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Urteil zur GemeinnützigkeitWürde sie aberkannt, drohen Schützenvereine Finanzprobleme

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Männerdomäne: Wie hier bei den Schützen in Gummersbach gibt es eine Reihe von Traditionsvereinen, die keine Frauen als Mitglieder aufnehmen.

Männerdomäne: Wie hier bei den Schützen in Gummersbach gibt es eine Reihe von Traditionsvereinen, die keine Frauen als Mitglieder aufnehmen.

Oberberg – Keine Frauen gleich keine Gemeinnützigkeit? Einige Schützenvereine könnte das Urteil des Bundesfinanzhofes hart treffen. Klaus Büser, Präsident des Oberbergischen Schützenbundes: „Für Brauchtumsvereine ist zu befürchten, dass dies der Anfang vom Ende ist.“ So schwarz sehen es die angesprochenen Schützenvereine nicht. So gilt in Gimborn, Gummersbach und Müllenbach die Devise Abwarten – zumal Landesfinanzminister Lutz Lienenkämper angekündigt hat, sich für solche Vereine einzusetzen.

Das umstrittene Urteil wurde in der vergangenen Woche vom obersten Gerichtshof für Steuer- und Zollsachen bekanntgemacht (wir berichteten). Die Bundesrichter haben einer Freimaurerloge die Gemeinnützigkeit aberkannt – weil sie nur Männer aufnimmt und nur ihnen das Ritual der Templerarbeit ermöglicht. Brisant: Der Bundesfinanzhof teilt mit, das Urteil könne sich auch auf Schützenbruderschaften, Männergesangsvereine oder Frauenchöre auswirken.

Als Schützenpräsident Büser das las, schrillten bei ihm die Alarmglocken. Umgehend informierte er nicht nur die Mitgliedsvereine seines Bundes, sondern gleich alle anderen mit. Von den 32 Schützenvereinen im Bund sind zwar nur wenige reine Männervereine, doch sie stellen eine große Zahl an Schützen. Büser nennt als Beispiel Müllenbach und Gimborn. Zu den großen Männervereinen zählen auch die Gummersbacher.

Dient ein Verein der Allgemeinheit?

„Ein Verlust der Gemeinnützigkeit könnte drastische Folgen haben“, erklärt Büser. Denn gilt ein Verein nicht als gemeinnützig, ist er nicht von der Steuer befreit und er darf keine Spendenquittungen ausstellen – und ist somit für Unternehmen und Privatpersonen kein gefragter Spendenempfänger. Das Urteil sei ein „Damoklesschwert“, meint Büser. Denn Spenden seien für viele Vereine ein bedeutender Posten im Finanzbudget. „Fällt der weg, müssten Vereine ihr Budget herunterfahren. Ob Feste, Schießstand oder Schützenhalle dann noch Bestand haben, ist zumindest fraglich.“

Dass ein Männerverein seine Gemeinnützigkeit rettet, indem er sich für Frauen öffnet, sei schwer vorstellbar, meint Büser: „Ist das dann noch der Verein, der er seit Jahrhunderten war?“ Traditionelle Vereinsstrukturen könnten durch das Urteil zerstört werden.

Der Gimborner Schützenvorsitzende Andreas Stötzel sieht das Urteil gelassener: „Wir werden uns das mal genau durchlesen.“ Er vermutet: „Die Gemeinnützigkeit hängt ja mit der Verwendung der Vereinsmittel zusammen.“ Und die würden in Gimborn – wie überall – nicht nur für die Mitglieder ausgegeben, sondern etwa bei Festen auch für die Allgemeinheit. Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass seiner Bruderschaft die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, will der Verein erst die finanziellen Auswirkungen prüfen – bevor Frauen Mitglieder werden.

Auch dem Gummersbacher Schützenvorstand macht das Urteil noch keine Sorgen – „wenngleich die Folgen natürlich dramatisch wären“, sagt Schatzmeister Andreas Kriesten. „Ohne Spenden könnten wir das gewohnte Fest nicht ausrichten.“ Auch Kriesten betont, dass sich sein Verein sehr wohl für die Allgemeinheit engagiert. Eine Besonderheit der Gummersbacher ist die Unterabteilung der Sportschützen, in denen Frauen Mitglied sind.

Der Schützenverein Müllenbach nimmt satzungsgemäß ebenfalls nur Männer auf. Vereinssprecher Dr. Stefan Viebahn: „Dieser Satzung fühlt sich unser Verein verpflichtet.“ Ohnehin stelle sich die Frage nach der Gemeinnützigkeit noch nicht. „Ich denke nicht, dass ein einziges Urteil so richtungsweisend ist. Das wird nicht das Ende der Entwicklung sein.“ Viebahn vermutet, dass sich der Gesetzgeber mit dieser Frage befassen wird. Es gelte auch den Umstand zu berücksichtigen, dass die Mitgliedschaft exklusiv für Männer bei den Brauchtumsvereinen historisch bedingt ist.

Auch Gesangsvereine betroffen?

Vom Urteil des Bundesfinanzhofes könnten auch Männergesangsvereine und Frauenchöre betroffen sein, teilt das Gericht mit. Franz Klünenberg, Geschäftsführer des Kreischorverbandes, nennt die Entscheidung der Richter „eine Katastrophe für die Chorlandschaft“. In den 75 im Verband organisierten Gesangsvereinen sind in mehr als der Hälfte die Geschlechter separiert.

37 sind reine Männerchöre und 13 reine Frauenchöre. Sie würde ein Verlust der Gemeinnützigkeit vor das Aus stellen, befürchtet Klünenberg: „Wenn sie keine Spendenquittungen mehr ausstellen dürfen und folglich keine Spenden mehr erhalten, fehlt den meisten Vereinen das finanzielle Fundament.“ Klünenberg nennt hohe laufende Kosten, zum Beispiel für den Chorleiter, für Notenmaterial oder auch für einen Pianisten bei Konzerten. „Wie sollen die Vereine das auffangen? Den Eintritt für Konzerte verdoppeln oder verdreifachen? Dann kommt kein Zuhörer mehr.“

Mit höheren Mitgliedsbeiträgen sei der Wegfall von  Spenden nicht wettzumachen, meint Klünenberg. Bliebe, dass sich Männergesangsvereine und Frauenchöre fürs jeweils andere Geschlecht öffnen. „Paradox“, sagt Klünenberg: „Dann hätten wir ja nur noch gemischte Chöre. Das wäre ein Verlust für das Chorwesen.“ (ag)

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