Abo

Geschichte Bergisch GladbachsWo war der Fronhof nun wirklich?

Lesezeit 4 Minuten
Die Gaststätte „Großer Kurfürst“ ist links zu sehen, rechts die Kirchhofmauer, geradeaus die Einmündung (Alte) Dellbrücker Straße.

Die Gaststätte „Großer Kurfürst“ ist links zu sehen, rechts die Kirchhofmauer, geradeaus die Einmündung (Alte) Dellbrücker Straße.

Bergisch Gladbach – Wo stand denn nun eigentlich der Fronhof in Paffrath? Jedenfalls nicht dort, wo heute der Name eines Gasthofes den historischen Standort vermuten lässt, nämlich auf dem Boden des Fachwerkhauses „Am Platz“, heute „Fronhof am Platz“. Da ist er quasi nur hingerutscht, weil er sich in der Nähe erhoben haben soll.

In der Nähe – auf der gegenüberliegenden Seite der damals an jener Stelle einmündenden dörflich engen Dellbrücker Straße – befand sich bis 1967 das Gasthaus „Zum großen Kurfürsten“, auch oft nur als „Der Große Kurfürst“ bezeichnet, das landläufig mit der Keimzelle des Paffrather Dorfverbandes gleichgesetzt wird – auch von dieser Zeitung unlängst erst in unserer Rubrik „Früher und Heute“, in der wir historische und moderne Fotos von Ortsbildern aus gleicher Perspektive vergleichen. Dagegen hat jetzt Hans Leonhard Brenner, Ehrenvorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins, Abt. Rhein-Berg, Einspruch eingelegt.

Brenner klagt, dass „die Lage des Fronhofs in der Öffentlichkeit dauernd falsch suggeriert wird“. Er hat einen anderen Vorschlag parat und stützt sich dabei auf das ehrwürdige „Rote Messbuch“, in dem Pastor Konrad Voeghe um circa 1450 herum ein von Fachleuten so genanntes Send-Weistum angelegt hatte, ein Verzeichnis aller Höfe und Güter mit ihren Abgabeverpflichtungen an den Pfarrer nebst Dorfrecht und einem Lageplan: Paffraths Magna Carta.

Informationen zu Stadtgeschichte bei Ältesten erfragt

Voeghe, der aus Dortmund kam, musste bei seinem Amtsantritt alle diese Angaben mühselig von den ältesten Einheimischen erfragen – wohl in Form von regelrechten Zeugenvernehmungen vor dem Dorfgericht, weil eine frevelnde Hand in der Zeit der Vakanz die entsprechenden Seiten aus dem Messbuch herausgerissen hatte.

Der „Große Kurfürst“, im Zuge der Sanierung des Paffrather Ortskerns abgebrochen, war damals noch nicht errichtet: Auf der Giebelseite des stattlichen Fachwerkhauses war das Baujahr 1618 vermerkt, das Jahr, in dem der Dreißigjährige Krieg seinen Anfang nahm. Das Gebäude gehörte zum Gut „op der Baach“, auch Bachsgut genannt, gleich neben der Kirche.

Und wegen dieser Nachbarschaft – Fronhof und Kirche gehören stets zusammen – und weil es so stattlich war, wurde es wohl in jüngerer Zeit für den Fronhof gehalten.

Der Fronhof fehlt auf der Karte

Laut Brenner sind das jedoch falsche Lorbeeren: Bachsgut ist Bachsgut und eben nicht Fronhof. Der habe vielmehr dort gestanden, wo sich heute der Cap-Markt befindet, an der historischen Ecke von Flachsberg und Paffrather Straße, heute Einmündung der Neuen Nussbaumer Straße.

„Auf dem Lageplan, den Pastor Konrad Voeghe dem Roten Messbuch beifügte, wird das Bachsgut als Backhus bezeichnet, und Voeghe umreißt das Dorf mit einer Linie, die er laut seiner Erläuterung vom Backhus bis zum Fronhof zieht.“ Das heißt: Die Gebäude werden unterschieden, liegen aber nahe beieinander, denn die Linie schließt sich fast.

Der Fronhof ist allerdings im Gegensatz zum Backhus nicht eingezeichnet, und Brenner lokalisiert ihn einfach am Ende der Linie – eben dem beschriebenen Eckgrundstück. „So habe ich das auch schon vor Jahrzehnten von alten Paffrathern gehört.“ Dass der Fronhof auf der Karte fehlt, erklärt Brenner damit, dass er nicht zum Besitz des Kölner Domkapitels gehört habe, sondern dem Landesherren, der Grafen und dem Herzog von Berg, zustand.

Das „Backhus" – eine Töpferwerkstatt?

Beim „Backhus“ könne es sich nicht um eine Bäckerei gehandelt haben – ein „Backes“, ein separater Backofen, gehörte früher praktisch zu jedem Gehöft –, sondern um eine Töpferei.

In rheinischer Mundart werden Tonwaren nicht gebrannt, sondern „gebacken“: Man spricht von „Düppenbäckern“, wenn man Töpfer meint. Paffrather Ware war im Mittelalter weit verbreitet. „Beim Abriss des Großen Kurfürsten wurde hinter dem Haus ein großer Haufen Tonscherben gefunden“, zitiert Brenner alte Zeitungsartikel.

Der Befund bestätigt für Brenner den Charakter des Backhauses als Töpferwerkstatt. Später erlosch die Produktion jedoch, und spätere Generationen konnten mit der Hofbezeichnung Backhus nichts mehr anfangen, so Brenners These. Es wurde zum „Bachs Hus“ verballhornt, aus dem das „Bachsgut“ entstand.

Fronhof auf Höhe des Flachsberg

Diese These hält Historiker Dr. Lothar Speer, ehemals Leiter der Gladbacher Kultur- und Schulverwaltung, der an der Edition des „Roten Messbuchs“ für die Faksimileausgabe der VR-Bank mitgewirkt hatte, für „zumindest sehr gewagt. Ich lese da nicht Backhus, sondern up dem Bach. Das Gut hieß also schon 1450 so“.

Ganz entschieden weist er aber den Versuch zurück, Dorf und Fronhof zu trennen: „Das ist nicht möglich. Der Landesherr hatte in der domkapitularischen Immunität Paffrath keinerlei Grundbesitz, sondern nur vogteiliche Rechte. Als Vogt setzte er die Richter ein, nicht als Grundherr.“ Deswegen seien wohl auch die Seiten aus dem alten Messbuch herausgerissen worden: Handlager des Herzogs wollten die Paffrather Sonderrechte mit Gewalt in Vergessenheit geraten lassen.

Die Paffrather hätten den Fronhof aber nicht als solchen bezeichnet, sondern immer nur als „dä Hoff“ angesprochen. So sei er auch durchaus auf der Karte eingetragen: „Zum Hoff“ könne man da lesen – und zwar tatsächlich rechts der Nussbaumer Straße etwa auf Höhe vom Flachsberg, unweit der von Brenner vorgeschlagenen Lokalität. Hier trifft er also mit seiner Vermutung ins Schwarze.

Rundschau abonnieren