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Aktionswoche zur SuchtEin Joint wirkt wie eine halbe Flasche Wodka

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Bergneustadt – Dr. Peter Melchers warnte eindringlich: „Eltern, die vor 20 Jahren selbst Joints geraucht haben und denken, es ist harmlos, wenn ihre Kinder das auch machen, haben keine Ahnung! Denn heute ist der enthaltene Wirkstoff um ein Vielfaches höher!“ Gleich zu Anfang der Veranstaltung „Sucht und andere psychische Erkrankungen – Auswirkungen auf Kinder und Eltern“ räumte Melchers, Chefarzt der Jugendpsychiatrie im Kreiskrankenhaus Gummersbach, mit einem Vorurteil auf: „Früher entsprach das Kiffen dem Genuss von einer Flasche Bier – heute wirkt dieselbe Dosis wie eine halbe Flasche Wodka.“

180 Besucher, Lehrer, Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen und Experten der Suchthilfe sind zur Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der Aktionswoche der oberbergischen Fachstelle für Suchtvorbeugung in den Bergneustädter Krawinkelsaal gekommen. Dr. Carla Adelmann, Kinder- und Jugendärztin beim Oberbergischen Kreis, hatte ein sehr informatives Programm zusammengestellt.

So zeigte Peter Melchers Tendenzen auf und belegte sie mit seinen Erfahrungen als Klinikarzt. Tabak spiele als „Einstiegsdroge“ eine enorme Rolle, die Konsumenten würden immer jünger. Das sei besonders gefährlich, denn gerade im Jugendalter verankere sich die Abhängigkeit viel fester im Gehirn als im späteren Lebensalter: „Wer mit 13 oder 14 Jahren nicht angefangen hat, der hat ein geringes Risiko, noch zu beginnen.“ Das gelte auch für die illegalen Drogen, von denen Cannabis im Jugendalter die Hauptrolle spiele. Aber auch Alkohol sei auf dem Vormarsch. Entschieden sprach er sich gegen eine Legalisierung von Cannabis aus.

Andere Beiträge beschäftigten sich ausführlich mit der Situation von Kindern aus „Suchtfamilien“, mit der Prävention und mit Angeboten zur Suchthilfe. Für Staunen sorgte Harald Gaadt von der Kreispolizeibehörde mit seinem Vortrag über „Legal Highs“. Gemeint sind Badesalze und Kräutermischungen, denen ein künstliches Cannabinoid beigemischt wird. Legal seien diese Stoffe seit November 2016 allerdings nicht mehr, da der Gesetzgeber ganze Gruppen von Zutaten verboten habe. Dennoch weiß der Kriminalhauptkommissar, dass die Konsumenten sich weiterhin versorgen können.

Oberberg als Zentrum der Legal-Highs-Produktion

Viele Anbieter hätten einfach die Geschäftsadresse ihrer Homepage ins Ausland verlegt und würde weiter von Deutschland aus versenden. Auch Produkte wie die Trenddroge „Skull“, die hundertmal stärker als Cannabis wirkt. „Die bringt dann der Postbote.“

In Oberberg gebe es nicht viele Konsumenten, dafür umso mehr Produzenten. „Wir kennen allein 20 Onlineshops – ein Großteil Deutschlands ist aus Oberberg versorgt worden.“ Auch wenn gerade eine Razzia in Bergneustadt Erfolg hatte und der Shop „Kiff Paff 24“ geschlossen wurde – es sei schwer, den Händlern beizukommen, weil sie alle zwei bis drei Wochen ihr Geschäft weiterverkauften. So würden Millionengewinne gemacht.

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