TraditionBeim Holzrücketag trainierten Mensch und Pferd die Arbeit im Wald

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So geht das: NRW-Holzrückemeister Dirk Zöll und sein „Blauer Belgier“ Irco führen das Holzrücken in Perfektion vor.

So geht das: NRW-Holzrückemeister Dirk Zöll und sein „Blauer Belgier“ Irco führen das Holzrücken in Perfektion vor.

Hellenthal – Was früher auch in den Eifelwäldern weit verbreitet war, ist heute eher selten geworden: das Holzrücken mit Pferden. Es erfuhr nun im Forst beim Hellenthaler Wildfgehege eine Wiederbelebung. Die Chance ließen sich ein Dutzend Teilnehmer mit ihren Kaltblütern nicht entgehen.

Irco setzt sich auf Kommando locker in Bewegung. Er hat zwei eher dünne Fichtenstämme hinter sich – eine leichte Übung für den acht Jahre alten Wallach. 850 Kilogramm Lebendgewicht hat das Belgische Zugpferd, in Insiderkreisen ist die Rasse als „Blauer Belgier“ bekannt. Die beiden Stämme an der Kette hinter ihm, vertäut an einer Eisenstange und am Zuggeschirr befestigt, sind für Irco eher ein Spielzeug. Über das Kummet oder einen anderen Brustschild wird die schier unbändige Kraft des Kaltblüters auf das Zuggespann geleitet. „Der kann bis zu 1,2 Tonnen ziehen“, stellt Dirk Zöll nüchtern fest, während er an der Langleine hinter seinem Holzrückepferd geht.

Die Ruhe selbst

Mit ruhigen Kommandos führt er das Pferd samt angehängtem Holz über den kleinen, schmalen Rückepfad aus dem Wald zum Holzlagerplatz. Weder bricht Irco zur Seite aus, noch weicht er von der Ideallinie ab. Vor dem Wald liegen schon die gerückten Stämme nebeneinander, bereit zum Stapeln oder Abtransport.

An der Langleine ist Zöll die Ruhe selbst. Kein Wunder. Der Udenbrether ist amtierender NRW-Meister im Holzrücken mit Pferden und trainiert auch an diesem Tag für die anstehenden deutschen Meisterschaften.

Vier Jahre dauerte die Ausbildung von Irco zum Holzrückespezialisten. Es ist ein Bewegungs- und Beschäftigungsprogramm, das dem Gemüt der Kaltblüter liegt. Um es in der Praxis auch zielführend umzusetzen, ist Vertrauen zwischen Mensch und Tier unerlässlich – so, wie es Zöll und sein wuchtiger Vierbeiner gerade eindrucksvoll vorführen.

Da schauen auch Norman Asselborn aus Sistig und Tina Franzen aus Reetz beinahe andächtig zu. Franzen hat die fünfjährige Ottilie zum ersten Holzrücketag in der Region im Privatwald von Sascha Hennes mitgebracht. „Wir üben noch“, berichtet Tina Franzen grinsend und tätschelt ihrem Rheinisch-deutschen Kaltblut zärtlich den Kopf. Aus dem gesamten Kreisgebiet, aus Hessen, Roermond und Luxemburg sind ein gutes Dutzend Fans zu diesem Rücketag angereist. Die meisten haben ihre Vierbeiner mitgebracht.

Bei frostigem Wetter brennt am Sammelplatz im Wald ein wärmendes Lagerfeuer für die Kaffeepause. Wärmende Getränke stehen bereit. Viele der Teilnehmer – einige betreiben das Holzrücken mit ihren Kaltblütern im Nebenerwerb, andere als Hobby – kennen sich bereits von einem ersten Theorietreffen im vergangenen Jahr. Auch jetzt steht vor dem ersten Praxistest die Wissensaneignung auf der Tagesordnung.

Sabine Engelmann, die mit Gleichgesinnten über die Facebook-Seite „Die Blauen Belgier“ den Interessentenkreis ins Leben gerufen hat, informiert im Wildpark-Restaurant „Zum Adler“ über Grundlegendes. Es geht zum Beispiel um den Sinn von Schutzkleidung bei der Holzrückearbeit mit Pferden: feste Schuhe mit Stahlkappe etwa, aber auch Helm, und Handschuhe. Wenn ein Pferd von der Größe Ircos unruhig würde und seine Kraft unkontrolliert über die Langleine auf seinen Lenker wirken würde, wären Zölls Handflächen ohne Schutzhandschuhe vermutlich eine einzige, offene Brandwunde. So etwas passiert an diesem Tag in den gut sechs Stunden Holzrückearbeit im Hellenthaler Wald nicht. Obwohl es den Teilnehmern – den zwei- ebenso wie den vierbeinigen – nicht leicht gemacht wird. Um die so traditionelle wie umweltschonende Art des Holzabtransports aus dem Wald möglichst realistisch zu üben, werden auf die Rückepfade etwa quer liegende Baumstämme oder Gestrüpp gelegt. Die Hindernisse gilt es so zu umschiffen, dass möglichst keine Bäume am Wegesrand beschädigt werden.

Die Arbeit macht ihnen nichts aus

Am Nachmittag werden Irco, Ottilie und die anderen Pferde wieder in ihre Anhänger gebracht. Erschöpft wirken die Pferde nicht – die Arbeit scheint ihnen nichts auszumachen. Und auch ihre Besitzer machen einen sehr zufriedenen Eindruck. Ihr Urteil über diesen Tag fällt einstimmig aus: Das machen wir wieder! Im Herbst, wenn Waldbesitzer Sascha Hennes erneut Holz eingeschlagen hat, werden wieder ein paar Dutzend Stämme liegenbleiben. Dann kann auch Tina Franzen aus Reetz mit Ottilie zeigen, wie weit ihre Trainingsfortschritte sind.

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