Sprengungen im SteinbruchBewohner von Odenspiel klagen über Schäden an ihren Häusern

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Der nahe Steinbruch (rechte Seite) macht den Anwohnern in Odenspiel Sorgen.

Der nahe Steinbruch (rechte Seite) macht den Anwohnern in Odenspiel Sorgen.

Odenspiel – Erst deutet Peter Zylko zum Dachfirst, dann in eine Baugrube. Zurzeit saniert er einen Kanal an seinem Heim. „Risse, überall Risse – von oben bis unten“, schimpft er und zeigt erneut in die Grube: „Da sind sogar die Rohre zu Bruch gegangen.“ Zylko gehört das letzte Haus in der Reichshofer Ortschaft Odenspiel. Und er ist dort nicht der einzige, der über Schäden klagt: „Neulich wäre ich fast vom Sofa gefallen“, sagt Renate Simon, auch sie hat Risse in der Fassade ihres Hauses festgestellt. Als Ursache dafür vermuten die Odenspieler Sprengungen in einem Steinbruch: In der Nähe baut das Unternehmen Jaeger die „Odenspieler Grauwacke“ ab, ein weithin bekannter und auch beliebter Baustoff.

Nicht mehr in Odenspiel: „Uns reicht es: Kein Haus ist ohne Schaden“, sagt Bäckermeister Klaus-Werner Jaeger, der zudem für die Grünen im Gemeinderat sitzt. Für Dienstag, 26. September, laden die Betroffenen zu einer Diskussionsrunde ins Feuerwehrheim ein. Bürgermeister Rüdiger Gennies, Vertreter des Oberbergischen Kreises, der Bezirksregierung Köln und aus der Geschäftsführung des Steinbruchs sollen hinzukommen. Denn jüngst wollen die Odenspieler erfahren haben, dass es Überlegungen gibt, das Abbaugebiet zu vergrößern. „Bis auf 300 Meter an die Ortsgrenze“, schildert Jaeger.

Diese Bewohner von Odenspiel wollen sich gegen weitere Schäden an ihren Häusern wehren. Sie laden zu einer Versammlung ein.

Diese Bewohner von Odenspiel wollen sich gegen weitere Schäden an ihren Häusern wehren. Sie laden zu einer Versammlung ein.

Das Unternehmen Jaeger indes will sich weder auf telefonische, noch auf schriftliche Anfragen dieser Zeitung äußern. Per E-Mail teilt die Geschäftsleitung mit Sitz im Nachbarort Nespen nur so viel mit: „Da wir noch in der ersten Planungsphase sind und noch keinen Erweiterungsantrag gestellt haben, sehen wir uns nicht veranlasst, Informationen im Vorfeld mitzuteilen.“ Bei der Verwaltung des Oberbergischen Kreises bestätigt Dezernent Dr. Christian Dickschen, unter anderem zuständig für das Kreisumweltamt, das Erweiterungsvorhaben. Aber er sagt auch: „Das Verfahren ist noch nicht sehr weit gediehen.“ Den gesamten Vorgang bezeichnet Dickschen als sehr kompliziert, da es um viele Fragen des Emissionsschutzes gehe: „Lärm, Staub, Erschütterungen und der mögliche Austritt von Gasen, das alles sind Faktoren, die berücksichtigt werden müssen“, zählt der Dezernent auf.

In Odenspiel berichten die Nachbarn von klirrenden Gläsern in den Schränken, von zitternden Fensterscheiben und vibrierenden Fußböden, wenn im Steinbruch gesprengt werde. „Unsere Labradorhündin Lena spielt jedes Mal verrückt“, sagt Stefanie Weber und auch Ehemann Ralf muss nicht lange suchen, um Risse am 1991 errichteten Haus zu finden. „Die ziehen sich von unten nach oben, von links nach rechts durchs Klinkerwerk.“

Staub auf den Bäumen

Mit Blick auf die jüngste Untersuchung vom 6. Juli erklärt Umweltdezernent Dickschen jedoch, dass es keine auffälligen Daten aus dem Steinbruch Jaeger gebe: „Somit lässt sich kein Zusammenhang zwischen solchen Schäden und den Sprengungen herstellen – im Gegenteil.“ Die neuesten Messdaten, so Dickschen weiter, hätten vielmehr ergeben, dass die erlaubten Grenzwerte sogar unterschritten würden.

Ebenso für den Steinbruch zuständig ist die Bezirksregierung Köln, und zwar für den Technischen Arbeitsschutz. „Von unserer Seite können keine Mängel festgestellt werden“, erklärt Sprecher André Kiese und ergänzt: „Ebenfalls ist uns bekannt, dass die Erschütterungsrichtwerte eingehalten und geltende Grenzwerte unterschritten werden.“

Die aufgebrachten Anwohner berufen sich dagegen auf Messergebnisse eines von ihnen beauftragten Seismologen: Diese sprächen eine andere Sprache, auch sie selbst hätten viele Jahre gemessen und Verstöße gegen Richtwerte notiert. Auch Elmar Rötzel deutet auf einen Sprung im Putz seines Hauses: Er lebt auf der anderen Seite von Odenspiel und jenseits der Elbachstraße (Landesstraße 324). Diese teilt den Ort. „Ich habe die Risse immer wieder mit Acryl geschlossen, aber das hält nicht lange“, klagt er. Rötzel hofft, dass sich die Firma Jaeger nach der Versammlung kulant zeige und solches Material bezahle: „Wir können doch nicht für alles selbst aufkommen.“

Uralte Felsbank lässt ganz Odenspiel erzittern

Dass sein Haus ebenfalls betroffen ist, erklären sich die Nachbarn so: Odenspiel könnte auf einer rund 300 Millionen Jahre alten Felsbank stehen, die sich in einer geschätzten Tiefe von 100 Metern unter der Erde befindet. Rumpelt es an einem Ende, so erzittert eben prompt auch das andere.

Zudem treibt den Politiker Klaus-Werner Jaeger die Sorge um die fünf als Denkmal geschützten Gebäude in dem 1361 erstmals urkundlich erwähnten Weiler in der heutigen Gemeinde Reichshof um: „Wie stark sollen die noch leiden?“ Gerade im Winter, so ergänzt Petra Jäger, träten die Risse besonders deutlich zutage: „Die klaffen auseinander und ziehen sich durchs gesamte Badezimmer“, berichtet sie. Bei Nachbar Christian Schabon gegenüber bröckelt die erst vor einem Jahr sanierte Hausfassade, das Ehepaar Günter und Ingelore Dietrich lädt derweil ins Treppenhaus ihres 1978 errichteten Zuhauses ein.

„Außen finden sich ebenfalls etliche Schäden“, sagt Günter Dietrich. Auch fürchtet er, dass das Pumpenhaus des örtlichen Wasservereins Schaden nehmen und sein Heimatort dann plötzlich auf dem Trockenen sitzen könnte. „Das Gebäude steht schließlich in einer Senke.“ Dort zeuge übrigens auch der feine Staub auf den Bäumen ringsherum ebenso von den Sprengungen.

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