25 Jahre Gesamtschule WeilerswistViel Widerstand bei Gründung – Zeitzeugen berichten

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Bunte Ballons prägten das Bild bei einem Event in der Gesamtschule Weilerswist, die vor 25 Jahren ihren Schulbetrieb startete.

Bunte Ballons prägten das Bild bei einem Event in der Gesamtschule Weilerswist, die vor 25 Jahren ihren Schulbetrieb startete.

Weilerswist – Es war keine einfache Sache damals, die Weilerswister Gesamtschule zu gründen, die vor 25 Jahren ihre Pforten öffnete. Doch es war eine sehr spannende Zeit, konstatieren der ehemalige Weilerswister Bürgermeister Peter Schlösser (SPD), der von 1982 bis 1990 Gemeindedirektor war, und der ehemalige SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, Detlev Schmidt.

„Irgendwann in den 1980er-Jahren rief mich der damalige NRW-Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, Christoph Zöpel, an und sagte mir, ich wäre ja der einzige Rote in einem Rathaus im Kreis Euskirchen und deshalb solle ich dafür sorgen, dass hier eine Gesamtschule errichtet werde“, erzählt Schlösser. Damals hatte die SPD mit den Grünen die Mehrheit im Gemeinderat. Es gab in Weilerswist eine Hauptschule, die aber nicht mehr stark frequentiert war.

„Eine Realschule, das war klar, würde es in Weilerswist nie geben“, war Peter Schlösser schon damals klar. Doch die Sozialdemokraten wollten den Bürgern der Gemeinde die Möglichkeit bieten, ihre Kinder ortsnah auf weiterführende Schulen schicken zu können. Also blieb nur die Gesamtschule. Die Nachbarkommune Bornheim im Rhein-Sieg-Kreis hatte schon vorgemacht, dass eine Gesamtschule auch in einem von der CDU dominierten Umfeld eine Chance hatte.

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Gesamtschule galt als Teufelswerk

Doch nicht so in Weilerswist. „Dass es nicht leicht werden würde, war uns klar, denn für die CDU in Weilerswist war die Gesamtschule damals Teufelswerk“, erinnert sich Detlev Schmidt. Politiker der Union, mit denen er persönlich befreundet war, traten als die härtesten Gegner der von der einstigen Landesregierung propagierten neuen Schulform auf.

Dazu hatte die Gemeinde Weilerswist damals nur 15 000 Einwohner. Von der Landesplanung war überhaupt nicht vorgesehen, dass eine derart kleine Gemeinde sich vergrößern und noch Träger einer teuren weiterführenden Schule werden sollte. „Wir haben in Regierungspräsident Dr. Franz-Josef Antwerpes einen Unterstützer des Projektes gehabt, mit der Kreisverwaltung und Oberkreisdirektor Dr. Karl-Heinz Decker sowie Landrat Josef Linden aber auch profilierte Gegner dieser Schulform, die ja das dreigliedrige System aushebelte“, erinnert sich Schmidt.

Das Gewerbegebiet war damals nicht wie heute ein Magnet für Berufspendler, sondern durch zwei Pleiten großer Firmen nicht sonderlich gut angesehen. Die Anbindung erfolgte über die Autobahnabfahrt an der A 61 in Höhe des Swister Berges. Sämtlicher Schwerverkehr musste von dort durch Weilerswist zu den Betrieben fahren. Die Weiterentwicklung des Gewerbegebietes stand damals ebenso in den Sternen wie das Baugebiet Weilerswist-Süd.

Harte Front der Ablehnung

„In der Fraktion gab es zwei engagierte Befürworter der Gesamtschule“, so Schmidt: „Das war zum einen Kurt Oberle, zum anderen Heinz Lawrenz. Den Rest der Fraktion mussten wir überzeugen. Und wir hatten zudem zwei Grüne an unserer Seite.“

Doch es gab eine Hürde, die die Befürworter neben vielen politischen Hindernissen überwinden mussten: Die Bezirksregierung forderte von den Weilerswistern 112 Anmeldungen bis Februar 1992 für die neue Schule, die im Modus „Drei plus Eins“, also vierzügig, entstehen sollte.

Die Befürworter sahen sich einer harten Front aus Ablehnung gegenüber. „In den Grundschulen wollte niemand seine Schüler auf die Gesamtschule schicken. Die Rektoren und die meisten Lehrer waren strikt dagegen. Aber wir hatten Glück, dass wir mit Gesamtschullehrer Karl-Josef Bergner aus Chorweiler einen sehr engagierten Mitstreiter hatten. Er hat in allen Grundschulen die Gesamtschule vorgestellt und hat viele Eltern von dem Konzept überzeugt, das ja eine ganze Reihe von Schulabschlüssen anbietet, die man sonst in kleinen Gemeinden nicht findet“, sagt Schmidt.

Karl-Josef Bergner erinnert sich im Gespräch mit dieser Zeitung noch gut an die Widerstände, die es damals gab. „Mein Bornheimer Kollege Klaus Breil, der dort schon 1989 eine eher gymnasial ausgerichtete Gesamtschule aufgebaut hatte, hat unsere Eröffnung bekämpft. Er fürchtete, Schüler aus Metternich und Swisttal zu verlieren. Letztendlich hat unsere Schule seiner Schule aber nicht geschadet“, konstatiert Bergner.

Ein großer Schritt sei gewesen, die Weilerswister Schule von der Vier- in die Fünfzügigkeit zu erweitern, um eine solide Grundlage für eine Oberstufe mit Abitur anbieten zu können, so Bergner. In der Gründungsphase habe er in Dorfsälen und Gaststätten für die Schule geworben. „Da haben uns manchmal nur zwei oder drei Menschen gegenüber gesessen“, so Bergner.

Er habe dies als seine Aufgabe angesehen, nachdem die Ratsmehrheit ihn zum designierten Schulleiter bestellt und damit gezeigt habe, dass die Schule eine Zukunft in der Gemeinde habe.

Heute habe man Partnerschulen in aller Welt, radele jährlich mehr als 1400 Kilometer ins südfranzösische Carqueiranne. Bergner hatte für die Startphase prominente Unterstützung: Die Bläck Fööss gaben ein Schulkonzert.

Heute, so Bergner, sei die Schule akzeptiert und werde auch wegen ihrer Qualität von der CDU mitgetragen. Selbst der damalige Bürgermeister Armin Fuß, der anfangs noch Gegner der Gesamtschule gewesen sei, habe die Gesamtschule nach Kräften unterstützt.

Entwicklung

Die neue Schule kostete auch eine ganze Menge Geld. Geld, das die Gemeinde erwirtschaften musste und das im Haushalt dargestellt werden musste. „Da haben wir manche Position im Haushalt wohl schöngerechnet“, räumt der damalige SPD-Fraktionschef Detlev Schmidt ein. Die Kommunalaufsicht beim Kreis habe manche vermeintliche Luftbuchung bemängelt, die Bezirksregierung diese Positionen aber wieder genehmigt, um das Ziel, eine Gesamtschule im Kreisgebiet errichten zu können, nicht zu gefährden.

Es gab weitere Faktoren, durch die die Gesamtschule erst ermöglicht wurde. Etwa der Bau der Querspange, der Verbindung zwischen den Autobahnen A 1 (Weilerswist-West) und A 61 in Höhe des Gewerbegebietes. Das habe das Gewerbegebiet sehr attraktiv gemacht. „Damals kam ganz plötzlich zu unserer SPD-Klausurtagung am Rursee Karl Böse, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und stellte uns ein Ultimatum. Binnen zwei Stunden sollten wir von der damaligen Forderung nach einer Ostumgehung Weilerswists vom Swister Berg zum Gewerbegebiet abrücken und für die Querspange stimmen“, so Schmidt. Ansonsten werde sich in Weilerswist bis 2050 nicht mehr weiterentwickeln.

„Er ging zwei Stunden spazieren. Wir haben das dann in der geforderten Frist hinbekommen und am folgenden Montag nach unserer Klausurtagung unsere Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt. Dafür sind wir von Teilen der CDU ganz übel als Umfaller beschimpft worden“, erinnert sich Detlev Schmidt.

Mit der Querspange und der Verlegung des Autobahnanschlusses ans Gewerbegebiet sei Weilerswist als Wohnort weiterentwickelt worden. Das Neubaugebiet Weilerswist-Süd trage durch die Steuerkraft seiner Bewohner und die damit verbundenen Schlüsselzuweisungen auch zur Finanzierung der Gesamtschule bei. (bz)

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