ArbeitsmarktErste Jobbörse für Menschen mit Behinderung im Bergischen Löwen

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Großes Interesse bei der Premiere der neuen Veranstaltung. Das Bedürfnis ist da.

Großes Interesse bei der Premiere der neuen Veranstaltung. Das Bedürfnis ist da.

Bergisch Gladbach – Vom Wochenmarkt zum Arbeitsmarkt sind es nur wenige Schritte – trotzdem beschleicht den Besucher, der am Samstag in den Bergischen Löwen möchte, ein wenig das Gefühl von Hinterzimmer-Atmosphäre. Verdeckt hinter Ständen mit Staubsaugern und Ledertaschen führt der Weg ins Bürgerhaus – durchaus passend zum Thema, das auch nicht gerade im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht.

Die Stadt Bergisch Gladbach sowie die Agentur für Arbeit haben zur ersten Jobbörse für Menschen mit Behinderung geladen. An knapp 20 Stationen präsentieren sich im Spiegelsaal Stellenanbieter vom Hotelbetrieb bis zum Hamburger-Bräter, werden Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erläutert, stehen Fachleute in Sachen Inklusion für Gespräche zur Verfügung. Es gibt Vorträge, Infomaterial, Kaffee und Kekse. Zwei Gebärdendolmetscherinnen haben buchstäblich alle Hände voll zu tun, gestenreich zu vermitteln.

Doppeltes Handicap

Gerhard Zorn, beim Landschaftsverband Rheinland Abteilungsleiter im Integrationsamt, hatte zuvor erklärt, dass schwerbehinderte Bewerber oft auch der Altersgruppe der 50- bis 65-Jährigen angehören, also gleich zwei Merkmale aufweisen, die es ihnen erschweren, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Was durch Fördermöglichkeiten alles machbar ist, erläuterte er am Beispiel eines querschnittsgelähmten Mannes, für den der Arbeitsplatz so umgebaut wurde, dass er in Büro und Werkstatt tätig werden kann.

„Wir wollen auch den Arbeitgebern Mut machen, Menschen mit Behinderung einzustellen oder im Unternehmen zu halten.“ Für die Gladbacher Initiative gab es Sonderlob: „So eine Veranstaltung, die so viele Besucher auch unterschiedlichen Alters zusammenbringt, habe ich im Rheinland noch nicht gesehen.“

Das freute naturgemäß auch die Organisatorinnen, die Arbeitsvermittlerin Jasmin Schröder sowie Hildegard Allelein, städtische Beauftragte für Menschen mit Behinderung inklusive der Schirmherren Bürgermeister Lutz Urbach, Stefan Krause (Leiter der Agentur für Arbeit) sowie Michael Schulte als Geschäftsführer des Jobcenters Rhein-Berg. „Die Menschen brauchen die Arbeit auch, um dazuzugehören“, unterstreicht Allelein, während Schröder auf die meist höhere Motivation hinweist, die Behinderte mitbrächten. „Das kann auf das ganze Team positiv wirken.“

Angesichts der angebotenen Gummibärchen-Burger stutzen jedoch die meisten Besucher: schwerbehinderte Mitarbeiter über 50 bei Mac Donalds? „Schauen Sie mich an“, antwortet Corinna Goßmann selbstbewusst, die im Unternehmen unter anderem für die Berufsausbildung zuständig ist. Man habe nur gute Erfahrungen mit solchen Bewerbern gemacht. Ein junger Mann mit Behinderung dient auf einem Plakat gar als Aushängeschild. Und überhaupt, setzt Goßmann hinzu: „Wir haben Mitarbeiter aus 30 Nationen, bei uns gibt es keine Ausgrenzung.“

Doch die Realität auf dem Arbeitsmarkt sieht für die Zielgruppe häufig nicht rosig aus. „Den Job, den ich mache, darf ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, aber mein Arbeitgeber weigert sich, mich woanders einzusetzen“, kritisiert Thomas R. (Name geändert). Und es ärgert ihn, wenn er auf Bewerbungen nichts hört, dieselbe Stelle aber drei Monate später wieder angeboten wird.

„Einen Job zu finden, ist schwierig“, hat auch Luca Meregalli erfahren müssen. Der 28-Jährige aus Bensberg leidet an einer Form des Asperger-Syndroms. Die Jobbörse ermöglicht ihm, mit Ilona Klönne und Einrichtungsleiter Thomas Schlünkes vom Bensberger Senioren-Park „carpe diem“ ein erstes Gespräch zu führen und eine Bewerbung abzugeben.

Auch Angelina Franke aus Bergisch Gladbach ist mit 26 Jahren schon ziemlich desillusioniert. Ausgebildet als Servicekraft und Bürokauffrau sucht sie sei mehr als einem Jahr eine Stelle. „Auf die meisten Bewerbungen kommt nicht mal eine Antwort.“

Rechtslage

Ein Unternehmen, das 20 Arbeitsplätze und mehr hat, muss laut Gesetz mindestens fünf Prozent der Stellen mit Schwerbehinderten (anerkannter Behinderungsgrad ab 50 Prozent – landesweit trifft das auf fast zehn Prozent der Bevölkerung zu, Tendenz steigend) besetzen. Arbeitgeber können sich aus dieser Pflicht aber auch durch die Zahlung einer Ausgleichsabgabe „freikaufen“. Sie ist an die Beschäftigungsquote in der jeweiligen Firma gekoppelt und liegt zwischen 125 und 320 Euro im Monat je nach Größe der Firma. Die Einnahmen fließen in die Fördertöpfe, mit denen unter anderem behindertengerechte Arbeitsplätze finanziert werden.

„Auf Unternehmenssseite erfüllen wir die Quote nicht ganz, aber bei den öffentlichen Arbeitgebern liegen wir bei über sieben Prozent“, sagt Hildegard Allelein, eine der Organisatorinnen der Jobbörse, über die Situation in Rhein-Berg. Schwerbehinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz, bekommen fünf Urlaubstage zusätzlich und müssen von öffentlichen Arbeitgebern zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden. 

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