„Zoom Uphill“ in SchleidenMit geländegängigen Gefährten durch den Nationalpark

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Wie mit einem Unimog können sich Gehbehinderte mit dem geländegängigen Rollstuhl im Wald bewegen.

Wie mit einem Unimog können sich Gehbehinderte mit dem geländegängigen Rollstuhl im Wald bewegen.

Schleiden-Herhahn – Teilhabe ist das aktuelle Schlagwort in Sachen Barrierefreiheit. Am Donnerstag hat der Bundestag das neue Teilhabegesetz verabschiedet. Doch zuweilen gibt es Innovationen, die ganz ohne Gesetzeskraft Menschen mit Behinderungen eine neue Welt eröffnen können. Wer nächster Zeit im Nationalpark Eifel unterwegs sein wird, sollte ein wenig die Augen offenhalten.

Denn es kann sein, dass er einem kleinen Gefährt begegnen wird, das genau dieses leistet. Der „Zoom Uphill“ ist ein geländegängiger Elektro-Rollstuhl – und eröffnet Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit, Natur zu erleben und zu entdecken. Eine Firma aus Herhahn importiert das auf den ersten Blick skurril wirkende, aber durchdachte Gerät nach Deutschland.

Für normale Rollstühle ist bereits ein Bordstein ein Hindernis, die geländegängige Variante hat damit genauso wenig Probleme wie mit Treppenstufen, holprigem Gelände oder einem frisch gepflügten Acker.

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In Deutschland ist der „Zoom“ als Krankenfahrstuhl zugelassen. Doch auch für nicht Gehbehinderte ist er nicht ohne Reiz. Denn das Gerät macht Spaß. Und so entwickelt sich auch eine Probefahrt zum reinen Vergnügen.

Fahrt im Gelände macht Spaß

Ganz ohne Einweisung geht es zwar nicht, denn beim Anfahren wackelt der Zoom doch ordentlich. Und auch die Hemmschwelle, einfach die Straße zu verlassen und eine zugewachsene Böschung hochzufahren, wäre ohne das Vorbild von Karl Zeyen kaum möglich. Er stellt mit freundlichem Grinsen Dinge mit dem Zoom an, die auf den ersten Blick erschreckend wirken. Nach kurzer Überwindungsphase macht das Gefährt einfach Spaß. Beim Sausen über die Wege und Wiesen kommt Freude auf.

Die einzeln angetriebenen Räder sind so flexibel aufgehängt, dass immer alle Bodenkontakt haben und so auch für den nötigen Vortrieb sorgen. In Deutschland muss der Zoom auf 15 Stundenkilometer gedrosselt werden, damit er auf der Straße mit Versicherungskennzeichen gefahren werden darf.

Dass das Ehepaar Zeyen nun den offiziellen Deutschland-Vertrieb von der Eifel aus führt, war nicht geplant. Denn eigentlich verkauft Nicole Zeyen mit ihrem Ehemann Karl im Gewerbegebiet Herhahn Garagentore.

Doch sie hat ein Problem: Bei den regelmäßigen Familientreffen wird gern gewandert, und da sie gehbehindert ist und nur kurze Strecken laufen kann, blieb sie zu Hause. „Ich wollte aber so gerne mitkommen, und da hat mein Mann im Internet nach geländegängigen Rollstühlen gesucht“, erinnert sie sich.

So stieß sie auf den „Zoom“. Der kleine schwedische Hersteller „Zoomability“ baut ihn und verkauft ihn vor allem in die Vereinigten Staaten. Dort stellt der „Independence Fund“ den Zoom Kriegsveteranen zur Verfügung. „Da machen die schon mal Weitsprung-Wettbewerbe mit dem Zoom“, erzählt Karl Zeyen lachend.

Auf den ersten Blick sieht das kleine Gefährt aus wie eine eigenartige Kreuzung zwischen Einkaufswagen und Tretroller. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass in dem Fahrzeug mehr steckt. Die Steigleistungen ähneln eher einem Unimog: 20 Grad Steigefähigkeit (entspricht einer Steigung von 36,4 Prozent), 20 Grad Neigungswinkel, Hindernisse von 18 Zentimeter Höhe können überwunden werden. Die Vorderräder sind versetzt angeordnet, um auch bei gerader Anfahrt Bordsteine überwinden zu können. Das Gerät ist durchdacht, auch die Zeyens haben an vielen Details mitgearbeitet.

Diese neue Art des Naturerlebens ist nun im Nationalpark Eifel möglich, der damit eine Erweiterung der Barrierefreiheit bietet. Zwei Jahre zogen sich die Verhandlungen zwischen der Familie Zeyen und dem Nationalpark hin. Nun ist es amtlich: Im kommenden Jahr werden Touren im Nationalpark mit den Zooms angeboten. Dazu hat sich Nicole Zeyen extra als Waldführerin ausbilden lassen.

Jedoch werden nur bestimmte Routen im Nationalpark dafür freigegeben. „Das ist ähnlich wie bei den Reitern so, dass uns nicht alle Wege offenstehen“, sagte Nicole Zeyen. Dafür wurde der Zoom von den 15 Stundenkilometern, die er auf der Straße fahren darf, auf 6 km/h gedrosselt. Die ersten Touren sind bereits erfolgreich absolviert worden. „Bei einer war die älteste Teilnehmerin 95 Jahre alt, das hat großartig funktioniert“, freute sie sich.

Touren im Nationalpark mit dem behindertengerechten „Zoom“ kosten je nach Länge und mitfahrenden Personen ab 80 Euro. Sie können bei der Familie Zeyen unter Telefon 02444/503456 oder per E-Mail gebucht werden.

info@zoomability.de

Verschiedene Konstruktionen des Elektro-Rollstuhles

Die Idee, Menschen mit Behinderungen Fahrten mit Elektro-Rollstühlen über Stock und Stein zu ermöglichen, hat Ingenieure zu einer Vielzahl verschiedener Konstruktionen inspiriert.

Eine Sonderlösung ist der Segway, der mit einer Achse aufwartet. Drei Achsen hat der in England gefertigte Hexhog Allterrain, der eine Steigfähigkeit von bis zu 50 Prozent hat. Auf drei Rädern ist der Weileder Supersport unterwegs.

Mit Raupenketten statten gleich mehrere Hersteller ihre Rollstühle aus. Dies sind unter anderem der Action Track Chair, der Tomahawk von Rocket Mobility und der Trackmaster, die alle aus den USA stammen sowie der in Österreich gefertigte Ziesel. Kombilösungen haben Otto Bock aus Duderstadt und die US-Firma Freedom Trax im Angebot: Raupenketten werden mit dem normalen Rollstuhl verbunden.

In den mit Raupenketten versehenen Ripchair aus USA wird der Rollstuhl über eine Rampe eingefahren. Vierrad-Lösungen haben mehrere Firmen, darunter Terrain Hopper und Boma 7 aus England, 4power4 aus Haan, cadKat aus Kiel oder Otto Bock. Der Vertrieb läuft meist direkt über die Hersteller. Die Preise sind stark von der Ausstattung abhängig und reichen von rund 8000 Euro bis auf 32000 Euro. Günstiger sind Anbauten für Handrollstühle ab etwa 5000 Euro.

Der hohe Preis stellt für Thomas Jansen, Geschäftsführer des Vitalzentrums Jansen, ein Hindernis für Privatkunden dar. „Die Geräte sind super, allerdings ein Nischenmarkt“, sagt er. Wer auf die Geländegängigkeit Wert lege, sei in der Regel mit einem normalen Quad auch gut bedient. Der Zuschuss der Krankenkassen für E-Scooter betrage rund 3000 Euro. Sinn mache, so Jansen, die Ausstattung von Institutionen wie dem Nationalpark Eifel mit Geräten, die gemietet werden können. (sev)

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