HausbesetzerWaschbär bezieht Vogelhäuschen in Gemünd – kein Einzelfall

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Häufig säubern Waschbären ihre Nahrung im Wasser. So erklärt sich der Name des nicht überall beliebten Kerlchens.

Häufig säubern Waschbären ihre Nahrung im Wasser. So erklärt sich der Name des nicht überall beliebten Kerlchens.

Kreis Euskirchen – Da staunte Martina Lennartz aus Gemünd. Ein stattlicher Waschbär hatte es sich des Nachts bequem gemacht in ihrem Vogelhaus auf dem Balkon neben der Urft in Gemünd. Dabei ist bequem relativ, denn das Tier passte kaum in das enge Holzhäuschen. Was nicht passt, wird passend gemacht: Wegen seiner Größe hatte der Waschbär das Häuschen so weit nach oben gedrückt, dass die Nägel, die es an der Fußplatte befestigten, zu sehen waren. Martina Lennartz nutzte die Gelegenheit und „schoss“ ein Handy-Foto.

Das war nicht der erste Besuch des Waschbären. Die Stippvisiten begannen in der Adventszeit. Martina Lennartz hatte reichlich Vogelfutter ins Häuschen gelegt. Am nächsten Morgen lag es umgekippt auf dem Boden. Zunächst dachte sie, dass die Katze am Werk gewesen sein könnte. Am nächsten Tag stellte sie fest, dass das ganze Vogelfutter über Nacht gefressen worden war. „Das konnte kein Vogel gewesen sein“, war sie überzeugt. Der „Verdacht“ fiel auf eine Wasserratte – die sind in diesem Gebiet schließlich heimisch.

Der Waschbär im Gemünder Vogelhaus.

Der Waschbär im Gemünder Vogelhaus.

War das eine Riesenratte?

Am Abend – das Vogelhäuschen war etwas weiter vom Bach weggerückt worden – entdeckte sie den „Hausbesetzer“. Eine Ratte? Eine Riesenratte? Nein. Als sie das Licht am Balkon eingeschaltet und das Fenster geöffnet hatte, erkannte sie das Gesicht: Tatsächlich hatte sich ein Waschbär im engen Vogelhäuschen zusammengerollt – ganz so, als wolle er sich zur Nachtruhe betten. Die Fotosession hat dem Kerlchen womöglich nicht gefallen: Der Waschbär kletterte behäbig vom Vogelhäuschen hinab, schaute Lennartz noch einmal an und ging seiner Wege. Seitdem ist er nicht mehr aufgetaucht.

Der Besuch scheint kein Einzelfall zu sein: Martina Lennartz weiß von einer Bekannten, die im vergangenen Jahr am Höddelbusch in Schleiden eine ganze Waschbärfamilie beobachtet hat. Auch Konrad Stoll aus Hellenthal kennt die Begegnungen mit dem Tier. In seinem Carport lief ihm einmal ein Waschbär über den Fuß. Und im Vorgarten seines Nachbarn hatte er ein ausgebuddeltes Loch in Form eines halben Fußballs – wie sie Waschbären graben – gesehen.

Unerwünschte Spezies

Ein „ständiger Begleiter“ ist der Waschbär im Leben von Forstdirektor Holger Hoffmann vom Arenbergischen Forstamt in Schleiden. Unter anderem im Hellenthaler Wald sei er ihm begegnet. Hoffmann weiß auch von Sichtungen im Oleftal zu berichten.

1934, so Hoffmann, seien am Edersee in Nordhessen die ersten Waschbären in Deutschland ausgesetzt worden: „Von da hat er seinen Siegeszug überall in Deutschland angetreten.“ Das extrem anpassungsfähige Tier habe mit Ausnahme des Menschen keine Feinde. In Nordhessen seien Waschbären eine regelrechte Plage geworden. Hoffmann weiß, dass vor Jahren am Tag nach einer Beerdigung die Gebinde auf dem Grab verwüstet vorgefunden worden seien. Man habe an eine Grabschändung gedacht, bis sich herausstellte, dass Waschbären am Werk waren.

Auch dem Waschhaus neben dem Forsthaus seines Vater haben die intelligenten Tiere mehrfach Besuch abgestattet, erinnert sich Holger Hoffmann. Sie hoben beispielsweise den Metalldeckel eines Zubers ab, um an die dort lagernden Brotabfälle zu gelangen. Der Balken, den sein Vater daraufhin zum Blockieren der Tür angebracht habe, habe die Tiere nicht wirklich gestört: Sie trugen den Balken weg.

„Wir haben seit Jahren Waschbären in der Eifel, aber nicht in so großer Dichte“, so Hoffmann. Wenn man bedenke, dass Weibchen zwei bis vier Junge im Jahr haben, könnten sie sich schnell ausbreiten. Nur durch Bejagung sei dem nachtaktiven Allesfresser beizukommen. „Ich mag ihn einerseits“, sagt Hoffmann: „Aber wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, ist es nicht mehr lustig.“

Da wundert es eher wenig, dass der Waschbär 2016 in die EU-Liste der „unerwünschten Spezies“ aufgenommen wurde. (bk)

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