An der BruchertalsperreZu Besuch auf dem Campingplatz in Marienheide

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Marienheide – Träge baumeln die Fahnen im Wind. Die Farben Schwarz, Rot, Gold hängen ebenso schlaff am Mast wie das Königsblau von Schalke 04 oder das Wappen der Dominikanischen Republik. Bunte Vielfalt ist angesagt über dem Campingplatz an der Bruchertalsperre in Marienheide. Dort, genau unter der Fahne der „Dom Rep“, hat sich Peter Klotz einen Zufluchtsort geschaffen. Seit dem Jahr 2009 verbringt der 64-jährige Gummersbacher jede freie Minute auf der Anlage. „Damals ist meine Ehe in die Brüche gegangen“, blickt der Installateur für Lüftungs- und Klimatechnik zurück. „Hier hat es mir sofort gefallen.“ Die Kreisstadt sei ihm zu laut geworden. Und ist er nicht in Marienheide, sei er auf der Insel Hispaniola.

Nicht alle 300 Stellplätze sind belegt

Sechs Campingplätze gibt es insgesamt in der Gemeinde Marienheide, entstanden sind sie in den 1950er und 1960er Jahren. „Eben als Ort der Naherholung für jeden, der mal raus will aus der Stadt“, schildert Bürgermeister Stefan Meisenberg und richtet den Blick auf die urbane Nachbarschaft, aufs südliche Ruhrgebiet. „Von dort kommen auch heute noch viele Camper zu uns.“ Für seine Gemeinde seien diese „attraktiven Plätze“ ein Tourismus-Pfund, mit dem Marienheide gerne wuchere. „Freizeit, Feierabend, Wochenende – schöne Stunden in einer schönen Gegend“, textet Meisenberg nahezu werbereif.

Mehr als 300 Stellplätze gibt es auf dem Gelände der Interessengemeinschaft „Zeltplatz Bruchertalsperre“. „Und nicht alle sind belegt“, sagt Platzwart Thorsten Schweinebraten (43), der vor einem guten Jahr mit seiner Ehefrau Christa (54) die Verwaltung der Anlage übernommen hat. Für ihn ein Traumjob: „Ich wollte so etwas schon immer machen, plötzlich war die Chance da“, verrät Schweinebraten, der sich als leidenschaftlicher Camper mit den Gästen auf einer Wellenlänge sieht. „Die meisten sind übrigens Dauercamper.“ Und wer Dauercamper ist, der hat seine zweite Heimat an den Gestaden der Bruchertalsperre – und bezahlt dafür womöglich Steuern. „Das gilt derzeit für 750 Camper“, berichtet Marienheides Kämmerer Simon Woywod, der indes keine verbindlichen Richtlinien nennen kann, „weil die Steuer immer eine Sache es Einzelfalls ist“: „Und der hängt ab von der Höhe der Pacht, von der Art des Stellplatzes und der Frage, ob das Domizil ein Wohnwagen oder ein Reisemobil ist.“ Die Dauer der Aufenthalte dagegen sei unerheblich.

„Die Geselligkeit ist einzigartig“

So hatte das Siegener Paar Gisela Alwardt (64) und Hans-Dieter Mikolajczak (68) einst eine Ferienwohnung im Oberbergischen gesucht, als plötzlich wieder die Campergene durchschlugen: „Früher waren wir beide oft Zelten, meist an der Ostsee“, erzählt Mikolajczak. Nun, ein Zelt aufschlagen, das wollten die Senioren dann doch nicht mehr, als kauften sie einen Wohnwagen, aus dessen Vorzelt längst ein stabiles Entree geworden ist. „Die Geselligkeit auf dem Platz ist einzigartig – man kennt sich, man hilft sich“, fasst Gisela Alwardt die Gründe zusammen, warum sie die Campinganlage an der Bruchertalsperre so schätzt.

An deren Rand hat auch Enten-Peter sein Lager errichtet. „Viele unserer Camper haben einen solchen Beinamen, damit wir sie stets unterscheiden können“, erklärt Platzwart Schweinebraten. Schließlich siezen sich die Camper nicht, man ist beim „Du“. Und so gibt es eben den Enten-Peter ebenso wie den Silikon-Peter und Chili-Peter. Enten-Peter aber heißt Enten-Peter, weil er einen knallroten Citroën 2 CV, also die legendäre „Ente“ fährt. Und er ist der Gast mit der weitesten Anreise: Peter Heuser (55), technischer Angestellter in der Qualitätssicherung und seine Lebensgefährtin Esther Heupel (49), Sozialarbeiterin, kommen aus Hamburg zum Ausspannen.

„Nette Gesellschaft hat man immer“

„Ich kannte den Platz aber schon aus meiner Kindheit in Remscheid“, sagt Heuser. Er bedauert, dass die mehr oder weniger mobilen Unterkünfte heute nicht mehr direkt am Wasser stehen dürfen, wie noch in den 1980er Jahren üblich. „Aber dennoch ist es hierunschlagbar schön, bis zum Wasser sind es keine 20 Meter“, schwärmt er. Auch er sei als Camper geboren worden und auch Freundin Esther ist mit Wohnwagen seit Kindertagen vertraut. „Jahrelang waren wir nicht campen, bis Peter hierhin zurückgekehrt ist“, schildert die Hamburgerin.

Dass er dort auch sein Schlauchboot zu Wasser lassen kann, ist für Jürgen Ruland (55) aus Rösrath ein fünf Jahren ein guter Grund, mit dem Wohnmobil immer wieder Marienheide anzusteuern.

„Fünf- bis siebenmal im Jahr komme ich mindestens her“, berichtet der Installateur für Heizung und Sanitär. „Hier steht man auf, unternimmt etwas. Oder man bleibt einfach sitzen. Nette Gesellschaft aber hat man immer.“ Kein Wunder, ergänzt Verwalter Thorsten Schweinebraten, dass seine Platzrunde schon mal drei Stunden dauere. „Man bleibt halt überall mal hängen. Ist aber egal: Hier gehen die Uhren anders.“

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