SchöneseiffenWurde die Rotmilan-Flügel vom Rotor eines Windrads abgetrennt?

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Nach etwa 25 Zentimetern endet die Schwinge des Milans in einer Wunde.

Nach etwa 25 Zentimetern endet die Schwinge des Milans in einer Wunde.

Hellenthal – Hellenthal. Vorsichtig hält Karl Fischer, Leiter der Greifvogelstation, den verletzten Roten Milan und breitet dessen rechten Flügel aus. 1,50 Meter Spannweite kann diese Art eigentlich erreichen.

Doch bei diesem noch namenlosen Exemplar endet die Schwinge nach etwa 25 Zentimetern in einer Wunde. „Der Vogel ist in der vergangenen Woche auf den Wiesen bei den Windkraftanlagen des Windparks Schöneseiffen gefunden worden“, berichtet Fischer. Für Fischer liegt der Verdacht nahe, dass der Flügel von einem der Rotoren abgetrennt wurde, die sich dort oben drehen.

Vogelschlag ist eines der Probleme, die die Nutzung der Windenergie mit sich bringt. Wie hoch die Zahlen sind, ist noch nicht geklärt. Denn von Rotoren getroffene Tiere werden nur sehr selten gefunden. Das liegt nach Erkenntnissen von Naturschützern und Jägern auch daran, dass beispielsweise Füchse die Flächen unter den Windrädern als willkommene Futterstelle entdeckt haben und diese regelmäßig absuchen.

Mehrere Tage Fußgänger

„Der Vogel muss tagelang als Fußgänger unterwegs gewesen sein. Ein Wunder, dass der nicht vom Fuchs oder vom Uhu geholt worden ist“, sagt Fischer.

Bei dem Milan handelt es sich um ein männliches Tier. Der Vogel sei wahrscheinlich im vergangenen Jahr geschlüpft, so Greifvogelexperte Fischer. Einen Horst habe er noch nicht gehabt. Fischers Vermutung: „Vielleicht war er gerade auf der Suche nach einem geeigneten Platz. Oder er wurde beim Bau gestört.“

Geschützt

Besondere Schutzmaßnahmen müssen gemäß europäischer Vogelschutzrichtlinie für den Rotmilan ergriffen werden. Er gehört laut Nabu – wie alle heimischen Greifvögel – zu den streng geschützten Vogelarten im Sinne des Naturschutzgesetzes. Aufgrund einer positiven Entwicklung wurde er aus der Roten Liste gefährdeter Arten „entlassen“.

Regional, insbesondere im Niederrheinischen Tiefland und in der Eifel, drohten Bestände zu erlöschen. Jagdlich unterliege der Rotmilan einer ganzjährigen Schonzeit. Er sei jedoch stark von illegaler Verfolgung betroffen. (pe)

Karl-Heinz Domalewski aus Schöneseiffen hat den Vogel gefunden. „Ich wollte Siloballen holen.“ Wie üblich habe er er den Hund, den er auf seinem Traktor dabei hatte, laufenlassen. Der habe sich sofort aufgemacht, um die Vögel aufzuscheuchen. „Als der Hund darauf zulief, duckte sich das Tier, flatterte und humpelte weg“, erzählt er. Als Domalewski sah, dass der Vogel nicht fliegen konnte, rief er Karl Fischer an. „Ich hatte schließlich keine Handschuhe und habe keine Erfahrung“, sagt er.

Untersucht wurde der verletzte Milan vom Schleidener Tierarzt Martin Böttcher. Für ihn steht nicht zweifelsfrei fest, dass der Flügel von einem Windradrotor abgetrennt wurde. „Eine solche Verletzung kann es durch alle möglichen Unfälle geben“, sagt Böttcher. So sei die Bundesstraße nicht weit vom Fundort entfernt. Auch Autounfälle könnten solche Verletzungen verursachen.

„Der Unfall scheint auf jeden Fall länger her zu sein“, sagt der erfahrene Veterinär. Mindestens zehn Tage, wenn nicht gar einen Monat müsse der Vogel als Fußgänger unterwegs gewesen sein. „Er wird sich von Regenwürmern und Mäusen ernährt haben“, so Fischer. Denn der größte Greifvogel unserer Region gehe nicht auf die Jagd nach Kaninchen oder Hühnern. Dazu sei er nicht wendig genug. Fischer: „Er lebt an Bachläufen und findet dort Mäuse und Kleintiere.“

Die Windräder in Schöneseiffen stehen rund 300 Meter von der Oleftalsperre entfernt, wo die Milane laut Fischer gerne auf Jagd gehen „Für die Tiere ein Katzensprung“, weiß er. Die Windräder erzeugen laut Fischer Töne, die die Vögel in Trance versetzen könnten. Im Suchflug nach Nahrung, in Höhen von 50 bis 100 Metern, könnten sie dann in die Rotoren geraten.

Für seine eigenen Greifvögel, die regelmäßig zu Rundflügen über die Oleftalsperre aufsteigen dürfen, sieht Fischer wenig Gefahr: „Bisher haben wir dort keinen verloren.“ Die Windräder seien sechs Kilometer entfernt. Doch näher sollte es keine Anlagen geben. „Wir haben uns gegen die Pläne gewehrt, am Olefsee weitere Windkraftanlagen zu bauen“, so Fischer. Das Vorhaben wurde vom Hellenthaler Gemeinderat abgelehnt.

Die Zukunft des verletzten Milans ist noch ungeklärt. In der Greifvogelstation lebt er derzeit mit sieben anderen Milanen. „Das geht gut. Milane treten oft in Gruppen auf“, so Fischer. Der Vogel habe sich gut eingelebt. So weiß der verletzte Milan bereits, wie er – ohne zu fliegen – mit wenigen Sätzen auf die Sitzstangen in seiner Voliere kommen kann. Hier wird er zunächst bleiben – in Freiheit hätte er keine Überlebenschance.

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