Mit Rap zur IntegrationGemeinnützige Werkstätten in Bergisch Gladbach gehen neue Wege

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Dominik (l.) und Angelo rappen aus Leidenschaft. Sie haben ihr Hobby jetzt in der Gemeinnützigen Werkstatt hoffähig gemacht.

Dominik (l.) und Angelo rappen aus Leidenschaft. Sie haben ihr Hobby jetzt in der Gemeinnützigen Werkstatt hoffähig gemacht.

  • 15 Mitglieder einer Rap-Gruppe verbindet die Leidenschaft zur Musik und die Arbeit in der Gemeinnützigen Werkstatt.
  • Projekte wie Rap-Kurse stellen ein begleitendes Angebot dar, Jugendliche lernen auch wichtige soziale Kompetenzen.

Bergisch Gladbach – Dominik sitzt auf dem weißen Plastikstuhl, lässig zurückgelehnt, die Hände verschränkt. Er trägt einen Anzug. Schwarz, mit Krawatte. Im Ohr blinkt ein Diamantohrring. Vor ihm auf dem Tisch liegen Moderationskarten. „Rapkurs“ steht auf der Rückseite. In großen bunten Buchstaben, selbst gestaltet, einlaminiert.

Ihm gegenüber sitzt Angelo – oder Jayson J, wie man ihn in Rapkreisen nennt. „Ich rappe schon seit 15 Jahren“, erklärt Angelo. Nach vorn gebeugt, hat er die Ellbogen auf die Knie gestützt. Er trägt einen grauen Kapuzenpulli. „Mein Cousin hat ein eigenes Tonstudio“, berichtet er und schiebt sein Cap zurück, das falsch herum auf seinem Kopf sitzt.

„Die Idee zu einer Rap-Gruppe hatten wir schon seit einem Jahr“, erklärt der 21-Jährige. Sein Blick geht in die Runde. Mit ihm am Tisch sitzen vier weitere Jungs. Sie sind zwischen 21 und 34 Jahre alt. Die lässige Rapper-Attitüde brauchen sie nicht zu spielen. Von Aufregung keine Spur. Sie wirken, als wären sie schon Jahre im Geschäft, als seien Presse-Termine an der Tagesordnung. Dominik richtet sich auf seinem Stuhl auf. Er ist derjenige, der das Projekt initiiert hat: „Hier gab es einmal im Monat eine Disco. Dort haben wir dann immer gerappt.“

Angebot für jüngere Beschäftigte und Menschen mit Behinderung

Diese spontanen Freestyle-Sessions wollte er in einer Rap-Gruppe verfestigen. Einfach sei das aber nicht gewesen. „Es war schwer, das durchzubekommen. Rap gilt als asozial. Das wollten viele nicht“, sagt er und runzelt dabei nachdenklich die Stirn. 15 Mitglieder zählt die Rap-Gruppe insgesamt.

Sie verbindet nicht nur die Leidenschaft zur Musik, sondern auch ihr Arbeitsplatz: die Gemeinnützige Werkstatt in Bergisch Gladbach. Angelo erklärt: „Wir sind alle hier beschäftigt – in der Baugruppenfertigung, der Montage oder im heilpädagogischen Bereich.“

An diesem Samstag steht die Werkstatt für Besucher offen. Für die Jungen bietet der Tag der offenen Tür erstmals eine Bühne. „Den Rap-Kurs gibt es seit ein paar Monaten“, erklärt Lea Schmidt, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Werkstätten. „Geleitet wird das Projekt von David Quaas, von der Offenen Jazz Haus Schule in Köln. Er bringt den Jungs bei, wie man Beats mischt“, erzählt sie weiter. Das Ziel des Projekts sei es, ein Angebot für jüngere Beschäftigte zu schaffen.

Das bestätigt auch Matthias Hopster. Er ist Geschäftsführer der Gemeinnützigen Werkstätten Köln (GWK). „Wir holen jeden dort ab, wo er gerade steht. Hier arbeiten Menschen mit verschiedenen Behinderungen: Von leicht bis schwerst mehrfachbehindert.“

Individuelle Förderung

Die GWK bietet Menschen mit Behinderung Arbeit und Betreuung. Sie versteht sich dabei als Zwischenstation und hat als langfristiges Ziel, die Menschen in die Gesellschaft und auch auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren.

Das Wort Inklusion lehnt Hopster jedoch ab. „Das ist so ein schillernder Begriff. Und keiner weiß genau, was er bedeutet – ich übrigens auch nicht.“ Die Menschen, die in der Werkstätte beschäftigt sind, sollen individuell gefördert werden.

Durch Integrationsassistenten, betreute Praktika und eine unterstützte Ausbildung soll ihnen der Berufseinstieg erleichtert beziehungsweise überhaupt erst ermöglicht werden. Mehr als 300 Menschen sind in der Werkstatt beschäftigt. „Wir arbeiten in enger Kooperation mit der Deutz-AG. Wir übernehmen Montagearbeiten, Lagerarbeiten oder Baugruppenfertigungen. Natürlich arbeiten die Beschäftigten auch im hauswirtschaftlichen, im heilpädagogischen Bereich oder im Garten“, erklärt Hopster.

Die verschiedenen Förderungsschwerpunkte sind neben der Berufsausbildung Themengebiete wie Kommunikation, Deeskalation, Mobilität und Kulturtechniken, wie etwa essen oder schreiben. Projekte wie der Rap-Kurs stellen ein begleitendes Angebot dar. Neben dem Musikmachen lernen die Jungen nämlich noch wichtige soziale Kompetenzen.

„Sie müssen nach und nach immer mehr Verantwortung übernehmen. Pünktlich kommen, ihre Texte lernen und auch ihre Bühnenoutfits zusammenstellen“, erklärt Quaas, der die Rapper seit Januar begleitet. Zum Auftritt kommt niemand zu spät. Pünktlich um 13 Uhr stehen die Nachwuchs-Musiker auf der Bühne. Dominik steht am Mikro, die Karten mit dem Bandlogo in der Hand.

Nach einer kurzen Begrüßung geht es los. Der erste Song ist der Song von den drei schönen Ladies. Angelo hat ihn für seine Verlobte geschrieben. Gut anzukommen scheinen die Jungs damit allemal: Als sie die ersten Zeilen rappen, steht kein Zuhörer mehr still.

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