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Fachwerkhaus verfälltBangen um historischen Schatz

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Das Wohnhaus wird seit den 1970er Jahren nicht mehr genutzt und verfällt. 

Das Wohnhaus wird seit den 1970er Jahren nicht mehr genutzt und verfällt. 

Oberholpe – Prompt gerät sie ins Schwärmen. Wenn die Kunsthistorikerin und Geografin Dr. Henriette Meynen von ihrem Heimatort Oberholpe spricht, ist klar: Der kleine Fachwerkweiler in der Gemeinde Morsbach ist weit und breit einzigartig. „Hier kann man ablesen, wie sich ein Dorf vom 18. bis zum 20. Jahrhundert entwickelt hat, wie es gewachsen ist“, sagt Meynen und betont, dass ein historischer Schatz wie Oberholpe selten sei in ganz Deutschland.

Doch die Bewohner des Fleckens mit der idyllischen Adresse „Am Südhang“ bangen um ihre Häuser: Eines der ältesten Ensembles, nach einer Expertenschätzung aus dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zwischen 1780 und 1800 errichtet, ist seit 1972 unbewohnt und nach Angaben der Nachbarn seit vielen Jahren schon dem Verfall preisgegeben. Sie fürchten, dass dieses Wohnhaus eines Tages einstürzen könnte und eines ihrer Häuser mitreißt. Eine marode Scheune im Rücken gehört ebenfalls zu diesem Anwesen.

Kommune sind keine Handlungsmöglichkeit

„Wir leiden auch unter dem ganzen Getier, das da ein- und ausgeht“, ergänzt Anwohnerin Karin Winkelmann. „Schließlich kann es sich fröhlich und ungestört vermehren.“ Und Nachbar Harald Wirths hat Angst, dass der ganze Ort „irgendwann in Flammen aufgeht“: Die Sträucher und Büsche rund um das Gebäude, das 1984 in die Denkmalliste der Gemeinde Morsbach eingetragen worden ist und seither unter Schutz steht, sollen seit Jahren nicht mehr geschnitten worden sein. Manches Astwerk ist raspeltrocken. „Die Feuerwehr hat einen Baum vor dem Haus aus Sicherheitsgründen bereits gekappt“, berichtet Wirths.

Im Bauamt der Gemeinde verweist Leiter Johannes Mauelshagen jedoch darauf, dass das Gebäude „unter Dach und Fach“ sei, wie es im Fachjargon heißt: „Experten des Amts für Denkmalpflege im Rheinland sind der Ansicht, dass von dem Haus keine Gefahr ausgeht.“ So habe der Besitzer das Dach erneuert, um den Anforderungen des Denkmalschutzes Genüge zu leisten. „Das reicht offenbar.“ Juristisch seien der Verwaltung also die Hände gebunden. „Wir können ihn zu nichts zwingen“, bestätigt Bürgermeister Jörg Bukowski und berichtet, dass seit 1990 zahllose Briefe an den Hausherrn geschrieben worden seien, die indes nie beantwortet würden.

Dem Vernehmen nach lebt der Eigentümer, Bau-Ingenieur von Beruf und einst selbst in Oberholpe zu Hause, heute in Köln. Auf Anfrage dieser Zeitung erklärt er, dass er sobald wohl nicht in den Ort zurückkehren werde: „Dort herrscht eine massive Feindseligkeit gegen mich.“ Die Schäden an seinem Haus seien keine Spuren des Verfalls, sondern von Vandalen mutwillig verursacht. Ob er die beiden Fachwerkbauten jemals sanieren wird, lässt er offen: „Was ich mit meinem Besitz mache, das geht niemanden etwas an.“

Rechtsweg über die Landesregierung

Auch für Dr. Klaus-Ludwig Thiel, Abteilungsleiter der Bau- und Kunstdenkmalpflege im Amt für Denkmalpflege im Rheinland, wäre der Verlust von Haus und Scheune ein massiver Verlust. „Natürlich müssen wir als Vertreter einer Fachbehörde den Fall nüchtern sehen“, sagt Thiel. „Aber dieser Ort hat nicht nur zwei Weltkriege, sondern auch die großen Abrisswellen in den 1950er, 1960er und zuletzt in den 1980er Jahren überstanden.“ Ein derart gut erhaltenes Zeugnis aus vergangener Zeit, als die Menschen noch nicht mobil waren und von den eigenen Feldern lebten, sei tatsächlich überaus rar.

Er rät der Gemeinde Morsbach, den Landschaftsverband Rheinland (LVR) als höchste Fachbehörde einzuschalten – „als letztes Mittel“. „Dieser könnte mit Zustimmung der Landschaftsversammlung das Landesministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr informieren, damit doch Rechtsmittel für den Erhalt dieser Gebäude zum Einsatz kommen.“

Tauziehen um geschütztes Fachwerkensemble

Im August 2015 kürte der Rheinische Verein für Denkmalschutz und Landschaftspflege das Oberholper Fachwerkensemble zum „Denkmal des Monats“. Gemeint war diese Auszeichnung ironisch, sollte sie doch den Eigentümer zu einer Sanierung bewegen.

Dr. Henriette Meynen ist Nachbarin und Vorstandsmitglied im Regionalverband Köln dieses Vereins. Sie verweist auf die große Bedeutung der Gebäude für die Wissenschaft: „Allein die vielen Türen an der Scheune, darunter Schweineklappen, zeigen die verschiedenen Nutzungen des Gebäudes hin.“ Jetzt will die SPD-Fraktion im Rat der Gemeinde Morsbach, allen voran Mitglied Wolfgang Kreft, den Zustand der historisch wertvollen Gebäude zum Thema machen, „damit der Schandfleck verschwindet“.

Am Wohnhaus spricht das morsche Fachwerk eine deutliche Sprache: Wasser ist in die Wände gedrungen, Putz platzt ab. Die einst festen schwarzen Balken sind verformt. Beide Schornsteine sind schadhaft. Im Inneren des Hauses, so erzählt eine Nachbarin, seien sogar noch die Betten bezogen. (höh)

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