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Hilfe vor der eigenen HaustürSozialpädiatrisches Zentrum in Gummersbach geplant

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In der Nähe des Gummersbacher Krankenhauses soll das neue Sozialpädiatrische Zentrum entstehen.

In der Nähe des Gummersbacher Krankenhauses soll das neue Sozialpädiatrische Zentrum entstehen.

Gummersbach – Der Bedarf sei da, die Zahlen seien eindeutig, findet Sascha Klein. „Wir können in Oberberg ein Sozialpädiatrisches Zentrum sehr gut gebrauchen“, sagt der Geschäftsführer des Klinikums Oberberg. Die Zahlen, die Klein meint, beruhen auf Erhebungen des Kreisgesundheitsamtes aus den Schuleingangsuntersuchungen.

Ein Viertel aller untersuchten Kinder mit auffälligem Befund

Das Ergebnis: Bei 1800 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren wird im Oberbergischen Kreis eine behandlungsbedürftige Entwicklungsstörung diagnostiziert – in der Motorik, in der Sprachentwicklung oder aber zum Beispiel auch im Sozialverhalten. 1800 von insgesamt 7500 untersuchten Kindern in Oberberg haben einen auffälligen Befund, 24 Prozent also.

Damit den Kindern geholfen wird, gibt es sogenannte „sozialpädiatrische Zentren“ (kurz: SPZ) – ambulante Einrichtungen, in denen über die Grenzen der einzelnen Heilberufe hinweg Kinderärzte zum Beispiel mit Kinderpsychiatern, Logopäden oder Physiotherapeuten eng zusammenarbeiten.

Schon jetzt haben oberbergische Kinderärzte die Möglichkeit, ihre kleinen Patienten in solche Einrichtungen zu überweisen. Das Problem ist nur die Entfernung: „Wenn man um Gummersbach einen Zirkel schlägt, dann ist da zunächst ganz viel Nichts“, sagt Sascha Klein. Denn mehr als 50 Kilometer weit müssen junge Familien von dort aus fahren, um das nächste SPZ zu erreichen – zum Beispiel in Hagen, Siegen, Wuppertal, Troisdorf oder in Köln.

Ein Grund zur Sorge, findet der zuständige Kreisdezernent Ralf Schmallenbach: „Tatsächlich wissen wir nicht, wie viele wegen der langen Anreise darauf verzichten, auf die Empfehlung ihres Kinderarztes hin überhaupt tätig zu werden.“ Wenn es die Hilfe vor der eigenen Haustür gebe, hofft Schmallenbach, werden mehr Familien das Angebot wahrnehmen. Deshalb wollen das Klinikum und der Kreis nun Abhilfe schaffen: Am Standort des Krankenhauses in Gummersbach ist ein eigenes SPZ geplant, mit sechs bis zehn Medizinern oder Angehörigen der anderen Heilberufe aus diesem Bereich, die beim Klinikum angestellt sind.

Planungsphase steht an

Noch steckt das oberbergische SPZ aber in der Planungsphase. Unter Federführung des Chefarztes der Gummersbacher Kinderklinik, Dr. Roland Adelmann, und von Kaija Elvermann, Amtsleiterin im Kreisgesundheitsamt, geht es gerade vor allem darum, den Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein in Köln von dem Projekt zu überzeugen. „Erst danach können wir mit den Kassen selbst über die Kostenübernahme verhandeln“, erklärt Sascha Klein. Wenn alles gutlaufe, könne die Einrichtung vielleicht Mitte 2018 an den Start gehen.

Ein gewichtiges Wort mitzureden haben dabei allerdings im Zulassungsverfahren auch noch die oberbergischen Kassenärzte. „Grundsätzlich begrüßen wir die Pläne“, erklärt die neue KV-Vorsitzende Dr. Renate Krug-Peltier auf Nachfrage. Es gehe aber auch darum, betont sie, nicht einfach nur ein SPZ um seiner selbst Willen zu installieren, sondern auch um dessen Ausrichtung: „Viele Angebote, die es dort geben kann, haben wir hier schon jetzt – auch ohne SPZ, bei niedergelassenen Ärzten oder Logopäden, zum Beispiel.“ Wenn die Einrichtung wirklich komme, solle sie auch einen Mehrwert für die medizinische Versorgung von Kindern in Oberberg schaffen.

Schwerpunkt im Bereich Nervenkrankheiten wäre wertvoll

Als Beispiel nennt die KV-Vorsitzende die Neuropädiatrie – das medizinische Fachgebiet, die Behandlung von Nervenkrankheiten bei Kindern also. „Wir haben Herrn Dr. Adelmann zum Beispiel schon darauf aufmerksam gemacht, dass ein Schwerpunkt in diesem Bereich wirklich wertvoll wäre“, sagt Dr. Krug-Peltier. Innerhalb der KV sollten die Fachärzte nun herausfinden, in welchen Bereichen zudem noch spezieller Bedarf besteht.

Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort sei wichtig für den Erfolg eines solchen Zentrums, betont Sascha Klein: „Eine Konkurrenzsituation gibt es nicht.“

Vielmehr arbeite ein SPZ eng mit den Niedergelassenen zusammen, wenn es darum gehe, wer das Kind am Ende behandelt, so der Klinikums-Geschäftsführer.

Sozialpädiatrisches Zentrum

Ein sozialpädiatrisches Zentrum ist zuständig für die Untersuchung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Kontext mit ihrem sozialen Umfeld einschließlich der Beratung und Anleitung von Bezugspersonen. Zum Behandlungsspektrum gehören insbesondere Krankheiten, die Entwicklungsstörungen, drohende und manifeste Behinderungen sowie Verhaltens- oder seelische Störungen bedingen.

Das erste Zentrum dieser Art wurde schon 1968 von Prof. Dr. Theodor Hellbrügge in München konzipiert und realisiert. Bundesweit gibt es laut Deutscher Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin bisher 100 solcher Einrichtungen, allein 41 davon in NRW.

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