InterviewDie Stadtkämmerer von Wiehl und Waldbröl sind ein Ehepaar

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Oberberg – Wahrscheinlich gibt es in ganz Deutschland kein zweites Ehepaar, das  sich so gut mit Kommunalfinanzen auskennt. Anja und Axel Brauer sind beide  Kämmerer, sie in Waldbröl, er in Wiehl. Im Gespräch berichten sie von einer außergewöhnlichen Partnerschaft. 

Spielte die steuerliche Begünstigung durch das Ehegattensplitting eine Rolle bei der Entscheidung zu heiraten?

Anja Brauer: (schmunzelt) Nein, das hatte ausschließlich romantische Gründe. Das Ehegattensplitting macht sich bei uns nicht bemerkbar, weil wir gleich viel verdienen. Wir haben dieselbe Steuerklasse.

Wer macht denn bei Ihnen den privaten Haushaltsplan?

Anja Brauer: Ich teile ihm die Schokolade zu (lacht). Aber nur, weil er das so wollte.

Axel Brauer: Schokolade ist meine große Schwäche.

Anja Brauer: Wir haben keinen privaten Haushaltsplan. Ansonsten teilen wir uns die Pflichten. Mein Mann ist recht fit im Haushalt – also auch in dem, was man zu Hause unter „Haushalt“ versteht.

Axel Brauer: Darauf lege ich Wert. Auch wenn es um die privaten Büroangelegenheiten geht, teilen wir uns die Aufgaben fifty-fifty.

Anja Brauer: Wir machen die Arbeit in Haus und Garten gern gemeinsam.

Axel Brauer: Die zeitliche Belastung eines Kämmerers ist groß. Da sind wir froh, wenn wir zusammen Zeit verbringen können. Alle wichtigen Fragen der Kommunalverwaltung hängen mit Geld zusammen. Die Gremien tagen oft bis in die Abendstunden, dazu kommen Klausurtagungen am Wochenende. Und diese Sitzungen finden in Wiehl und Waldbröl natürlich nicht parallel statt.

Zwei Kämmerer

Anja Brauer (48), geborene Hasenbach, stammt aus Waldbröl-Rölefeld. Ihre Karriere im Waldbröler Rathaus begann 1986 mit der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Anschließend absolvierte Sie ein Studium mit dem Abschluss zur Diplom-Verwaltungswirtin. Nachdem sie mehrere Ämter durchlaufen hatte, wurde sie 2011 sie als erste Frau in Oberberg zur Leiterin der Kämmerei einer Kommune ernannt. Heute haben auch Hückeswagen und Engelskirchen eine Kämmererin.

Axel Brauer (58) stammt aus Dieringhausen und lebt heute mit seiner Frau noch immer dort. Er versteht sich als Wiehler, weil Neudieringhausen, also der südlich der Agger gelegene Teil des Gummersbacher Stadtteils, bis 1969 zur Stadt Wiehl gehörte. 1979 trat er seinen Dienst im Rathaus als Inspektoranwärter an, wie das damals hieß, mit dem Abschluss des Studiums als Diplom-Verwaltungswirt. Sein Aufstieg in der Wiehler Finanzverwaltung führte ihn 2013 in das Amt des Kämmerers. (tie)

Dennoch haben Sie sich über den Beruf kennen gelernt.

Anja Brauer: Wir sind uns im Jahr 2000 bei einem der regelmäßigen Treffen der oberbergischen Kämmerer zum ersten Mal begegnet. Seit 2011 leben wir zusammen. Am 8. Oktober 2016 haben wir in Gummersbach geheiratet.

Axel Brauer: Es war ein nebliger Samstagmorgen, früh um 9 Uhr. Dass wir heiraten, hatten wir uns erst ein paar Wochen vorher überlegt und dann ruckzuck in die Tat umgesetzt.

Anja Brauer: In diesem Job muss man entscheidungsfreudig sein.

Axel Brauer: Andere planen so eine Hochzeit ja monatelang.

Anja Brauer: Als ich vor sechs Jahren Kämmerin geworden bin, gab es so gut wie keine Frauen in diesem Beruf. Das hat sich zum Glück etwas geändert. Aber ein Kämmererehepaar gibt es wahrscheinlich nur einmal in Deutschland.

Sie sind offenbar auf einer Wellenlänge unterwegs. Gibt es einen bestimmten Menschentyp, der Kämmerer wird – von der Art „nüchterner Sparfuchs“?

Anja Brauer: Nein, überhaupt nicht. Wenn ich mich im Kollegenkreis umschaue, sind das recht unterschiedliche Typen.

Axel Brauer: Klar, man sollte zuverlässig sein und eine Beziehung zu Zahlen haben. Und es wäre schizophren, wenn man im Privatleben ein Hedonist wäre, der das Geld nur so raushaut.

Anja Brauer: Anders als mancher sich vielleicht vorstellt, ist die Materie ja keineswegs staubtrocken. Wir haben mit allen Verwaltungsbereichen zu tun, auch mit dem Bauwesen und dem sozialen Bereich.

Axel Brauer: Besonders im Verwaltungsvorstand geht es nicht nur um Zahlen, sondern oft ums reale Leben.

Also muss ein Kämmerer durchaus kommunikativ sein?

Anja Brauer: Natürlich, schließlich haben wir mit Menschen zu tun.

Axel Brauer: Das ist eine zwingende Voraussetzung. Als übertrieben stiller Mensch kommt man in dem Amt nicht zurecht. Ich muss der Politik plausibel machen, wohin sich die Finanzen entwickeln, und das nicht nur bei den Haushaltsberatungen. Ein guter Kämmerer ist mitnichten ein Zahlenfuchs, der von morgens bis am abends an der Rechenmaschine sitzt.

Anja Brauer: Als Vorgesetzte muss ich zudem Mitarbeiter führen können.

Müssen Sie sich gegen Vereinnahmung durch die Politik schützen?

Anja Brauer: Man muss unabhängig sein.

Axel Brauer: Wir haben schließlich die nicht immer angenehme Aufgabe, auf Risiken hinzuweisen. Da sind wir öfters mal der einsame Rufer in der Wüste. Man darf nie vergessen: Wir sind Treuhänder des Steuerzahlers, es ist nicht unser Geld.

Wird ihnen angesichts der Millionensummen, mit denen Sie hantieren, nicht manchmal angst und bange?

Anja Brauer: Nein, ich habe keine Angst. Ich war es schon aus dem Sozialamt gewohnt, mit großen Summen umzugehen. Aber man darf auch nicht denken, dass es nur abstrakte Zahlen sind. Ich rechne den Ratsmitgliedern gern vor, dass mit einer bestimmten Summe so-und-so-viele Einfamilienhäuser gekauft werden könnten. Wenn es heißt, 30 000 Euro seien nur „Peanuts“, dann sage ich, dass viele Waldbröler für diese Summe ein ganzes Jahr arbeiten müssen.

Axel Brauer: Natürlich geht es oft um Wahnsinnssummen. Als Kämmerer muss ich aber auch kleine Beträge hinterfragen. In jeder Verwaltung gibt es die Tendenz, die Aufgaben und Ausgaben auszuweiten. Auch wenn es nur ein paar hundert Euro sind, die die Stadt ausgibt, muss ich das in Frage stellen – und sei es, um im Haus mal ein Zeichen zu setzen. Aber um einem Missverständnis vorzubeugen: Die Kämmerei ist nicht das Geldausgebeverhinderungsamt. Nur müssen wir immer die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. Investitionen sind natürlich oft sinnvoll, etwa das Geld, das wir in Wiehl für die Stadtentwicklungskonzepte ausgeben wollen.

Gibt es einen Sparerfolg, auf den Sie besonders stolz sind?

Anja Brauer: Gerade in Waldbröl muss man erfinderisch sein, sonst schaffen wir es nicht, bis 2022 den Haushaltsausgleich darzustellen. So habe ich mich gefragt, ob wir nicht vieles, was wir zuvor an externe Handwerker vergeben haben, nicht selbst kostengünstiger machen könnten. Ich habe mich dafür stark gemacht, einen Schlosser, einen Maler und einen Schreiner einzustellen, und es hat sich ausgezahlt.

Wiehl steht finanziell viel besser da als Waldbröl. Ist Ihre Frau neidisch auf ihre komfortable Situation, Herr Brauer?

Axel Brauer: Es stellt natürlich einen markanten Unterschied dar, dass Wiehl noch eine Ausgleichsrücklage hat. Die Politik ist vollkommen frei in ihren Entscheidungen. Mein Ziel ist es, dass das so bleibt.

Anja Brauer: In Waldbröl ist die Situation eine andere. Wiehl hat noch Geld für freiwillige Ausgaben, etwa in der Kulturförderung. Da ist es ein Trost, dass wir unsere Stadtumbauprojekte zu 80 Prozent gefördert bekommen, andere Kommunen, wie z.B. Wiehl erhalten nur bis zu 50 Prozent. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass sich in Waldbröl die Situation weiter verschlechtern könnte: Wenn wir in den Nothaushalt abrutschten, bekämen wir Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme und erhielten keine Fördermittel mehr.

Axel Brauer: Wir haben tatsächlich mal vor einigen Jahren geprüft, ob die eine Stadt der anderen Geld leihen könnte. Das wäre eine Win-Win-Situation gewesen, aus rechtlichen Gründen aber leider nicht zulässig. Noch ein wichtiger Unterschied: In Wiehl sind wir wegen der besseren finanziellen Situation von Bürgerprotesten verschont geblieben, wie es sie in Waldbröl wegen der Hundesteuer und der angedrohten Schwimmbadschließung gegeben hat. Das Geld spielt eine wichtige Rolle beim Zusammenspiel von Verwaltung, Politik, Bürgerschaft und Kommunalaufsicht.

Reden Sie zu Hause auch nur über Gewerbesteuer und Stärkungspakt?

Anja Brauer: Nein, wir haben auch noch andere Interessen. Wir gehen zusammen joggen. Auch im Urlaub machen wir viel Sport und besuchen Konzerte und Museen. Aber wenn man zu seinem Beruf steht und gern zur Arbeit geht, kann man auch privat darüber sprechen.

Axel Brauer: Es ist von Vorteil, wenn wir uns über gemeinsame Themen wie die Kreisumlage oder Schulfördermittel auf Augenhöhe austauschen können.

Anja Brauer: Dieselbe Beschlussvorlage muss man ja nicht zweimal machen.

Axel Brauer: Die interkommuale Zusammenarbeit funktioniert bestens. Wir fahren auch gemeinsam zu Seminaren des Städte- und Gemeindebundes.

Das klingt ja alles viel zu perfekt. Wann ist der Gleichklang der Seelen bei Ihnen denn mal gestört?

Axel Brauer: Wir sind schon auch verschieden. Sie ist eher geerdet, nicht so leicht zu begeistern wie ich. Besonders wenn es um Fußball geht: Ich erinnere mich, wie wir 2012 im Urlaub am Lago Maggiore das EM-Halbfinale Deutschland gegen Italien gesehen haben. Als Balotelli das Tor geschossen hat, habe ich mich so aufgeregt, dass Anja mich aus dem Lokal führen musste.

Anja Brauer: Wenn es auf der Arbeit um Geld geht, gibt es naturgemäß auch Auseinandersetzungen. Deshalb streiten wir uns nicht auch noch zu Hause wegen irgendwelcher Kleinigkeiten wie eine offene Zahnpastatube.

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