EinkaufenDer Euskirchener Wochenmarkt hat eine lange Tradition

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Am Obst- und Gemüsestand von Ludwig Mahlberg herrscht beim Wochenmarkt in Euskirchen ein reges Treiben.

Am Obst- und Gemüsestand von Ludwig Mahlberg herrscht beim Wochenmarkt in Euskirchen ein reges Treiben.

Euskirchen – Gestellt wird die Frage nicht. Muss sie auch gar nicht. Helmut Meyer und Ludwig Mahlberg verstehen sich auch so. Das wortlose Verständnis kommt nicht von ungefähr, schließlich sehen sich die Männer einmal in der Woche – jeden Samstag auf dem Euskirchener Wochenmarkt.

Mahlberg fragt nicht, ob es ein bisschen mehr sein dürfe, denn Meyer hat sein Einverständnis schon vor dem Ausschlag des Zeigers an der Waage mit einem stummen Kopfnicken gegeben. Meyer kauft an dem Stand des Füssenichers etwas mehr als ein Kilo Kartoffeln – wie jeden Samstag.

Seit 35 Jahren baut Mahlberg samstags seinen Obst- und Gemüsestand auf dem Annaturmplatz auf. Zunächst als Einzelkämpfer. Ein Umstand, der ihm Anja Klein als Unterstützung bescherte. Klein ist heute Verkäuferin bei Mahlberg. Vor fast 24 Jahren war sie noch Kundin. „Weil er alleine hinter der Theke stand, bildeten sich regelmäßig Schlangen und man musste eine gefühlte Ewigkeit warten, bis man bedient wurde“, erinnert sich Klein. Sie habe Mahlberg schließlich gefragt, warum er keine Verstärkung einstelle.

„Er hat nur geantwortet, dass ich ja nächste Woche helfen könne. Das habe ich dann getan. Seitdem bin ich einmal in der Woche Obst- und Gemüseverkäuferin.“

Grünabfälle für Kaninchen

Ein ähnliches „Schicksal“ droht auch Janine Frantzen. Die Psychologiestudentin hilft seit etwa einem Jahr bei dem Füssenicher aus. Zuvor holte sie sich regelmäßig die Grünabfälle für ihre Kaninchen an dem Marktstand ab. Der Füssenicher Mahlberg gehört zu den 30 Marktbeschickern, die samstags in den frühen Morgenstunden ihre Stände auf dem Annaturmplatz aufbauen. 

„Zusätzlich haben sechs Beschicker Verträge für Saisonware wie beispielsweise Spargel, Erdbeeren oder auch Weihnachtsschmuck. Insgesamt ist die Zahl der Beschicker in den vergangenen Jahren aber gesunken“, sagt Silke Winter, Pressesprecherin der Stadt Euskirchen.

Offiziell öffnen die Marktbeschicker ihre Stände jeden Samstag um 7 Uhr. Doch auch die Kunden, die früher auf den Euskirchener Wochenmarkt kommen, werden schon bedient. „Wir haben Stammkunden, die aus der Nachtschicht direkt zum Markt kommen und schon gegen 6.15 Uhr hier sind – praktisch in dem Moment, wenn wir mit dem Aufbau fertig sind“, erzählt Sven Schürheck. Schürheck kommt aus Urfeld in die Kreisstadt und bietet Obst und Gemüse feil.

Der Juniorchef des Familienunternehmens wurde vor 20 Jahren während des ersten Euskirchener Markttages des Urfelder Betriebs geboren. „Wir haben viele Stammkunden, mit denen man sich nicht nur über Kartoffel, Spargel und Erdbeeren austauscht“, sagt er und gibt zu: „Das frühe Aufstehen und der Aufbau fallen im Sommer doch wesentlich leichter als in den Wintermonaten.“

Regelmäßig werde der Stand kontrolliert. „Wir sind sogar schon daraufhin untersucht worden, ob unser angebotener Spargel tatsächlich aus Bornheim kommt. Natürlich haben wir den Test bestanden“, versichert der Juniorchef. Solche Tests seien gut und sinnvoll. Einige Händler würden, so Schürheck, gerne schon mal Spargel aus dem Ausland als regionales Produkt verkaufen. „Allerdings nicht in Euskirchen. Hier herrscht durchweg eine gute Qualität und es gibt ein hohes Angebot an regionalen Produkten.“

Tatsächlich reihen sich im Bereich von Annaturmplatz und Grünstraße allein vier Obst- und Gemüsestände aneinander. „Eine solche Auswahl hat man doch in keinem Supermarkt. Und der Service und die Bedienung hier spielt doch in einer ganz anderen Liga“, lobt Hermann Fechner, dessen prall gefüllte grüne Tüten gerade zu überlegen scheinen, ob sie bis zum Auto durchhalten oder vor lauter Gewicht einfach nachgeben sollen. Seit mehr als 50 Jahren komme er auf den Wochenmarkt.

„Man sieht häufig dieselben Gesichter. Manchmal denke ich, dass das hier eine Art Familie ist“, sagt der Euskirchener. Früher sei er mit dem Rad gekommen, heute nehme er lieber das Auto. „Ich war mit meinen Eltern das erste Mal hier. Ich stand immer fasziniert vor den Kaninchen und Hühnern. Und war froh, wenn ich beim Metzger eine Scheibe Fleischwurst bekam“, erinnert er sich. Die bekomme er heute nicht mehr, sagt er schmunzelnd.

Die Stände mit Kaninchen, Enten, Wellensittichen und natürlich Hühnern gibt es immer noch. Einen davon betreiben Kerstin Timp und ihr Lebensgefährte Guido Heuser. Jeden Samstag macht sich das Paar um 3 Uhr auf die anderthalbstündige Fahrt aus Windeck nach Euskirchen. Eine Fahrt, die sich lohne, so Timp: „Die Leute wissen, dass sie hier gute und gesunde Hühner und andere Tiere erhalten.“

Spontankäufe gebe es nicht. „Keiner kauft sich einfach so ein Huhn. Die Überlegungen werden vorher angestellt.“ Mit 150 Hühnern hat sich das Duo an diesem Samstag auf den Weg gemacht. Ein Großteil tritt die Rückreise nicht mehr mit an. „Viele Kunden haben keine Lust mehr auf Eier aus dem Supermarkt und investieren in Hühner. Sie wissen dann, dass das Ei, das sie essen, wirklich gut ist“, so Kerstin Timp. Sie fügt hinzu: „Wir werden streng und regelmäßig kontrolliert.“

Das wird nach eigenem Bekunden auch Frank Heyden. Der Stotzheimer Wild- und Geflügelhändler kommt seit mehr als 50 Jahren nach Euskirchen. „Den Markt zeichnet ein besonderes Flair aus. Hier ist der Kunde – so abgedroschen es klingt – noch König“, sagt er. Den Großteil seiner Kunden kennt er mit Namen. Auch seine Verkäuferinnen Michaela Gude und Anita Klanke bilden da keine Ausnahme. „Hallo Frau Meyer, dasselbe wie jede Woche?“, fragt Klanke. Auch hier funktioniert die wortlose Kommunikation.

Ein Nicken genügt. „Ich wollte eigentlich nie auf den Markt, weil ich immer dachte, dass ich hier schreien muss“, sagt Verkäuferin Gude. Ulrike Meyer kommt gerne an den Stand der Stotzheimer: „Hier weiß ich, dass ich gute Qualität bekomme. Das Fleisch ist hier vielleicht ein paar Cent teurer als im Supermarkt, aber das ist es mir wert.“

Die meisten Händler gehören praktisch schon zum Inventar des Wochenmarkts. Die Schwerfenerin Margarete Monius verkauft schon seit mehr als sechs Jahrzehnten Blumen in Euskirchen. Sarah Schmitt kauft bei ihr gleich vier Topfpflanzen für den Garten. Ihr Freund Johannes hält schweigend den Korb und trägt die Blumen zum nächsten Stand. Sehr zum Wohlwollen seiner Freundin – wortloses Verständnis eben.

Die Anfänge reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück

Der Euskirchener Wochenmarkt blickt auf eine lange Tradition zurück. 20 Jahre nach der Verleihung des Stadtrechts durch Walram den Roten im Jahr 1302 wurde Euskirchen 1322 auch das Marktprivileg verliehen. Diesen Umstand haben die Euskirchener Walrams Sohn zu verdanken, Herzog Reynald von Monschau und Falkenburg.

Er erlaubte der Stadt, mittwochs einen Wochenmarkt abzuhalten. Der Mittwoch ist heute aus dem städtischen Marktplan verschwunden.

Aktuell gibt es neben dem „Hauptmarkt“ am Samstag auf dem Annaturmplatz noch zwei weitere Markttage (Dienstag und Donnerstag jeweils ab 8 Uhr) auf dem Klosterplatz.

Der Euskirchener Wochenmarkt ist ein sogenannter Grüner Markt, auf dem hauptsächlich Erzeugnisse der Urproduktion angeboten werden. Das Angebot reicht über Obst, Gemüse und Südfrüchte, Fleischwaren, Geflügel und Eier, Nudeln, Blumen und Pflanzen, Honig, Senf, Backwaren bis hin zu regionalen und überregionalen Spezialitäten.

Donnerstags wird das Angebot durch einen mobilen Imbiss abgerundet. „Verschiedene Anbieter sind auf Waren aus ökologischem Anbau beziehungsweise biologischer Aufzucht spezialisiert“, sagt Euskirchens Pressesprecherin Silke Winter. „Der Wochenmarkt ist für die Kreisstadt sehr wichtig. Während der Samstagsmarkt viele Kunden aus der Umgebung anzieht, dienen die anderen beiden, wesentlich kleineren Märkte der Ergänzung des Lebensmittelangebots im Bereich der Innenstadt für den täglichen Bedarf.“ (tom)

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