FastenbrechenMuslime und Christen trafen sich in der Gesamtschule Paffrath

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Der stellvertretenden Bürgermeisterin Anna Maria Scheerer (vorn, 2. v. l.) erklärten Cheimaa Boukammous (l.) und Zinepe Bafti (3. v. r.) die Speisen des Abends.

Der stellvertretenden Bürgermeisterin Anna Maria Scheerer (vorn, 2. v. l.) erklärten Cheimaa Boukammous (l.) und Zinepe Bafti (3. v. r.) die Speisen des Abends.

Bergisch Gladbach – Ramadan, der Fastenmonat der Muslime in der ganzen Welt, hat etwas Geheimnisvolles. Wie kann man es ohne zu essen und zu trinken zwischen Sonnenaufgang und -untergang aushalten? Ist das nicht ungesund? Und was bedeutet der freiwillige Entzug für die Gläubigen?

„Es ist Einstellungssache, wie bei einem Fakir, der übers Feuer laufen kann“, sagt Karim Tollih vom Verein „Miteinander“. Mit den Bergisch Gladbacher Vereinen Albanisch-Islamisches Kulturzentrum, Islamische Gemeinschaft Milli Görüs und der Islamischen Gemeinde hat er am Samstagabend zum Fastenbrechen in die Mensa der Integrierten Gesamtschule Paffrath (IGP) eingeladen.

Rund 200 Menschen folgen der Einladung, nicht nur Muslime, sondern auch Christen, darunter Nachbarn, Flüchtlingshelfer, Politiker. Im vergangenen Jahr fand eine solche Veranstaltung zum ersten Mal statt, jetzt wird sie vom Integrationsrat finanziell unterstützt.

„Wir wollen Grenzen überwinden, Vorurteile abbauen und einen Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen“, erläutert Karim Tollih.

Gedichte und Lieder vorgetragen

Mit den Gästen sitzt er an den bereits gedeckten Tischen. Es fällt auf, dass alle Muslime, sogar die Kinder, die Wasser- und Limoflaschen nicht anrühren, und die meisten Gäste folgen ihrem Beispiel, um ansatzweise auszuprobieren, wie es ist, nicht dem Trinkbedürfnis zu folgen. „Ramadan ist Meditation für Körper und Seele – man hat keinen Hunger, aber Müdigkeit kommt auf“, sagt Tollih, der seit 33 Jahren jedes Jahr zum Ramadan fastet. „Mit elf Jahren habe ich angefangen – gegen den Willen der Eltern, aber ich habe mich durchgesetzt.“ Und dann setzt er hinzu: „Jedes muslimische Kind fängt gegen den Willen der Eltern an.“ Auch wenn es nicht so einfach ist. „Am Anfang war ich schwindelig“, sagt die zwölfjährige Imali. „aber jetzt schaffe ich es.“ Keine Schwierigkeiten hat die gleichaltrige Blerina: „Ich bin auch nicht müde in der Schule. Ich will das machen, weil ich mich in die Lage von Menschen versetzen will, die nichts zu essen haben.“ Interessiert lauschen sie den Erfahrungen von Christen mit dem Fasten in der Oster- und der Vorweihnachtszeit. „Das ist doch ganz ähnlich – man hat eben keinen Hunger, sobald man sich darauf einstellt“, stellt Blerina fest. Auffallend viele junge Muslime haben sich in der Mensa versammelt, Kinder wuseln umher, es wird gesungen, Gedichte werden vorgetragen, man referiert über den Koran – in akzentfreiem Deutsch, sie sind alle in Deutschland aufgewachsen. Und zwischen den Vorträgen werden immer wieder die Fußballergebnisse der Champions League bekannt gegeben, auch von den jungen Frauen, die im Verlauf des Abends selbstbewusst ihre Poesie und Gedanken vortragen.

Als um 21.45 Uhr die Sonne untergeht, wird es ernst: Jetzt ist Fastenbrechen angesagt. Doch niemand schüttet sich sofort Wasser ein oder beginnt zu essen. Zuerst singt Mohammed Boukamoni das Liebeslied „Üskudara“, spricht das Gebet „Allahu Akbar“. Erst dann trinken alle ganz bewusst ein paar Schlucke Wasser, essen eine köstliche Königsdattel. Das erste Sättigungsgefühl tritt ein. Einige gehen hinaus zum Beten in einem separaten Raum, werfen sich immer wieder auf den Gebetsteppich. „Diese Art des Betens ist auch eine Art von Sport – das tut gut, für die Verdauung, wie ein Spaziergang“, erklärt Karim Tollih. Das leuchtet ein, denn der Verdauungsapparat muss nach zwölf Stunden Pause in Schwung gebracht werden, jeden Abend aufs Neue, bis zum 25. Juni.

Den Muslimen ist bewusst, wie wichtig es ist, aufeinander zuzugehen. „Wir brauchen eine neue Art des Denkens“; sagt Imad Moussine von „Miteinander“. „Was wir hier erleben, ist ein Vorbild für andere Kommunen – wir sind eine Einheit, ein Vorbild für unsere Mitbürger.“ Sein Vereinskollege Redouan Tollih bekräftigt den großen Willen: „Lasst uns das Fasten und die Barrieren brechen – wie wertvoll das ist, können Sie spüren.“ Er plädiert dafür, den Dialog untereinander nicht abreißen zu lassen: „Insbesondere, wenn Teile der Gesellschaft dagegen arbeiten.“

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