Bergisch GladbachSchlagabtausch mit Einigkeit und Buh-Rufen beim Kandidaten-Check

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Bergisch Gladbach – 90 Minuten können in Windeseile um sein, und das nicht nur beim Fußballspiel.

Auch beim Kandidaten-Check von „Kölner Stadt-Anzeiger“, Bergischer Landeszeitung und Radio Berg war das so. Statt dröger Diskussionen gab es am Samstagmittag im Einkaufszentrum Rhein-Berg Galerie einen informativen Schlagabtausch der bergischen Bundestagskandidaten zu aktuellen Themen, Diesel, Verkehr, Pflegenotstand, Soziales, Innere Sicherheit. Sechs der sieben Direktbewerber standen auf der Bühne Rede und Antwort, Christian Lindner (FDP) meldete sich per Videoeinspieler vom Parteitag der Liberalen in Berlin.

Keine Spur von Wahlmüdigkeit

Schlag auf Schlag ging es in der von Guido Wagner, Redaktionsleiter von Bergischer Landeszeitung und „Kölner Stadt-Anzeiger“, und Wiebke Breuckmann, Chefredakteurin von Radio Berg, moderierten Runde. Von Wahlmüdigkeit keine Spur bei den Wählern: Die Bänke ums Podium waren alle belegt, selbst von den Emporen verfolgten viele den Bewerbertest. Die meisten blieben bis „Spielende“. Das Shoppen mit Wahlinfos (oder umgekehrt) kam gut an.

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Eine Woche vor der Entscheidung am 24. September gaben sich die Kandidaten betont entspannt. Als Kind habe er Postbote werden wollen, verriet beispielsweise Dr. Hermann-Josef Tebroke, der für die CDU in den Bundestag möchte. Bei Tempo 100 auf der Autobahn fahre er 103, wusste Nikolaus Kleine (SPD) zu erzählen. „Lieber eine politische Niederlage als sich gar nicht zu bewerben“, meinte Lucie Misini, die Kandidatin der Linken. 24 Stunden Bürgersprechstunde pro Tag versprach Christian Lindner. Die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel werde er als erstes angehen wollen, berichtete Joachim Orth von den Freien Wählern. Die AfD sei die einzige Partei, die Deutschland nicht preisgebe, sagte Dr. Roland Hartwig, wohl auf das Thema Zuwanderung gemünzt. Dafür gab es einige Buh-Rufe des Publikums.

Bei der Dieselkrise herrschte weitgehend Einigkeit, Konsequenzen ziehen, auf Kosten der Industrie nachrüsten, die Verantwortlichen benennen – so die Meinung der Bewerber. Vom Diesel ging es rasch weiter zum Thema Verkehr. „Der Ausbau der Autobahn zwischen Untereschbach und Köln als Lösung? Da bin ich gegen“, meinte Maik Außendorf, der Bewerber der Grünen. Mit weiteren Fahrspuren könne die tägliche Stausituation vor den Toren der Domstadt nicht angegangen werden.

Mobilität in Rhein-Berg

Radschnellwege nach Köln müssten her, ein neues Denken. Auch die Elektrifizierung der Bahnstrecke ins Oberbergische sei wichtig, die Sanierung der vielen maroden Eisenbahnbrücken noch drängender als die der Autobahnbrücken. CDU-Bewerber Tebroke erinnerte an das fehlende zweite S-Bahn-Gleis von Bergisch Gladbach nach Köln, an die erforderliche Zusammenarbeit von Kommunen, Kreis und Land. Eine „große Katastrophe“ sah Nikolaus Kleine voraus, sollte die Untereschbacher Autobahnbrücke tatsächlich wegen Abriss monatelang ausfallen. Er werde das Thema direkt in Berlin ansprechen, falls er gewählt werde.

Von der „Gießkanne“ bei der Wohnraumförderung halte er nichts, meinte Hermann-Josef Tebroke. „Gezielt in die Räume schauen“, empfahl er und verwies auf Instrumente des Kreises, die in seiner Amtszeit als Landrat entstanden oder ausgebaut worden seien. Die kommunal getragene Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft (RBS) schaffe bereits ein größeres Wohnangebot, weitere Bauträger müssten aktiv werden; die RBS alleine könne die Situation nicht ändern. Aber Wohnraum bitte nicht nur für Sozialschwächere. Auch für mittlere Einkommen müsse ein Angebot geschaffen werden. Da der Elternfreibetrag meist Gutverdienern helfe, plädierten die Grünen für eine Kindergrundsicherung, sagte Maik Außendorf. Das werde Eltern entlasten und die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben, erhöhen.

Zahlreiche Zuhörer verfolgten die Veranstaltung im Einkaufszentrum Rhein-Berg-Galerie.

Zahlreiche Zuhörer verfolgten die Veranstaltung im Einkaufszentrum Rhein-Berg-Galerie.

Die Umfrage unter den Zuhörern war eindeutig: In Bergisch Gladbach gibt es bislang keine Angst vor Terroranschlägen, gleichwohl der Weihnachtsmarkt mit Barrieren geschützt werden muss vor Attacken. Wenig überraschend: Bei der Inneren Sicherheit schlug AfD-Vertreter Roland Hartwig den härtesten Ton an. Gefährder sollten vorbeugend in Haft, forderte er. Gegen eine Instrumentalisierung des Themas Innere Sicherheit im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage sprach sich CDU-Kandidat Tebroke aus. Fahnder europaweit vernetzen (Nikolaus Kleine), einen besseren Datenaustausch, aber keine Massenüberwachung der Gesellschaft (Maik Außendorf), eine Kooperation der Behörden (Hermann-Josef Tebroke) – Die Ansichten der übrigen Bewerber unterschieden sich nur in Nuancen. Auch Bildungsangebote gehörten zur Prävention, argumentierte Tebroke. „Schrecklich, wir haben uns fast schon an Anschläge gewöhnt“, meinte Joachim Orth.

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