Natur in Rhein-BergIn bergischen Wäldern hört man den Kuckuck kaum noch

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In den letzten Jahren hat sich der Kuckuck im Bergischen rar gemacht. In der Wahner Heide kann er ganz vereinzelt noch gesichtet werden.

In den letzten Jahren hat sich der Kuckuck im Bergischen rar gemacht. In der Wahner Heide kann er ganz vereinzelt noch gesichtet werden.

Bergisch Gladbach – Wer jemanden „zum Kuckuck“ wünscht, der wünscht ihn ganz weit weg. Genaugenommen in die Hölle, denn der Vogel mit dem charakteristischen Ruf steht für den Teufel , den man ja bekanntlich nicht nennen darf, sonst ruft man ihn herbei. Warum der Kuckuck mit dem Gottseibeiuns gleichgesetzt wird? Wohl weil er einen mit seinem Ruf narrt: Man hört ihn, doch man sieht ihn nicht. „Kuckuck“ wird aufgefasst als spöttisches Necken: „Such mich doch! Findest mich nicht!“ Der altdeutsche Name des Kuckucks, Gauch, steht auch für den Narren und Spitzbuben.

Übrigens ist auch das Wort Gauch, ursprünglich „Guck“, vom Ruf des Vogels abgeleitet, wie überhaupt sein Name in allen Sprachen Europas: Cuculus canorus, cuckoo, coucou, Koekoek. Es schreit jedoch nur der Hahn, „ihre“ Stimme ist völlig anders: ein falkenartiges Kichern, dass zum raubvogelhaften gesperberten Federkleid passt. Dieser Auftritt hat Kalkül: Frau Kuckuck, die ja bekanntlich ihre Eier in fremde Nester legt, will damit die kleinen Singvögel verscheuchen, damit sie sich unbeobachtet an deren Brutstätten zu schaffen machen kann. Sie ist das durchtriebene Biest in dieser Räuberehe – Vielmännerei inklusive. Sie baldowert die Nester aus, wartet, bis niemand zu Hause ist und legt dann hurtig, in nur einer Sekunde, ihr eigenes Ei in das Gelege. Meistens klaut und frisst sie dann auch gleich noch ein, zwei Eier der auserwählten Pflegeeltern, damit der kleine Gauch hinterher nicht soviel Mühe hat, seine Stiefgeschwister aus dem Nest zu stoßen. Das tut die leibliche Mutter noch für ihn, das war’s dann. Und Papa kümmert sich um gar nichts, außer, einer Dame nach der anderen nachzusteigen. Diese anzulocken, ist der Sinn und Zweck seines typischen Rufens, das vom April bis in den Juli erschallt. In unseren Breiten wird er allerdings in der ersten Junihälfte schon ziemlich ruffaul. Mein Experte Thomas Stumpf auf meine Frage, wie ich einen Kuckuck zu Gesicht kriegen könnte: „Da sind Sie aber spät dran! Wenn er nicht ruft, hat man kaum eine Chance, ihn zu finden.“ Doch die Frage ist eher akademisch, denn, rückt Stumpf mit der bitteren Wahrheit heraus: „Im Bergischen Land ist der Kuckuck praktisch nicht mehr existent.“

Selbst im Vogelparadies Wahner Heide ist der Besatz auf vier bis fünf Exemplare zusammen geschrumpft. „Vor 20 Jahren konnte ich Exkursionen durch die Heide anbieten, mit Sichtgarantie“, erzählt Stumpf, „doch das ist vorbei.“ Wo sind sie geblieben, die Kuckucke? „Es gibt nur Hypothesen“, rätselt Stumpf. „Das eine ist die gefahrvolle Route, die der Langstreckenzieher aus Afrika zurücklegt.“ Viele früher dünn besiedelte Gebiete, die er durchquert, werden heute von immer mehr Menschen bewohnt, die ihren Speisezettel mit dem Kuckuck aufbessern. Aber die wachsende Bevölkerung hat auch andere Auswirkungen auf die Ökosysteme an der Flugroute, in denen der wandernde Kuckuck sich ernährt.

Ein andere Erklärung wird in der globalen Erwärmung gesucht: Die Wirtsvögel des Kuckucks, auf die er angewiesen ist für seinen Bruterfolg, starten früher mit dem Brüten. Wenn der Kuckuck dann eintrifft, ist die Chose schon gelaufen: Werden beim Rotschwanz die Nestlinge gefüttert, kann Frau Kuckuck ihr Ei denen nicht mehr erfolgreich unterjubeln. Langfristige Untersuchungsreihen zeigen indes, dass der Frühlingsbeginn sich erst um sechs Tage vorverlegt hat. Das dürfte den Kuckuck noch nicht aus der Spur werfen. Auch müsste es sich in allen Brutgebieten gleich auswirken, aber im Odenwald oder an der Lahn ruft der Kuckuck noch fleißig. Allerdings tritt da noch (wieder) der Maikäfer in größeren Stückzahlen auf, Sättigungsgrundlage des Kuckucks. Vielleicht liegt das Problem also nicht in Afrika oder in Klimakrisen, sondern bei uns: Der Kuckuck findet nicht mehr genug zu fressen, vor allem Schmetterlingsraupen, seine Leibspeise. Dass viele Falter seltener werden, beklagen die Ökologen längst. Grund ist das Verschwinden ihrer Futterpflanzen, an die die Raupen oft sehr eng gebunden sind. Wildwiesen und Feldraine mit ihrer Artenvielfalt sind rar. Erst verschwindet die Brennnessel, dann Pfauenauge und Admiral, zum Schluß bleibt eben der Kuckuck weg. Zum Kuckuck!

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