SteinenbrückAnderthalb Stunden zu Gast auf der Kleingartenanlage „Gartenfreund“

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37 Parzellen ziehen sich einen Hügel hinauf, das ist die Anlage „Gartenfreund. 1951 wurde sie laut Chronik eröffnet. (Fotos: Höhner)

37 Parzellen ziehen sich einen Hügel hinauf, das ist die Anlage „Gartenfreund. 1951 wurde sie laut Chronik eröffnet. (Fotos: Höhner)

Gummerbach – 15.30 Uhr. Anett Schumacher blickt besorgt in den düsteren Himmel über Gummersbach-Steinenbrück. „Na, das gibt noch ’was“, fürchtet die 61-Jährige. Auf dem oberen Parkplatz an der Kleingartenanlage „Gartenfreund“ steht ein blauer Pavillon, darunter sind bereits Bänke und Tisch aufgereiht. Denn heute ist Sommerfest. 37 Gärten befinden sich auf der 1951 eröffneten Anlage, die auf dem Grund und Boden des ehemaligen Guts Steinenbrück in der früheren Gemeinde Gimborn beheimatet ist. Vorsitzende ist Elke Heck (63): „Das Miteinander hier ist immer noch sehr gut, aber man muss auch dafür arbeiten.“

15.44 Uhr. Ilse und Hermann Roscher haben ihre Parzelle am unteren Ende der Gartenanlage, die sich den Hügel hinaufzieht. Wer ganz oben wohnt, kann den Nachbarn ganz unten zuwinken. Etliche Steinstufen führen durch den mit Liebe gepflegten Garten des Ehepaars hinauf zu einer Terrasse und einem Holzhaus. Seit 28 Jahren gehört es ihnen schon. Ein Leben ohne Garten? Undenkbar! „Das ist doch unser Paradies“, erklärt Ilse Roscher (65). Und nicht nur das: Ehemann Hermann (heute 69) hat das Haus selbst entworfen und auch selbst gebaut.

16.04 Uhr. Hermann Roscher bietet Mandarinenkuchen an, Ehefrau Ilse füllt den Nudelsalat in eine andere Schüssel – in die gute, versteht sich. Letzte Handgriffe für das Fest, das gegen 17 Uhr starten soll. Dieses findet jährlich statt – nur dann nicht, wenn mal ein Ausflug ins Blaue geplant ist.

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16.06 Uhr. Klaus Haarbrücker ist zu Gast bei Roschers. Seine 82 Jahre sind dem Mann nicht anzusehen. „Gartenarbeit hält eben fit“, sagt Haarbrücker und erzählt, dass er sich gerade einen Spindelrasenmäher zugelegt hat – ohne Motor natürlich. „Ich mag Motoren nicht. Und außerdem soll mich die Arbeit frisch machen.“ Dann fachsimpeln er und Hermann Roscher über die Ernte: „Die Gurken sind in diesem Jahr besonders gut. Aber auch die Bohnen sind schön.“ Klaus Haarbrückers Frau Inge (81) ist im Vorstand aktiv. Vor mehr als 40 Jahren hat das Paar eine Gartenparzelle gemietet – „wegen der Kinder“. Und die seien auch heute gern da. „Die Gemeinschaft, die ist besonders“, schwärmt Haarbrücker.

16.10 Uhr. Auf dem Festplatz wird’s plötzlich laut. „Wolfgang, gib alles!“, fordert Anett Schumacher. Und Wolfgang Meironke (67) gibt prompt alles. Gemeinsam mit Hans Fister (68) und Richard Weber (69) versucht er, ein Zelt aufzurichten. Es tröpfelt vom Himmel, und das Festbüfett soll schließlich trocken stehen. Margot Fister (66) legt ebenfalls Hand an, endlich steht das grüne Zelt und wird festgezurrt.

16.14 Uhr. Wolfgang Meironke drückt den ersten Hering in den weichen Boden. Und Anett Schumacher schießt Fotos, denn sie schreibt die Vereinschronik: „Weiße Seiten gibt’s da nicht.“ Gefragt, was sie in ihrem Garten züchtet, zählt sie jegliche Kohlarten auf, dazu Kartoffeln, Bohnen, Kirschen.

16.20 Uhr. Stippvisite in Schumachers Garten. „Wir haben Sonnenlage“, betont die Hausherrin. 300 Quadratmeter messen die Kleingärten, nur zwei haben 450 Quadratmeter. Übernommen haben Anett und Stefan Schumacher ihre Parzelle im Jahr 2004. Im Oktober 2013 haben sie den Grundstein für ein neues Haus gelegt. Eine Terrasse mit Dach gibt es auch, unter dem Dach spannt sich oft eine Hängematte. „Gemütlich, oder?“ Strom hat auf der Anlage übrigens keiner.

16.25 Uhr. Anett Schumacher eilt zurück zum Festplatz – aber nicht, ohne bei Nachbar Fister und „im schönsten Garten der Anlage“ vorbeizuschauen. Hans Fister gießt die Blumen, dann ist er startklar.

16.30 Uhr. Stefan Schumacher (44) liefert die Getränke, festverzurrt im Kofferraum des schwarzen Kombis sind die Bierkisten. „Man lernt dazu“, betont Schumacher und lädt aus. Über den schmalen Weg hinauf zum Parkplatz nähern sich Meironke und Roscher: Sie schleppen einen Grill. Margot Fister, Hannelore Weber (65) und Elke Heck und ziehen buntgestreifte Hussen über die Bänke, breiten Tischdecken aus, stellen Kerzen auf.

16.40 Uhr. Der Tisch im trockenen Zelt biegt sich unter vollen Schüssel und Schalen. Sieht nicht so aus, als müsse jemand beim Sommerfest hungern. Kleingärtner wissen eben, wie man feiert.

16.55 Uhr. In einem der beiden Grills lodern schon die Flammen. Elke Heck stellt eine Kühltüte voll mit Grillfleisch daneben. Keine Frage, das Fest ist nun eröffnet. Und die Sonne scheint. Wer sagt’s denn ...

Blickwinkel

Hinsetzen, Leute beobachten, ihre Geschichten erzählen: In unserem neuen Format „Blickwinkel“ nehmen wir uns anderthalb Stunden Zeit und werfen einen etwas anderen Blick auf Menschen, ihre Umgebung und das, was sie zu sagen haben. Zum Auftakt war unser Redakteur Jens Höhner am Samstag beim Verein „Gartenfreund“ auf dessen Kleingartenanlage in Gummersbach-Steinenbrück. (r)

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