Gummersbacher HalleEin Andenken an die Nazi-Spiele

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Ein unscheinbares Dasein führen die „Sportkameraden“ an der alten Sporthalle hinter dem ehemaligen Gymnasium Grotenbach. Ihre Gestaltung entspricht dem Kunstideal der NS-Zeit.

Ein unscheinbares Dasein führen die „Sportkameraden“ an der alten Sporthalle hinter dem ehemaligen Gymnasium Grotenbach. Ihre Gestaltung entspricht dem Kunstideal der NS-Zeit.

Gummersbach – Der Vortrag über die Olympischen Spiele in Berlin von 1936 hatte mehr mit Oberberg zu tun, als die Zuhörer erwarten durften. Nicht jeder Gummersbacher weiß, dass die Bronzefiguren vor der Sporthalle an der Reininghauser Straße ursprünglich ihren Platz direkt vor dem Olympiastadion hatten.

Insofern illustriert das Statuenpaar wunderbar das Thema, zu dem Prof. Dr. Ewald Grothe nun auf Einladung des Bergischen Geschichtsvereins in der Halle 32 sprach. Der Zusammenhang von „Sport und Propaganda“ stand im Mittelpunkt der Ausführungen des Historikers, der im Hauptberuf das „Archiv des Liberalismus“ der Friedrich-Naumann-Stiftung in Niederseßmar leitet.

Filmdokument

Zur Eröffnung des Vortrags in der Halle 32 freute sich Geschichtsvereinsvorsitzender Marcus Dräger, die Vorführung eines Filmdokuments von besonderer lokalhistorischer Bedeutung ankündigen zu können: von Uwe Brustmeier für das Stadtarchiv digitalisierte Aufnahmen von der Feier zum 75-jährigen Bestehen des TV Gummersbach, die im Olympia-Jahr 1936 entstanden sind.

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Stadthistoriker Gerhard Pomykaj glaubt, dass es sich um einen der ältesten Filme der Stadtgeschichte handelt. Man könne daran ablesen, welche besondere gesellschaftliche und politische Bedeutung der Sport im Gummersbach der NS-Zeit gehabt habe. Zu sehen sind Aufnahmen von der Eröffnungsveranstaltung am noch immer bestehenden Jahn-Denkmal im Hexenbuschpark, danach der Umzug über die mit Hakenkreuzflaggen reich dekorierte Kaiserstraße.

Die Abteilungen paradieren nacheinander durch die Stadt, darunter Turner und Feldhandballspieler. Diese sind schließlich auch bei ihren Leibesübungen im Stadion Lochwiese zu sehen. Unter den Spielern, die nach dem Spiel diskutieren, ist die Handballlegende Erwin „Cherry“ Brand zu erkennen.

Aus seinen Archivbeständen hatte er den Zuhörern zwei Sammelalben mitgebracht. Eines der beiden hat einmal dem späteren Bundespräsidenten Walter Scheel gehört. Grothe konnte auch anhand dieses Materials nachweisen, dass die Olympischen Spiele von 1936 ein „Musterbeispiel der Instrumentalisierung des Sports“ für politische Zwecke darstellen. Der immense Aufwand, den das Hitlerregime trieb, habe die Wirkung am Ende aber nicht rechtfertigen können, resümierte Grothe. Hitler und Goebbels wollten dem Bild des vom Ausland kritisch beäugten Reiches Glanz verleihen. Ohne Erfolg, meint Grothe: „Die Presse im Ausland zeigte sich resistent.“

Familie Steinmüller schenkte die Statuen der Stadt

Zur Inszenierung der deutschen Herrenrasse gehörte 1936 auch eine Reihe von Skulpturen, mit denen das Berliner Reichssportfeld dekoriert wurde. Wie Stadthistoriker Gerhard Pomykaj im Anschluss an den Vortrag mitteilte, machte sich der Gummersbacher Industrielle Dr. Lebrecht Steinmüller eine dieser Skulpturen später zu eigen. Während Pomykaj davon ausging, dass es sich um einen Abguss handelt, versichert der Windhagener Gunter Franken, dass es sich um das einzige erhaltene Original aus einer Reihe von gleichartigen Skulpturen handelt.

Das Bronzepaar mit dem Namen „Sportkameraden“ wird einem heute nicht mehr näher identifizierbaren Künstler namens Prof. Seeger zugeschrieben. Sicher ist, dass Lebrecht Steinmüller es zunächst an seinem Jagdhaus im südsauerländischen Rüspe aufstellen ließ. Steinmüller hatte nicht lange Freude daran. Bereits im folgenden Jahr starb er. Das großzügige Anwesen im Sauerland wurde später als Erholungsheim für Steinmüller-Beschäftigte genutzt. Als 1960 die neue Sporthalle an der Reininghauser Straße in Gummersbach eingeweiht werden sollte, kam die Familie Steinmüller auf den Gedanken, die Statuen der Stadt zu schenken. Auf dem Sockel ist zu lesen: „Seiner geliebten Heimatstadt zum Andenken an ihren Sohn Dr. Ing. e.h. Lebrecht Steinmüller.“

Bronzepaar sollte nach Berlin ausgeliehen werden

Zur Folgegeschichte gehört, dass die Statuen beinahe wieder zurück nach Berlin gebracht worden wären. Wie der Philatelist Gunter Franken am Rande des Olympia-Vortrags berichtete, besorgte er sich Mitte der 90er Jahre einen Sonderstempel, den die Stadt Berlin anlässlich ihrer Bewerbung für die Spiele 2000 herausgeben hatte. So wurde man in der Bundeshauptstadt auf Gummersbach aufmerksam. Franken versichert, dass der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen ihn persönlich angerufen habe, um sich dafür einzusetzen, dass das verschollene Bronzepaar nach Berlin ausgeliehen wird.

Als die Berliner Bewerbung scheiterte, hatte sich die Sache erledigt.

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