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Atelierbesuch bei Karikaturist Walter HanelWo die komischen Vögel ausgebrütet werden

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Walter Hanel, einer der bekanntesten deutschen Karikaturisten, an der Tür zum Atelier

Walter Hanel, einer der bekanntesten deutschen Karikaturisten, an der Tür zum Atelier

Bergisch Gladbach – Es könnte eine ganz normale gläserne Terrassentür sein – aber es ist das Schlupfloch zu einem Vogelnest. Ganz komische Vögel werden hier ausgebrütet, um dann hinauszuflattern über Land und sich in den großen Blätterwald zu hocken und Kunde zu bringen. Ganz ohne groß zu krächzen und zu kreischen übrigens, meist hocken sie nur da und gucken griesgrämig, und trotzdem wissen alle Bescheid.

Das Vogelnest gehört dem Karikaturisten und Gladbacher Ehrenbürger Walter Hanel, und es war mal eine Garage. Als er vor weit mehr als 30 Jahren in Frankenforst einzog, wurde das Garagentor durch eine Wand mit Fenster und Terrassentür ersetzt. Seitdem ist der Raum sein Atelier, von dem aus Tausende von kritischen und witzigen Zeichnungen den Blätterwald der deutschen Presse erreicht haben. Hier ist die Schmiede der aktuellen Tagesspitzen, die punktgenau die Schlagzeilen und Leitartikel mit satirischem Bildkommentar und treffender, oft sarkastischer Pointe begleiten.

Nachrichten-Junkie

Aber es ist auch die Wiege seiner freien Arbeiten, an denen persönlich sein Herz mehr hängt als an den journalistischen Schnellschüssen: poetisch-versonnene, surreal-heitere Gemälde in Acryl in größerem Format, denen er inzwischen fast die Hälfte seiner Zeit schenkt. Demnächst wird es noch ein bisschen mehr Zeit sein, denn der nun 85-Jährige will noch etwa kürzertreten. Früher erschien er täglich quer durch die Republik, heute gibt er noch dreimal wöchentlich ein Blatt für die Druckmaschine im Neven DuMont Haus an der Amsterdamer Straße in Köln ab, wo er natürlich auch einen Zeichentisch stehen hat. Hier entsteht die Feinzeichnung, die Utensilien bringt er im kleinen Handkoffer mit. Aus dem zieht er mindestens drei Bleistiftentwürfe hervor, die er dem Auswahlkollegium der Redaktion als grafischen Seitenaufmacher für den nächsten Tag vorschlägt. Entstanden sind die Skizzen vormittags in seiner Frankenforster Ateliergarage.

Ein politischer Tageskarikaturist muss nicht nur ein flinker Zeichner sein und ein humorvoller Schöpfer aussagestarker Bildkombinationen, sondern vor allem ein Nachrichten-Junkie. Als erstes wertet Hanel morgens zwei oder drei Tageszeitungen aus, im Hinterkopf die Nachrichtenlage aus dem Fernsehen, um nach dem karikaturenwürdigen Thema zu fahnden. Dann geht er die Wendeltreppe hinunter ins Atelier, während in seinem Kopf bereits die Bilder herumpurzeln – jedenfalls meistens. „So etwa alle halbe Jahre gibt es so einen furchtbaren Tag, wo mir gar nichts einfallen will“, gesteht er. „Dann quäle ich mich rum.“

Kaum markante Köpfe

Dem Leser fällt das nicht auf, denn der Zugang zu einer Karikatur ist von jedem Kopf aus anders. Insgesamt allerdings nimmt Hanel eine abnehmende Bereitschaft oder Fähigkeit wahr, komplexe Bildwitze zu entschlüsseln. Auf der anderen Seite wird die Wirklichkeit, gerade die politische, immer komplizierter und unübersichtlicher, das Geschäft des Karikaturisten, die Wirklichkeit zu vereinfachen und zu erklären, daher immer schwieriger. Und es gibt noch ein weiteres Problem: „Es gibt weniger markante Köpfe in der Politik. Angela Merkel lässt sich gut wiedererkennbar reduzieren, Steinmeier, Nahles und von der Leyen auch, aber dann wird es blass.“

Kein Wunder, dass Hanel seiner Fantasie lieber Freilauf gewährt in seinen offenen Zeichnungen und Gemälde. Diesen Hanel kann man übrigens noch bis zum 10. Januar in der Villa Zanders erleben, die dem Ehrenbürger eine Ausstellung zum 85. Geburtstag widmet. Im Kölner studio dumont (Breite Straße, DuMont-Carré) ist dagegen noch bis 22. Dezember der politische Hanel zu besichtigen.

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