinnerung immer noch überkommt.

In Bad Marienberg gab das Landespolizeiorchester ein Benefizkonzert. Es spielte auch den Marsch „Gruß an Kiel“ – das ist die letzte Etappe der Reise. Ein Stück lang schwebten über beiden Herz-Luftballons an ihren Rucksäcken. „Wir liefen durch die Stadt und alle Leute lachten. Die freuten sich: Was sind das für zwei, sind die auf Hochzeitsreise?“, grinst Brigitte Gauß.

Den Weg der beiden kann man im Internet verfolgen, dort kann man auch für die Herzkinder-Projekte spenden. Ihren Sohn wird das Ehepaar Gauß übrigens nach Abschluss der Wanderung in Berlin besuchen. Er ist mittlerweile 27 Jahre alt – und seit fünf Wochen Papa.

Weitere Informationen sind unter www.bvhk.de einzulesen.

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